Prozess in Coburg: Mutter soll acht Babys getötet haben

Eine Angeklagte versteckt ihr Gesicht hinter einer Akte, während zwei Anwälte daneben stehen.
Frau räumte Tötung mehrerer Kinder ein. Der im November bekannt gewordene Fall sorgte deutschlandweit für Entsetzen.

Im Landgericht Coburg ist am Dienstag der Prozess um die acht toten Babys aus Wallenfels gestartet. Eine 45 Jahre alte Frau aus der oberfränkischen Kleinstadt musste sich wegen vierfachen Mordes verantworten. Ihr Ehemann (55) war wegen Beihilfe angeklagt. Die Mutter der acht toten Kinder von Wallenfels hat vor Gericht die Tötung mehrerer Säuglinge gestanden.

Sie ließ ihren Anwalt schildern, wie sie acht Kinder gebar und jene tötete, die lebten. "Sie hat immer gleich reagiert", sagte der Verteidiger am Dienstag für die 45-Jährige beim Prozessauftakt. Sie habe die Neugeborenen in Handtücher gewickelt und versteckt - egal, ob sie Lebenszeichen gezeigt hätten oder nicht. Die Frage ist, wie viel ihr Noch-Ehemann wusste - und wann. Der 55-Jährige schwieg zu den konkreten Vorwürfen gegen ihn.

Zwei Personen in Schutzanzügen gehen an einem Haus mit der Nummer 5 vorbei.
epa05022813 Crime scene investigators arrive at a residential building in Wallenfels, Germany, 13 November 2015. The bodies of seven babies were found at the home in the small southern German town, triggering a major police inquiry. EPA/NICOLAS ARMER

Mitte November waren in dem Haus der Familie in der oberfränkischen Kleinstadt acht tote Babys entdeckt worden. Bei vier der in Wallenfels gefundenen Babyleichen konnte laut Staatsanwaltschaft nicht geklärt werden, ob die Kinder tatsächlich lebten und auch lebensfähig waren. Daher sind sie nicht Teil der Anklage.

Ihr Verteidiger geht hingegen von Totschlag aus, wie er in der Verhandlungspause sagte. Die Mutter habe die Schwangerschaften jedes Mal so sehr verdrängt, dass sie von den Geburten völlig überrascht gewesen sei - auch weil ihr Mann keine Kinder mehr habe bekommen wollen, heißt es in der vom Anwalt verlesenen Erklärung.

Mehrere kleine Engelsfiguren und Grablichter stehen auf einer Fläche.
epa05023526 Putti were placed at the house where eight children's bodies were found in Wallenfels, Germany, 13 November 2015. The bodies of eight babies wrapped in towels or plastic bags have been found at a home in a small German town, and police said they are seeking a 45-year-old woman for questioning. Seven bodies were found 12 November afternoon in Wallenfels, halfway between Munich and Berlin, and an eighth was discovered on 13 November. EPA/NICOLAS ARMER

Ihre Mutter und auch ihr Mann hätten die 45-Jährige zu einer Sterilisation gedrängt, der sie aber auswich. Als sie dann 2003 wieder schwanger wurde, habe sie sich gefreut und ihrem Mann davon erzählt. Der aber sei "ausgesprochen wütend" geworden und habe eine Abtreibung verlangt. Sie sei entsetzt gewesen - und habe danach jeden Gedanken an die Schwangerschaft weggeschoben - wie bei jeder der sieben folgenden Schwangerschaften auch.

Eine Person hält einen blauen Ordner vor ihr Gesicht.
ABD0024_20160712 - Mit einer Aktenmappe vor dem Gesicht steht die wegen Mordes angeklagte Andrea G. am 12.07.2016 im Landgericht Coburg (Bayern) im Sitzungssaal. Die Staatsanwaltschaft wirft der Mutter vor, nachdem insgesamt acht ihrer Babys tot in ihrem Haus gefunden wurden, vier der Kinder vorsätzlich umgebracht zu haben. Dem Vater legt sie zur Last, der Frau dabei geholfen zu haben. Foto: Daniel Karmann/dpa +++(c) dpa - Bildfunk+++

Die 45-Jährige wisse nicht mehr genau, wie viele Säuglinge unmittelbar nach der Geburt lebten, schilderte der Verteidiger. Es seien zwei, drei oder vier gewesen. Um den Kopf der Neugeborenen habe sie die Handtücher immer etwas enger gewickelt - und bei einem Lebenszeichen auf das Handtuch gedrückt. Danach räumte sie die toten Säuglinge in eine Sauna, die als Lagerraum diente. Die Ermittler fanden die verwesten Körper in mehrere Plastiksäcke verpackt, wie sie als Zeugen in der Verhandlung beschrieben.

