Wo sich kleine Geschäfte in Wien einen Konzern als Nachbarn wünschen

Die äußere Mariahilfer Straße wird seit einem Jahr saniert. Der erste Abschnitt ist so gut wie fertig.
Zusammenfassung
- Die äußere Mariahilfer Straße wird modernisiert, dennoch kämpfen lokale Geschäfte weiterhin mit geringen Kundenfrequenzen.
- Händler wie Juweliere und Schuhverkäufer beklagen Umsatzverluste und fordern ein namhaftes Geschäft, um mehr Kunden anzuziehen.
- Trotz Verbesserungen wie mehr Grünflächen und breiteren Gehsteigen bleibt der Bereich für viele ein Sorgenkind, da es an attraktiven Anziehungspunkten fehlt.
Von Maximilian Gruber
„Schau einmal, wie viele Personen vorbeigehen“, sagt Herr Eser, der in seinem menschenleeren Juwelier-Geschäft steht. „Ein Radfahrer. Noch einer. Niemand sonst.“
Vor seinem Schaufenster liegt die äußere Mariahilfer Straße im 15. Bezirk. Sie ist seit langem ein Sorgenkind der Stadt: unattraktiv, zu wenige Kunden, zu viele Ramschläden. Aktuell wird sie Schritt für Schritt saniert. Der erste Abschnitt, vom Gürtel bis zur Clementinengasse, wird bereits zur „klimafitten Flaniermeile“ umgebaut.

Juwelier Eser wünscht sich mehr Frequenz auf der Mahü.
Hier hört man noch Baustellenlärm, doch es schaut bereits moderner aus. Viele Radler flitzen den neuen, zweispurigen Radweg entlang. 18 Bäume wurden gepflanzt, in den Beeten knien noch Gärtner und setzen Blumen ein. Mehr Grün also, und weniger Verkehr dank der neuen Einbahnregelung für Autos. Auch breitere Gehsteige sollen zum Flanieren und Verweilen einladen.
Doch diese Einladung werde nicht angenommen, klagt der Juwelier. „Eine moderne Straße ist schön und gut, aber deshalb kommen die Leute nicht her.“ Denn eines fehle, sagt Herr Eser: ein namhaftes Geschäft, das mehr Leute anzieht.
Schön, aber leer
Und tatsächlich, während der Ikea beim Gürtel noch zahlreiche Kunden anlockt, sieht es ein paar Gassen weiter stadtauswärts schon anders aus. Neben Herrn Esers Juweliergeschäft reiht sich Kleingeschäft an Kleingeschäft: Handyshops, kleine Supermärkte, ein Brautmodenladen sowie Schnitzel- und Kebabbuden. Je weiter weg vom Westbahnhof, desto mehr solcher Geschäfte. Sie alle eint: Die Kaufleute sitzen hinter der Budel oder kehren den Boden – und warten auf Kundschaft.
Einer von ihnen ist Herr Mirac, ein Schuhverkäufer. Er sitzt rauchend auf einem Sessel im Eingang seines kleinen Geschäfts. Die Sonne scheint, die Stimmung des 60-Jährigen ist aber nicht so heiter. Wo sich hinter ihm Hunderte Schuhe im Regal türmen, sieht man keinen einzigen Kunden. An diesem Vormittag hat Herr Mirac erst ein Paar Schuhe verkauft. „Um 10 Euro, aber der Einkaufspreis war 7 Euro.“ So könne er kaum Strom, Miete und Gas bezahlen. „Die äußere Mariahilfer Straße ist tot“, meint er trocken. „Warum solltest du herkommen? Hier gibt es nix.“

Schuhverkäufer Mirac wartet geduldig auf Kundschaft.
- Erster Abschnitt: Von Juli 2024 bis Herbst 2025 sollen die ersten 600 Meter der 1,9 Kilometer langen äußeren Mariahilfer Straße klimafit gemacht werden. 18 Bäume wurden zu den bestehenden 31 gepflanzt, neu sind auch ein zweispuriger Radweg und eine Einbahnregelung für den Autoverkehr.
- Zweiter Abschnitt: Ab 2026 folgen 700 Meter mehr Radweg und 45 neue Bäume bis zur Anschützgasse.
Autos müssen ausweichen
Draußen geht Passant Marko vorbei. Wenn es hier nichts gibt, warum ist er dann hier? „Nur wegen eines Arbeitsmeetings“, erklärt Marko. Zum Einkaufen würde er nicht hierher kommen. „Die Geschäfte wirken eher ausgestorben.“ Aber zumindest sehe die Straße jetzt schöner aus, meint Marko.
„Seit dem Umbau habe ich 20.000 Euro weniger Umsatz gemacht“, beklagt Herr Eser, der Juwelier. Viele Menschen seien wegen der Baustelle auf andere Straßen ausgewichen. Ein zweites Problem für ihn: Zahlreiche Parkplätze mussten wegen der Umgestaltung weichen, daher komme so mancher Kunde nicht mehr.

Bereits begrünt ist der erste Abschnitt, der zweite (im Bild) folgt ab 2026.
Auch eine Passantin, eine Dame mit roter Bluse und roter Brille, zeigt sich nicht gerade begeistert vom Projekt der roten Stadträtin Ulli Sima. Wortreich erklärt sie einem Trafikanten, dass ihr die Verkehrslösung nicht gefalle: „Jahrzehntelang hat eine zweispurige Straße funktioniert.“ Aufgrund der neuen Einbahnregelung müsse der Autoverkehr ausweichen.
„Friseur müsste man sein“
Zurück im Juweliergeschäft von Herrn Eser. Schließlich betritt doch noch ein Kunde das Geschäft – er ist einer der Stammkunden. Laufkundschaft gebe es kaum, sagt der Juwelier. Der Schuhverkäufer, Herr Mirac, und er sind sich einig: „Ein Konzern als Nachbar müsste her.“
Es klingt paradox, werden doch gerade die großen Unternehmen oft für das Aussterben der kleinen Läden verantwortlich gemacht. „Aber eine Fast-Food-Kette oder ein bekanntes Modegeschäft locken die Menschen an“, argumentiert der Juwelier. Dies wäre wichtiger als Begrünung und Radwege.
Die äußere Mariahilfer Straße scheint also trotz Umbau ein Wiener Sorgenkind zu bleiben. Eine Ausnahme gibt es: Vor einem Friseursalon tummeln sich Kunden, vorwiegend junge Männer. Herr Eser hat Verständnis: „Einen Friseur brauchst du immer, aber Gold kauft nicht jeder.“ Herr Mirac scherzt: „Friseur müsste man sein.“
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