Wieder auferstanden nach dem Zweiten Weltkrieg

Wiedereröffnung der Wiener Staatsoper
Im Herbst 1955 wurden „Burg“ und Oper, die in den letzten Kriegstagen fast völlig zerstört worden waren, feierlich wiedereröffnet. In einem Wettkampf ging es darum, welches Theater als erstes die Premiere schafft.

Es war ein regelrechter Wettkampf, den die bedeutendsten Bühnen des Landes gegeneinander ausfochten. Beide waren in den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs fast vollkommen zerstört und danach unter großen finanziellen Opfern wiederaufgebaut worden. Also wartete ganz Österreich darauf, welche der beiden Nationalbühnen an der Ringstraße nach zehnjähriger Instandsetzung den Betrieb als Erste wieder aufnehmen würde.

Das Burgtheater. Oder die Staatsoper.

Um es kurz zu machen: Die „Burg“ schaffte das Rennen und eröffnete am 15. Oktober 1955. Die Oper brauchte drei Wochen länger, ehe Bauarbeiten und die letzten Proben abgeschlossen waren.

Ein Debakel

Aber hatte die „Burg“ tatsächlich gewonnen? Man gab in der ersten Vorstellung im neuen/alten Haus Grillparzers Trauerspiel „König Ottokars Glück und Ende“ mit Ewald Balser, Attila Hörbiger und Judith Holzmeister in den Hauptrollen. Doch der Abend war ein Debakel, ein Trauerspiel im doppelten Sinn des Wortes. „Von der ersten Premiere ist nicht viel anderes zurückgeblieben als der Wunsch, sie möge nicht wahr gewesen sein“, hieß es in einer Kritik, und Friedrich Torberg schrieb im KURIER: „Die Aufführung hätte genau so gut, so mittelmäßig gut auch im Ronacher oder im Ruhrgebiet stattfinden können.“

Während die Schuld an der Niederlage vor allem der Regie von Burgtheaterdirektor Adolf Rott zugeschrieben wurde, fand man für die Schauspieler freundlichere Worte. Der Applaus war jedenfalls groß, als Ewald Balser in der Titelrolle das am Boden zerstörte Österreich mit den Worten pries: „Es ist ein gutes Land, wohl wert, dass sich ein Fürst sein unterwinde!“

Ganz anders das „sehr erfolgreiche Debüt“ an der Staatsoper, das Marcel Prawy als Zeitzeuge miterlebte, der für seine Karte in der Eröffnungsvorstellung am 5. November 1955 „astronomische 5.000 Schilling“ bezahlte: „Karl Böhm dirigierte den ,Fidelio’ wundervoll“, urteilte der spätere „Opernführer“, der allerdings damals schon ahnte, „dass das Regiezeitalter mit seinen zahllosen Schrecken endgültig angebrochen war“.

Wiedereröffnung des Burgtheaters

Von Henry Ford bis Curd Jürgens

Dennoch: Die Wiedereröffnung beider Staatstheater wurde enthusiastisch gefeiert, auch als gesellschaftliches Ereignis. So saß in den Logen der Oper Prominenz vom Autokönig Henry Ford II bis Curd Jürgens. Und vor dem festlich erleuchteten Gebäude am Opernring standen 30.000 Wiener, um Beethovens geniale Klänge über Lautsprecher zu verfolgen. Es war kein Zufall, dass man „Fidelio“ als Freiheitsbotschaft nach Krieg und Unterdrückung gewählt hatte. Die umjubelten Stars waren Irmgard Seefried, Paul Schöffler und Anton Dermota, der in seinen Memoiren schrieb, der Abend sei „einer der schönsten meines Lebens“ gewesen.

Und auch das Burgtheater bekam seine zweite Chance. Die nächste Premiere, am 22. Oktober 1955, war ein künstlerisches Großereignis. Während sich „der Beifall bei König Ottokar nur zögernd oder gar nicht einstellen wollte“, war das Publikum laut Friedrich Torberg, ein paar Tage später, bei Don Karlos, „überwältigt“. Jetzt erst, beim zweiten Anlauf, war das Burgtheater „wirklich“ wiedereröffnet.

Zehn Jahre davor, im März und April 1945, waren „Burg“ und Oper durch Bomben fast völlig zerstört worden. Das Burgtheater ging in einem Flammenmeer unter, weil es in Wien keine funktionierende Feuerwehr mehr gab. Viele Sänger standen weinend vor dem brennenden Opernhaus, die Schauspieler vor dem Burgtheater.

Doch so schnell gibt man in Wien nicht auf. Und so beschloss die Regierung trotz Hungers und Elends schon in den ersten Friedenstagen, die beiden Wahrzeichen wieder auferstehen zu lassen. Das Burgtheater spielte derweil im Ronacher, die Oper fand ihre Ausweichquartiere im Theater an der Wien und in der Volksoper.

Kaum ein Wiener glaubte daran, dass „Burg“ und Oper je wieder in ihrer alten Pracht erstehen würden. Und doch: Das Unmögliche geschah. Die Architekten wurden angewiesen, das historische Ambiente detailgetreu nachzubilden und die Bühnen gleichzeitig auf den letzten Stand der Technik zu bringen. Das Ganze kostete natürlich ein Vermögen, allein der neue Opernbau verschlang 260 Millionen Schilling.

Nebenbei schrieben die Premieren von „Burg“ und Oper auch ein Stück TV-Geschichte. Zwar gab es im Jahr eins des österreichischen Fernsehens noch kaum einen Haushalt, der über einen Bildschirm verfügte, doch Tausende Wiener verfolgten auf Fernsehapparaten in Kaffeehäusern die historischen Aufführungen.

Das Ende der TV-Übertragung

Bezüglich der Opernübertragung gab es allerdings eine gröbere Panne. Die Eurovision wollte das Großereignis auch in Deutschland zeigen, war jedoch nicht bereit, den Künstlern zusätzliche Gagen zu zahlen. Da sich die Sänger weigerten, unter diesen Umständen einer Übertragung zuzustimmen, kam es, dass die deutschen Zuschauer die Prominentenparade auf der Feststiege verfolgen konnten, weiters die Ankunft von Bundespräsident Theodor Körner in seiner Loge und einen Schwenk in den Zuschauerraum. Dann sah man noch wie Karl Böhm den Taktstock hob – und die Übertragung wurde abgebrochen.

Die Österreicher feierten mit der Eröffnung ihrer Nationalbühnen ihre wieder gewonnene Freiheit. Da traf es sich gut, dass genau in diesen Tagen die letzten Besatzungssoldaten abzogen.

georg.markus

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