Die Lobau: Treffpunkt der Reichen, Armen und Nackten

Billiges Vergnügen beim Ausflug in die Lobau: Einer spielt Ziehharmonika und los geht’s.
Wer etwas über die Lobau wissen möchte, der fragt am besten Robert Eichert. Warum ihn die Auen schon als Kind fasziniert haben, erläutert er so: „Mein Onkel beschrieb ständig bildhaft, wie dort die Nackerten herumrennen. Als frühreifer Knabe wollte ich das unbedingt sehen.“
Seit seinem ersten Besuch lässt ihn die Lobau nicht mehr los. Er sammelt Bücher – so viele, dass seine Wohnung fast aus allen Nähten platzt. Er sucht Kontakt zu Menschen, die die Lobau geprägt haben, sichtet Fotos und Filme usw.
Ein Teil seiner Schätze ist in einer Ausstellung zu sehen, die noch bis 2. November im und rund ums Nationalparkhaus Donauauen gezeigt wird.

1970: Ausfischen eines Altarms im Überschwemmungsgebiet der Lobau.
Wer das Glück hat, eine Führung von dem Lokalhistoriker persönlich zu erleben, erfährt Erstaunliches. Zum Beispiel, dass Otto Wagner bereits vor 130 Jahren eine Autobahn durch die Lobau geplant hatte. „Zwei Trassen sollten die Donau queren – ein Außengürtel entlang der heutigen Süd-Ost-Tangente, eine über die Lobau.“
Hungrige Wilderer im kaiserlichen Jagdgebiet
Fesselnd und mit einem Augenzwinkern erzählt Robert Eichert über die Wilderei – bis 1917 war die Lobau ja kaiserliches Jagdgebiet. „Während Erzherzog Franz Ferdinand stolz seinen tausendsten Hirschen zur Gaudi erlegte, hungerten viele Anwohner und wilderten. Selbst ein ehemaliger Geistlicher wurde deshalb zu sieben Tagen Kerker verurteilt.“ Nicht alle Delinquenten mussten eine Ersatzleistung zahlen, schlicht und einfach deshalb, weil von ihnen nichts zu holen war. „Die Herrschaft von Essling setzte sich beim Kaiserhaus für ihre Untertanen ein.“
Unverhülltes Baden
Die Menschen waren quasi nackt, womit wir beim Lieblingsthema Eicherts sind: „Schon zu Monarchiezeiten badeten viele in der Lobau unverhüllt, weniger aus Überzeugung, sondern weil sie kein Geld für Badekleidung hatten.“ Sehr zum Missfallen der Sittenwächter: Bei Kontrollen gab es nicht nur für Nackedeis Stockhiebe. Wer bekleidet war, musste seine Hose runterlassen. War der Überprüfte nahtlos braun, setzte es ebenfalls Schläge.

1933 wurde FKK per Verordnung verboten. Berittene Polizisten machten „Jagd“ auf Nackerte.
Verriegeltes Vergnügen
Ihre Blütezeit als Naherholungsgebiet hatte die Au in der Zwischenkriegszeit. Damals brachte ein Bäderzug die Wiener in die Lobau, einer S-Bahn-Station, die bis 2014 existierte. Frei zugänglich war sie nicht: Da viele Besucher ihren Mist liegen ließen, wurde sie umzäunt und es wurde Eintritt verlangt.
Die Lobau wird "kolonialisiert"
Doch viele Menschen hatten gar keine Zeit für Vergnügen. Die 20er- und 30er-Jahren waren die Zeit der Wohnungsnot, und so wurde die Lobau das Zuhause vieler Wiener. Statt in überseeische Kolonien auszuwandern, wurde ihnen die „Kolonie“ vor den Toren Wiens angeboten: Anfangs bauten sie slumartige Hütten, später kleine Häuser.

Forsthaus in der Oberen Lobau: Milch war besonders beliebt.
Freikörperkultur
Nackt gebadet wurde weiterhin. Prominenter Vertreter war Florian Berndl. Nach dem 2. Weltkrieg propagierte Waluliso die Freikörperkultur.
Nur mit einem Federschmuck bekleidet waren die „Lobau-Indianer“ in den 70ern und 80ern. Sie kleideten sich nicht nur wie die amerikanischen Ureinwohner – sie bildeten unterschiedliche Stämme und fühlten sich als Eingeborene der Lobau.

Buchtipp: Robert Eichert. Die Lobau, Winkler-Hermaden, 19,90 Euro.
Die Ausstellung „Historische Bilderreise durch die Wiener Lobau “ ist im Nationalparkhaus zu sehen (22., Dechantweg 8, Mittwoch bis Sonntag von 10 bis 18 Uhr). Zudem gibt es Outdoor-Ausstellungen an verschiedenen Orten der Lobau.
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