Liebe im Präsidentenpalast

Ein Mann im Smoking und Prinzessin Diana lächeln in die Kamera.
François Hollande ist nicht der erste Staatschef, der in Sachen Amor von sich reden macht

Wenn Paris die Stadt der Liebe ist – und wer würde daran zweifeln – darf man sich nicht wundern, dass auch die an der Seine ansässigen Staatschefs ihr Privatleben entsprechend gestalten. Diese Woche erst mussten wir erfahren, dass der amtierende Präsident neben seiner offiziellen Geliebten Valérie Trierweiler nächtens die Schauspielerin Julie Gayet beehrt. Amouröse Eskapaden im Umfeld des Elysée-Palasts haben Tradition – allerdings ist man in früheren Zeiten wesentlich diskreter damit umgegangen.

Feudales Liebesnest

François Mitterrand war der erste französische Präsident, dessen Liebesleben öffentlich wurde. Dabei konnte er lange verbergen, dass er von seiner Frau Danielle getrennt lebte und dass er auf Staatskosten ein feudales Liebesnest für seine Geliebte Anne Pingeot betrieb. Auch als er 1984 die bereits zehnjährige gemeinsame Tochter Mazarine als sein Kind anerkannte, war das noch immer kein Thema für die Medien. Mazarines Existenz blieb, obwohl Mitterrand mit seiner „Zweitfamilie“ regen Kontakt pflegte, eines der bestgehüteten Staatsgeheimnisse in Frankreich. Nur der Geheimdienst wusste Bescheid.

Doppelleben

Erst 1994, zwei Jahre vor seinem Tod, erfuhren die Franzosen durch einen Zeitungsbericht vom Doppelleben ihres Präsidenten. Von da an war Mitterrands Tochter eine öffentliche Person – und sie ist es, als anerkannte Schriftstellerin, heute noch. Bei seinem Begräbnis standen Anne und Mazarine neben seiner Witwe und den beiden ehelichen Söhnen. „Ich war mit einem Verführer verheiratet“, schreibt Danielle Mitterrand in ihren Memoiren, „das war Teil meines Lebens. Mazarines Geburt war für mich weder überraschend noch ein Drama.“

Mit dem „Fall Mitterrand“ war das Tabu gebrochen, und so ist’s kein Wunder, dass auch das Intimleben seines Nachfolgers Jacques Chirac genau durchleuchtet wurde. Während sich Chirac als treu sorgender Ehemann gab, deckte die Presse auf, dass Monsieur le Président das Leben eines Casanovas führte. Zur Vielzahl seiner Geliebten zählten Filmstar Claudia Cardinale und eine Journalistin der Nachrichtenagentur AFP. Dort sorgte der verliebte Präsident für allgemeine Heiterkeit, weil er als Vorsichtsmaßnahme immer mit verstellter Stimme anrief – aber sofort erkannt wurde.

Jacques Chirac und seine Frau Bernadette bei einer Veranstaltung.

Former French President Chirac and his wife Bernad
Schwarzweißporträt von Claudia Cardinale mit einem Tuch bekleidet und auffälligen Ohrringen.

Claudia Cardinale wird 70
Das Cover von „Paris Match“ zeigt Valéry Giscard d'Estaing und Prinzessin Diana.

Paris Match
François Hollande und Valérie Trierweiler bei einem offiziellen Anlass.

FILE FRANCE VALERIE TRIERWEILER IN HOSPITAL

Inklusive Dusche

Die meisten Affären hatte Chirac mit attraktiven Mitarbeiterinnen seiner gaullistischen Partei, in der sein Liebesleben wenig charmant die Runde machte: „Ein Abenteuer mit Chirac, das sind drei Minuten – inklusive Dusche.“

Auch Première Dame Bernadette Chirac verfasste ihre Memoiren. Und sie bekennt darin offen, infolge der Demütigungen durch ihren Mann mehrmals an Scheidung gedacht zu haben.

Dianas Tod in Paris

Wirklich peinlich wurden Chiracs Seitensprünge in der Nacht zum 31. August 1997, in der Prinzessin Diana in Paris tödlich verunglückte. Natürlich wäre es Aufgabe des Präsidenten gewesen, die königliche Familie in Großbritannien zu verständigen und sein persönliches Mitgefühl auszudrücken. Doch als ein Beamter des französischen Innenministeriums den Staatschef von dem Unfall informieren wollte, hob Madame Chirac ab und rief erbost ins Telefon: „Sie werden doch nicht annehmen, dass ich weiß, wo mein Mann um diese Zeit steckt!“

