Billi Thanner: Das ist die Frau mit der Himmelsleiter am Dom

„Da schau, meine Gehirnzellen“, sagt Billi Thanner. Sie nimmt eine davon und lacht. Die Gehirnzelle ist hellgrau und fühlt sich gut an – gepolstert. Entstanden ist sie mit einer ganz speziellen Technik. Sie kann Wände zieren.
Die Gehirnzelle ist ein quadratisches Hinterglasbild auf Weichfolie; und Billi Thanner, ihre Schöpferin, als Künstlerin inzwischen stadtbekannt. Zumindest eines ihrer Werke ist es. Denn Thanner schuf die Himmelsleiter, die derzeit auf dem Südturm des Stephansdoms in Wien zu sehen ist. Sie kann die Beleuchtung über eine App ihres Handys steuern. Sie nützt das nicht aus, aber es macht ihr Spaß, zu wissen, dass sie jederzeit das Licht aus- und wieder einschalten könnte.

Seit Ostern 2021 leuchtet die Leiter am Steffl, ab Herbst ist sie in Münster zu sehen.
Seit dem vergangenen Wochenende leuchtet übrigens wieder die ganze Leiter. Bei einem starkem Gewitter Anfang August war eine Leuchtstoffröhre kaputt gegangen. Jetzt ist alles gut. Die Himmelsleiter soll zumindest bis Ende September die Blicke auf sich ziehen. Vielleicht sogar länger.
Billi Thanner zeigt gerne, was sie schafft – und die Menschen, die sie unterstützen. „Das ist Philip“, sagt sie und tritt einen Schritt zurück. Philip Knoll solle auch einmal im Vordergrund stehen. Denn er vermietet nicht nur die Werkstatträume an sie, er fertigte als Lichtspezialist mit ihr die Himmelsleiter an (siehe Zusatzbericht unten).

Philip Knoll sorgt für Beleuchtung
Amore
Es könnte sein, dass die Installation für den Stephansdom nicht das letzte Lichtprojekt von Billi Thanner ist. Ideen für ein neues hat sie bereits, wie für vieles andere. Die Eingebungen kommen ihr meistens in der Früh. Da können ungewöhnliche Dinge dabei sein.
Sie kreierte Viren. Und das lange vor Corona. Es sind Kunstviren – mit Luxusstoffen überzogenen Koffer mit Kopf. Sie sollen gegen Pseudokunst antreten und eine sinnvolle Auseinandersetzung mit Kunst ermöglichen. Sie haben Namen wie Madame Gabrielle, Amore oder Elvis. Die Figuren wirken durchaus sympathisch. Von diesen Viren lässt man sich gerne befallen.

Die Viren marschieren
„Kunst braucht Betrachter“, sagt Thanner, „Kunst muss gesehen werden.“ Ihre war nicht nur in Österreich anzuschauen. Das Projekt „No Air-No Art“ wurde in Peking, im MoCA (Museum of Contemporary Art) gezeigt und in Schanghai. Es macht auf das Smog-Problem aufmerksam. Keine Luft – keine Kunst. „Was hast du mit dem Smog in China zu tun?“, wurde sie nicht nur einmal gefragt. „Ich mache das aus Überzeugung“, erklärt sie. Billi Thanner packte ihr Sachen und zog nach China.
Doch egal, wo sie schon war – und es waren viele Orte für viele Ausstellungen – eines fällt ihr immer wieder auf: „Nichts ist so schön wie Wien.“ Im fünften Bezirk ist sie daheim, hier arbeitet sie, hier hat sie ihre Ideen, hier sitzt sie in einem Gasthaus, um mit dem Künstler Daniel Spoerri zu essen.
Die Künstlerin
Billi Thanner, 1972 in Wien geboren, wohnt und arbeitet in der Stadt. Ihre Mutter stammt aus Kroatien, ihr Vater ist Deutscher. Sie lebte unter anderem in Kroatien und Österreich. Sie zählt zu den Protagonistinnen einer neuen Generation des zeitgenössischen Aktionismus: dem Neo- oder Inter-Aktionismus. Performances sind Teil ihrer Arbeit
Die Ausstellungen
Billi Thanner stellte von Wien bis Schanghai aus. Ihre Werke sind auf den Kunstmessen von Köln bis Paris vertreten. Aber auch in der Modezeitschrift Vogue waren ihre Kunst-Viren zu sehen. Während des ersten Lockdowns sorgte sie mit Tanzvideos für Motivation
Jedenfalls ist Billi Thanner eine gute Netzwerkerin. Viele Künstlerinnen und Künstler sind an ihren Performances beteiligt. Die Aktionen sind ein wichtiger Bestandteil ihrer Arbeit. So transportiert sie ihre Anliegen, wie Gleichberechtigung. So bringt sie ihre Themen wie Weiblichkeit und Frauenbilder ein.

Billi Thanner in der Werkstatt
Die Army
„Kreative Köpfe finden zusammen. Sänger, Schauspieler, Tänzer“, erklärt Thanner. Schauspieler Peter Lohmeyer etwa badete für Billie Thanner in der Öffentlichkeit. Ihre Aktionsplattform nennt sie „Billi Thanner’s Art Army“. Die Art Army ist dort wo Billi Thanner ist. Sie regt zum Nachdenken an.
Thanner nimmt eine weitere Gehirnzelle, weiß und gepolstert. „Unverbraucht“, sagt sie. Da ist noch viel Platz für Neues.

Es gibt nicht mehr viele, die Neonschriften machen können
Ein Mann biegt das Licht: Neon aus der Werkstatt
Die Neon-Röhren leuchten, die Trafos brummen, der Dielenboden knarrt. Philip Knoll führt durch seine Lichtwerkstatt. Hier, im fünften Bezirk in Wien, entstehen beleuchtete Figuren, Buchstaben, Schilder. Schablonen liegen auf der Werkbank. Ein Glasbläser sorgt für die richtigen Biegungen, genau nach Vorgabe.
Nur noch wenige Menschen in Österreich erzeugen Neon-Schriften. Knoll hat einen der letzten Betriebe. der das macht. In Wien sind viele Schriftzüge – nicht nur in Neon – zu sehen, die er gebaut oder restauriert hat. Neon wird für Spezialprojekte wieder in – denn es leuchtet anders als LED. Das wissen auch Künstler und Künstlerinnen. Billi Thanner sitzt somit an der Quelle, sie hat sich bei Knoll eingemietet.
Sein Haus, von außen unscheinbar, wirkt anziehend – nicht nur auf Menschen mit Lichthunger. Immer wieder werden Immobilienmakler vorstellig, die das Gebäude kaufen wollen. Keine Chance.
Knoll bleibt hier.
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