Schwierige Bergung in Zeitlupe

Optimismus bis zuletzt: „Wir wollen das gut machen. Besser könnte es nicht laufen.“

Die Bergung des havarierten Kreuzfahrtschiffs dauerte länger als erwartet bis tief in die Nacht. Bis es aufrecht stehen konnte, musste das Wrack um 65 Grad gedreht werden. Doch die Ingenieure waren optimistisch. „Wir wollen das gut machen. Besser könnte es nicht laufen“, sagte Franco Porcellacchia, ein Vertreter der Reederei Costa Crociere, die die Kosten von 600 Millionen € stemmen muss.

Das havarierte Kreuzfahrtschiff Costa Concordia liegt teilweise unter Wasser.
Salvage crew looks at the capsized cruise liner Costa Concordia during the "parbuckling" operation, outside Giglio harbour September 16, 2013. REUTERS/Tony Gentile (ITALY - Tags: DISASTER SOCIETY TRANSPORT)
Montag, um neun Uhr Früh, ging es los. Im Zeitlupentempo hob sich das Unglücksschiff. Rund zwei Stunden nach Beginn des sogenannten Parbuckling-Manövers wurde der Kreuzfahrtriese um etwa einen Meter bewegt. Am frühen Nachmittag war „die schwierigste Phase der Aufrichtung“ überstanden, sagte Marcello Luschi. Das Schiff konnte von den zwei Felsen gelöst werden, in die es sich bei der Havarie am 13. Jänner 2012 verkeilt hatte. Bei der Evakuierung des Schiffs mit mehr als 4000 Passagieren an Bord starben 32 Menschen.

Mit Stahlseilen und Gegengewichten gelang es, das Wrack von dem felsigen Untergrund zu lösen. „Dies waren die Stunden der größten Unsicherheit, da wir nicht wussten, wie eingeklemmt das Schiff war“, sagte Sergio Girotto vom Bergungsteam Titan-Micoperi. Die Steuerbordseite, die unter Wasser gelegen ist, war schwer beschädigt und wurde mit Schwimmbehältern stabilisiert. „Alle Vorhersagen und Berechnungen haben sich bisher als richtig erwiesen“, sagte Ingenieur Girotto sich.

Bilder: Costa wird aufgerichtet

Die Costa Concordia liegt vor der Insel Giglio im Wasser, während sich Badegäste am Strand aufhalten.

People sunbathe in front of the capsized cruise li
Die gekenterte Costa Concordia liegt im seichten Wasser.

The capsized cruise liner Costa Concordia lies sur
Die havarierte Costa Concordia liegt vor der Küste, während sich Badegäste am Strand aufhalten.

People sunbathe in front of the capsized cruise li
Eine blonde Frau sitzt in einem roten Kinosessel und hält ein Blatt Papier.

ITALY CONCORDIA TRIAL

Fast 500 Experten aus 20 Ländern haben den Ablauf der Aufrichtung seit Mai 2012 geplant. Geleitet wurde die Aktion von dem südafrikanischen Bergungsspezialisten Nick Sloane, 52, der dieses Geschäft seit 30 Jahren betreibt. Doch die Aufrichtung der Costa Concordia sei seine „bisher größte Herausforderung“. Während der Aktion war Sloane zu keinem Kommentar bereit. Weil die Hülle des Schiffs langsam zusammengedrückt werde, habe die Aufrichtung auch nicht mehr verschoben werden können.

Winterstürme

Das rund 300 Meter lange Schiff hat ein Volumen von über 114.000 Tonnen und soll über den Winter vor der Insel Giglio bleiben. Das Schiff soll auf mehreren im Meeresboden verankerten Plattformen festgemacht werden. Diese Unterwasser-Terrassen sind größer als ein Fußballfeld. Darauf soll die Costa Concordia alle Winterstürme überstehen. Im Frühling ist dann der letzte Akt der Bergung geplant. Das Wrack an die italienische Küste geschleppt und dort verschrottet werden. Wenn alles gut geht.

Die Fischer der Insel blicken mit Sorgen aufs Meer. Sie haben Angst vor einer Umweltkatastrophe, sollte das Wrack auseinanderbrechen. Direkt vor Giglio liegt das Pelagos-Schutzgebiet.

Es ist das größte seiner Art in europäischen Gewässern und ein Zufluchtsort für Delfine, Schweins- und Zwergwale. Grandiose Korallenriffe wachsen genau unterhalb des Ozeanriesen. „Und wenn dieses Riesenschiff großflächig in die Tiefe rutschen würde, radiert es über 200 Meter den gesamten Boden ab“, sagt der Meeresbiologe Gerhard Herndl von der Universität Wien. Ein Korallen-Kahlschlag wäre die Folge. Alle Bodenorganismen wären betroffen. „Das wäre ein Desaster, denn in der Folge würden auch die Fische abwandern.“ Bis sie wiederkehren, könnte es sehr lange dauern, ist der Wissenschaftler überzeugt.

Schon jetzt hat das maritime Ökosystem gelitten – Lärm und Schmutz der Bergungsarbeiten setzen ihm zu. Und das Wrack ist eine ökologische Zeitbombe, weil zwar der Treibstoff aus den Tanks abgepumpt worden ist, es aber noch jede Menge Diesel, Schmierstoffe, Chemikalien, Putzmittel und Farben enthält. Außerdem hat es nur drei Stunden vor der Katastrophe Verpflegung gebunkert, um 4229 Gäste zehn Tage lang durchzufüttern. Die verrottet nun im Bauch des Schiffes.

Giglio aber lebt vom sauberen Meer, deshalb soll das Schiff nicht vor Ort zerlegt, sondern als Ganzes aus dem Meeresschutzgebiet abgeschleppt werden, hat das italienische Umweltministerium verfügt. Danach plant man, den Meeresboden abzusaugen, Unterwasserpflanzen neu anzusiedeln und die Plattformen zu entfernen. Sogar alle Bohrlöcher, die in den Meeresboden getrieben wurden, müssen wieder verfüllt werden. So steht es im Bergungsvertrag. Kein Wunder, dass die Kosten mittlerweile von 236 auf eher 500 Millionen Euro gewachsen sind. Zahlen muss der Schiffseigner Costa Cruises.

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