Apropos Diana. François Mitterrands Vorgänger im Präsidentenamt, Valéry Giscard d’Estaing, veröffentlichte im Herbst 2010 den Schlüsselroman „Die Prinzessin und der Präsident“, in dem er mehr als deutlich zu erkennen gibt, eine Affäre mit Lady Di gehabt zu haben. Der Inhalt des Buches: Der französische Staatspräsident lernt bei einem Empfang im Buckingham Palace eine britische Prinzessin namens Patricia kennen, die ihm sogleich von ihrer äußerst unglücklichen Ehe erzählt. „Mein Kopf stand in Flammen, mein Herz zitterte vor Glück“, schreibt Giscard, um dann über heimliche Treffen in englischen und französischen Palästen zu berichten, in denen er die Prinzessin leidenschaftlich geliebt hätte. Die Angaben sind so detailreich und realitätsnahe, dass die Zeitung Le Figaro die Liaison für glaubwürdig hält. „Hier entsteht der Eindruck: Ähnlichkeiten mit wahren Personen sind erwünscht.“

Nicht in Romanform, sondern in ihren Memoiren kommt Frankreichs Sexsymbol Brigitte Bardot auf Giscard d’Estaings triebhaftes Verhalten zu sprechen. Eine Passage handelt von ihrem Besuch in seinen Amtsräumen: „Der Präsident legte seine Hand auf meinen Schenkel, und diese glitt, als ich ihn nach seinem Begehr fragte, immer mehr nach oben.“

Wie’s weiterging, blieb ein Geheimnis, doch wurde nach dem Ende von Giscards Amtszeit bekannt, dass Journalisten über jede Menge präsidialer Amouren Bescheid wussten, die man aber damals noch nobel verschwieg.

Sarkozy & Carla Bruni

Nicolas Sarkozy und Carla Bruni gehen Händchen haltend auf einem roten Teppich.
Am 2. Februar 2008 heiratete der damalige französische Präsident Nicolas Sarkozy, 57, das italienisch-französische Model Carla Bruni. Bis heute wird gemunkelt: Es war die Macht, die die 45-Jährige anzog. Ihre gemeinsame Tochter Giulia kam übrigens am 19. Oktober 2011 zur Welt.
Von solcher Diskretion konnte bei Nicolas Sarkozy keine Rede sein, das hätte er auch gar nicht gewollt, da es zu seiner Politik gehörte, sein umtriebiges Privatleben für persönliche Propaganda zu nützen. Sarkozy wusste, dass seine Landsleute außereheliche Affären eher bewundern als verurteilen, und so war’s auch, als er sich kurz nach der Scheidung von Ehefrau Nummer zwei vom Paparazzi-Tross genussvoll beim Tête-à-Tête mit der Sängerin Carla Bruni erwischen ließ. Sarkozy und Bruni führten – bis zu ihrer Heirat im Februar 2008 – die erste wilde Ehe im Elysée-Palast. Und Sarkozy war der erste französische Präsident, der während seiner Amtszeit Vater wurde.

Und doch: Die Präsidenten leben geradezu zölibatär, vergleicht man sie mit Frankreichs Monarchen. Legendär sind die Mätressen König Ludwigs XV. und die zahlreichen Geliebten Napoleon Bonapartes.

Die schlimmere Version

Wenn heute das Liebesleben François Hollandes ein Thema ist, hat man fast schon vergessen, dass es viel schlimmer hätte kommen können. Denn ehe er Präsident wurde, war ein ganz anderer für dieses Amt vorgesehen: Dominique Strauss-Kahn, damals Chef des Internationalen Währungsfonds, galt als sicherer Kandidat für den Elysée-Palast. Nicht auszudenken, wie es die Grande Nation im Fall seiner Wahl gebeutelt hätte, denn auch wenn sein aufsehenerregendes Verfahren wegen Vergewaltigung in den USA eingestellt und er aus der Untersuchungshaft entlassen wurde, laufen in anderen Fällen immer noch Ermittlungen gegen den offensichtlich sexsüchtigen Politiker, für den naturgemäß die Unschuldsvermutung gilt.

Der eine ließ seine Quasi-Zweitfrau auf Staatskosten versorgen; der andere deutete in einem Roman eine märchenhafte Affäre mit Prinzessin Diana an; und der dritte hieß wegen seiner schnellen Seitensprünge auch „Monsieur fünf Minuten, inklusive Dusche“.

Jetzt wissen wir nicht, ob die Frauen Mitterrand, Giscard d’Estaing und Chirac ihren Männern daheim Geschirr um die Ohren und böse Worte an den Kopf warfen. Aber von Valerie Trierweiler wissen wir, dass sie nach dem Geständnis ihres François, intensiv mit der Actrice Julie Gayet zu bandeln, hinter den getäfelten Elysée-Türen einen „politisch-emotionalen“ Tsunami entfesselte, sich ins Spital legte und wissen ließ, dass sie sich wie von einem TGV überfahren fühle.

Und die Franzosen? Neun von zehn empfehlen Monsieur Hollande, Madame Trierweiler den Laufpass zu geben. Das ist überraschend für die sonst so veränderungsresistenten Franzosen. Andererseits: An ihrer Erwartung, dass die Première Dame gefälligst still zu dulden habe, hat sich offenbar eh nichts geändert.

Kommentare