30 Jahre Schulwartin: "Am letzten Arbeitstag habe ich nur geweint"

30 Jahre Schulwartin: "Am letzten Arbeitstag habe ich nur geweint"
Margit Putschner hat drei Jahrzehnte für Schüler und Lehrer ein offenes Ohr gehabt – dementsprechend viel hat sie zu erzählen. Der KURIER hat sie anlässlich ihrer Pensionierung getroffen

Margit Putschner hat noch immer Tränen in den Augen, wenn sie an ihren letzten Arbeitstag denkt. Von mehr als 100 Lehrerinnen und Lehrern gab es Blumen, Abschiedsgeschenke und Umarmungen. Denn mit ihrem Abgang geht eine Ära zu Ende. 30 Jahre lang war sie Schulwartin an der Mittelschule Anton-Krieger-Gasse im Wiener Bezirk Liesing. „Sie hatte immer ein Ohr für Schüler und Lehrer, die ihr Herz ausschütten wollten“, sagt Direktor Michael Fleck. „Und sie erledigte auch immer Arbeiten, zu denen sie gar nicht verpflichtet gewesen wäre.“

Mit dem KURIER ist Putschner noch ein letztes Mal durch ihre Schule gegangen und hat über ihren Job gesprochen – und auch darüber, was sich in den vergangenen 30 Jahren im Schulalltag verändert hat.

KURIER: Ist Schulwartin nach wie vor die korrekte Bezeichnung?

Margit Putschner: Offiziell heißt es Oberamtswartin, ich sage aber selbst Schulwartin.

Sie waren 30 Jahre lang an der gleichen Schule. Hat sich die Arbeit verändert?

Wie ich begonnen habe, waren wir 16 Schulwarte, jetzt sind es nur noch sechs. Darum ist der Bereich, den man verantwortet, viel größer geworden. Am Anfang war ich für sechs Klassen und drei Musikzimmer zuständig, am Ende war ich dann für 2.000 m2 alleine verantwortlich. Auch die Tätigkeiten haben sich zum Teil verändert.

Inwiefern?

Früher waren wir eine „Patschenschule“, jetzt haben alle Straßenschuhe an – das macht einen Unterschied. Auch Vandalismus ist mehr geworden. Besonders Waschbecken und Toiletten werden oft absichtlich verstopft.

30 Jahre Schulwartin: "Am letzten Arbeitstag habe ich nur geweint"

Wie sieht ein typischer Arbeitstag aus?

Als Schulwartin hat man viele Berufe in einem. Das Putzen ist das eine, aber man koordiniert sich auch mit den Lehrern, arbeitet mit den Kindern und hört ihnen zu. Ich kann an keinem Kind vorbeigehen, das weint.

Ist es sehr schwer, sich abzugrenzen?

Manche Kinderschicksale gehen einem sehr ans Herz. Aber manchmal sind es auch Kleinigkeiten, die erzählt werden – zum Beispiel dass jemand auf eine Freundin sauer ist. Oder sie sind verliebt. Ich höre gerne zu, aber man muss aufpassen, dass man nicht zur Ersatz-Mama wird.

Gibt es ein Schulfach, das Ihrer Meinung nach fehlt?

Nicht unbedingt ein Fach, aber es sollte mehr darauf geachtet werden, dass Kinder Benehmen lernen. „Guten Tag“ sagen, die Worte Bitte und Danke. Und dass sie nicht immer „Aber“ sagen sollen. Das Wort habe ich hassen gelernt.

Hört man das als Schulwartin so oft?

Dauernd. Früher haben alle auf den Schulwart gehört. Jetzt wird immer zurückgeredet: Du darfst nicht in der leeren Klasse sein. Aber! Du darfst hier nicht laufen. Aber! Du darfst hier nicht mit dem Ball spielen. Aber!

30 Jahre Schulwartin: "Am letzten Arbeitstag habe ich nur geweint"

Margit Putschner mit KURIER-Redakteurin Agnes Preusser

Es wird sich immer über die Jugend von heute beschwert. War es vor 30 Jahren wirklich besser?

Es war einfach alles anders, auch die Eltern, das lässt sich schwer vergleichen. Was mir aber schon auffällt, ist, dass sich der Umgangston der Kinder untereinander sehr geändert hat. Es wird viel mehr geschimpft und es wird aggressiver. Auch die Mädchen ziehen hier immer mehr nach. Aber es gibt genauso Kinder, die immer wieder fragen, ob sie helfen können. Man kann nicht alle über einen Kamm scheren.

Helfen ist ein gutes Stichwort. Ihre Schule hat sich vergangenes Jahr erfolgreich dagegen gewehrt, dass eine gut integrierte Schülerin abgeschoben wird.

Die Klasse war nicht in meinem Bereich, aber ich habe das natürlich mitbekommen. Dieser Zusammenhalt ist schon toll, den spürt man in vielen Klassen.

Gibt es noch weitere Beispiele für den Zusammenhalt?

Ja. Es wurden schon Kuchenbuffets von Kindern veranstaltet, weil sich die Familie eines Mitschülers die Schullandwoche nicht leisten konnte.

Welche Schulnote würden Sie Ihrem Beruf geben? Einen 3er. Manches ist schon sehr beschwerlich. Aber ich würde immer wieder vom Einzelhandel, wo ich vorher war, an die Schule wechseln.

Wie war der letzte Arbeitstag?

Ich war überwältigt, wie viele sich verabschieden wollten. Damit hätte ich nie gerechnet. Am Abend bin ich im Bett gelegen und habe nur geweint.

Steht in der Pension ein neues Abenteuer an?

Ein paar Monate Urlaub in Griechenland. Und ich würde gerne in Österreich herumreisen und Orte besuchen, die ich nicht kenne. Aber aufgrund der Teuerungen wird man abwarten müssen, was schlussendlich wirklich möglich ist. Aber Griechenland steht fest.

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