Der 55-Jährige äußerte sich zu den konkreten Vorwürfen nicht - sagte aber, er habe keine Kinder mehr gewollt. Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft erfuhr er von den Schwangerschaften und rechnete demnach damit, dass seine Frau die Kinder umbringen würde. Er habe das billigend in Kauf genommen und sie nicht davon abgehalten.

Ein Streifenwagen der Polizei steht vor einem Wohnhaus.
A police car stands on November 13, 2015 in front of a house in Wallenfels, southern Germany, where the bodies of "several" infants were discovered the day before. The bodies were found during a visit by emergency services, police said, but did not give any details of the circumstances of their deaths or how many bodies were found. AFP PHOTO / DPA / NICOLAS ARMER +++ GERMANY OUT +++

Seine Untätigkeit habe seine Frau in ihrem Tun bestärkt, ist die Behörde überzeugt. Die Angeklagten hätten ohne Einschränkung durch weitere Kinder leben wollen. Die beiden, die sich wenige Wochen vor dem Leichenfund getrennt hatten, haben noch drei gemeinsame lebende Kinder und jeweils zwei weitere aus erster Ehe.

"Es wird ein außergewöhnlicher Prozess, wegen der vielen toten Kinder", hatte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft vor Monaten gesagt. Kurz nach dem Fund der Leichen hatten Polizisten die Mutter gefasst, die sich mit ihrem neuen Partner im nahen Kronach in einer Pension aufgehalten hatte. Für den Prozess sind zunächst vier weitere Verhandlungstermine vorgesehen, alle im Juli.

Zwei Polizeiwagen stehen in einer ruhigen Wohngegend.
epa05023150 Police vehicles are parked near a residential building (R) in Wallenfels, Germany, 13 November 2015. The bodies of seven babies have been found at a home in the small German town, triggering a major police inquiry 13 November as investigators seek a 45-year-old woman for questioning. The bodies were found 12 November afternoon in a state of advanced decay. Pathologists are still to establish the infants' sexes and would look for more children among the remains. EPA/NICOLAS ARMER
In einer Studie kam das Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen 2015 zu dem Schluss, dass es deutschlandweit jährlich etwa 30 Fälle von Neugeborenentötungen gibt. Die Dunkelziffer ist wahrscheinlich höher. Meist sind die Täterinnen voll schuldfähig. Bleibt eine erste Tat unentdeckt, steigt die Wiederholungsgefahr.
Eine Person in einem Schutzanzug betritt ein Haus.
A crime scene specialist of the police enters a house on November 13, 2015 in Wallenfels, southern Germany, where the bodies of "probably seven" infants were discovered the day before. The bodies were found during a visit by emergency services, police said, but did not give any details of the circumstances of their deaths. AFP PHOTO / MARCUS SCHEIDEL
All das trifft auch auf Andrea G. zu, ebenso wie die Erkenntnis der Kriminologen, dass die toten Kinder meist nicht weit entfernt vom Wohnort der Mutter abgelegt werden. Andrea G. sagten-tv zufolge ihrem Anwalt: "Ich wollte die Babys bei mir haben, die haben irgendwie dazugehört, es waren ja meine. Ich hätte sie nicht wegschmeißen können."
Eine Frau zündet eine Kerze vor einem Fenster an, während ein Kameramann filmt.
epa05023525 A woman lights candles at the house where eight children's bodies were found in Wallenfels, Germany, 13 November 2015. The bodies of eight babies wrapped in towels or plastic bags have been found at a home in a small German town, and police said they are seeking a 45-year-old woman for questioning. Seven bodies were found 12 November afternoon in Wallenfels, halfway between Munich and Berlin, and an eighth was discovered on 13 November. EPA/NICOLAS ARMER

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