Terror in Paris: Ein Angriff auf die ganze NATO?

Das Rathaus von San Francisco ist nachts in den Farben der französischen Flagge beleuchtet.
Frankreich spricht vom "Krieg" des IS; das wäre ein Anlass für Artikel 5 des NATO-Paktes.

Papst Franziskus hat nach den Anschlägen von Paris von einem "Teil des Dritten Weltkrieges in Stücken" gesprochen. So drastisch formulierten es Staats- und Regierungschefs nicht, aber von "Krieg" ist allemal die Rede.

"Ja, wir sind im Krieg", sagte der französische Premier Manuel Vals am Sonntag, und zwar mit der Terrormiliz des "Islamischen Staates". "Wir leben in einer Zeit, in der wir Opfer einer neuen Art von Krieg beklagen", sagte der deutsche Bundespräsident Joachim Gauck. "Wir befinden uns im Krieg", formulierte auch der niederländische Premier Mark Rutte. Und Frankreichs Staatschef François Hollande brachte es sicherheitspolitisch brisant auf den Punkt: "Das war ein Kriegsakt einer feindlichen Armee, des ,Islamischen Staates‘".

Brisant deshalb, weil die Dschihadisten damit nicht mehr nur als Terrororganisation angesehen werden, sondern als äußere Macht, die einen europäischen Staat angreift. Und für diesen Fall gibt es in der NATO den sogenannten " Bündnisfall", den Artikel 5 des Nordatlantikpaktes. Dieser regelt, "dass ein bewaffneter Angriff gegen einen oder mehrere (NATO-Mitgliedstaaten) in Europa oder Nordamerika als Angriff gegen sie alle angesehen wird". Dann seien "die nötigen Maßnahmen zu treffen, um die Sicherheit des nordatlantischen Gebiets wiederherzustellen und zu erhalten". Sprich: Die anderen NATO-Mitglieder springen dem Angegriffenen militärisch bei.

Beispiel 9/11

Bisher ist der Bündnisfall in der 66-jährigen Geschichte der NATO erst einmal ausgerufen worden – und zwar nach den Anschlägen vom 11. September 2001 auf das New Yorker World Trade Center und andere Ziele in den USA. Washington legte damals schlüssig dar, dass die Angriffe von El Kaida mit Billigung der in Afghanistan operierenden Taliban geplant und ausgeführt wurden.

In der Folge unterstützte die NATO die USA mit Aufklärungsflugzeugen, die bis Mitte Mai 2002 im Luftraum über den USA patrouillierten. Zudem werden bis heute im Rahmen der Operation Active Endeavour Marineschiffe für die Terroristenjagd im Mittelmeer bereitgestellt.

Würde Frankreich die Terroranschläge von Paris jetzt auch bei der NATO als feindlichen Angriff anzeigen, müssten die NATO-Partner den Franzosen ebenfalls militärisch beistehen – etwa in einem verstärkten Kampf gegen die Milizen des "Islamischen Staates" in Syrien und im Irak.

Allerdings gibt es bereits jetzt eine von den USA geführte militärische Allianz gegen die IS-Dschihadisten, an der mehr als 50 Staaten, darunter auch Frankreich, teilnehmen. Frankreich hat erst diese Woche einen Flugzeugträger in Richtung Syrien geschickt. Und die Zusammenarbeit der Geheimdienste bei der Aufklärung und Überwachung potenzieller IS-Terroristen ist evident.

Letzteres bestätigte auch ein NATO-Sprecher am Sonntag, demzufolge es bisher keine Hinweise gebe, dass Frankreich die Pariser Terroranschläge als Bündnisfall werten will. "Zum jetzigen Zeitpunkt gibt es keinen Antrag auf ein Krisentreffen", hieß es gegenüber der dpa. Die NATO unterstützte Frankreich allerdings in dessen Entschlossenheit, der Bedrohung durch den Terrorismus entgegenzutreten. Alliierte tauschten kontinuierlich Informationen und Einschätzungen aus.

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