Land unter in Bella Italia

Nach Kastastrophenjahr wird der Ruf nach mehr Umwelt- und Hochwasserschutz laut.

Eingestürzte Brücken und Häuser, zerstörte Straßen, kaputte Wasser- und Gasleitungen: Nach schweren Regenfällen, Hochwasser und Murenabgängen der vergangenen Woche zieht das Land Bilanz über Unwetterschäden in Milliarden-Euro-Höhe. Wohnhäuser, Betriebe, Infrastruktur wurden in Mitleidenschaft gezogen. Die Landwirtschaft klagt über Millioneneinbußen. Vor allem die Hafenstadt Genua sowie die Regionen Ligurien, Lombardei und Piemont traf es besonders schwer.

Für Norditalien nur die Fortsetzung eines Horrorjahres: Schon im Februar hatten Schneemassen in den alpinen Regionen und Überschwemmungen von Venedig bis Pisa Millionenschäden verursacht. Der Sommer fiel ab Juli einem anhaltenden Mittelmeertief und Dauerregenfällen zum Opfer. In den Badeorten an der Oberen Adria blieben die Urlauber aus.

Die aktuellen Zerstörungen aber lassen nun endgültig den Unmut vieler Bürger über das Versagen der Politik hochkochen. Fast 70 Prozent aller italienischen Gemeinden sind laut Umweltschutzverband Legambiente von Erdrutschen und Überschwemmungen gefährdet. Das Zusammenspiel aus illegalen Schwarzbauten, instabilen Böden, chaotischen Bebauungsplänen und fehlendem Hochwasserschutz sorgt für jene explosive Mischung, die schon in normalen Jahren im Herbst und Winter von Norden bis Süden des Landes zu Katastrophen führt.

"Natur rächt sich"

Umweltschützer appellieren an die Verantwortlichen, endlich die dringenden Maßnahmen zur Bodenkonsolidierung in Angriff zu nehmen. "Die Natur rächt sich, wenn sie misshandelt wird. In zu vielen Gemeinden sind in Italien Wohnungen in Gebieten errichtet worden, die vom hydrogeologischen Standpunkt aus gefährlich sind", kritisiert ein Sprecher des Umweltschutzverbands Legambiente. "Für mich ist es schmerzhaft, wenn ich daran denke, dass in Italien Gelder auf absurde Weise blockiert werden. Doch nun ist nicht der Moment für Polemik. Der Schlamm muss aus den Städten abtransportiert werden, die schwerfällige Bürokratie muss abgebaut werden und erforderliche Bauarbeiten müssen dringend in Angriff genommen werden", bilanziert Premier Matteo Renzi.

Eine Frau paddelt mit einem Kajak durch das Hochwasser auf dem Markusplatz in Venedig.
epa04480478 A girl in a kayak crosses St Mark's Square during high water in Venice, Italy, 07 November 2014. Flooding is not an inusual event in the world famous square. Much of Italy remained on maximum weather alert on 07 November 2014 as the wave of storms and torrential rain that has caused huge disruption and floods in many areas continued. EPA/ANDREA MEROLA

Es sei typisch für Italien, dass man nur in Notsituationen Maßnahmen setze, klagen Umweltaktivisten. Staatssekretär Graziano Delrio verspricht Gelder für Infrastrukturprojekte zur Stabilisierung des Bodens und Hochwasserschutz an Flüssen und Kanälen. Angeblich will die Regierung neun Milliarden Euro lockermachen. "Wir müssen 30 Jahre Verspätung aufholen", twittert Delrio. Von den Gemeinden wurde die Kontrolle von Mauern, Dämmen und Kanälen stark vernachlässigt. Die Lokalpolitiker geben dafür Rom die Schuld: Sie hätten aufgrund der rigorosen Sparpolitik die Instandhaltung auf ein Minimum reduzieren müssen.

200 Familien bei Genua, die in höher gelegenen Ortschaften wohnten, waren nach Murenabgängen tagelang von der Außenwelt abgeschnitten. "Von meinem Balkon blickte ich plötzlich am Morgen nur mehr auf eine abgerissene Straße und einen durch Erdrutsch verwüsteten Garten", erzählt Massimo, der in einem für Ligurien typischen, dicht aneinandergebauten, pastellfarbigen Haus in Hanglage lebt.

"Das Problem war, dass der Schlamm aus den Bergen kam und die Bevölkerung sozusagen von hinten überraschte, denn man fürchtete mehr, das Wasser würde aus den Flüssen überlaufen", berichtet Alessandra D’Errico vom Katastrophenschutz. Auch das Friaul wurde von den schweren Unwettern in den vergangenen Wochen nicht verschont. Die Schadensbilanz fällt jedoch geringer als in anderen Regionen Norditaliens aus. Nach den katastrophalen Erdbeben von 1976 wurde zumindest hier stabiler gebaut.

Schwere Unwetter mit Überschwemmungen gab es auch in der Schweiz und in Frankreich (mehr dazu siehe hier).

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