Juan Carlos rettet die Monarchie

Juan Carlos I. und Felipe VI. in Militäruniformen bei einer Veranstaltung.
Durch seinen Rücktritt bewahrt der König die Dynastie wohl vor noch schlimmerem Schaden.

Auf einem Thron zu sitzen, ist im Allgemeinen ein recht komfortabler Broterwerb, dementsprechend selten kommt es vor, dass Monarchen ihren Rücktritt erklären. Beatrix der Niederlande tat es im Vorjahr, Napoleon musste nach militärischen Niederlagen ins Exil, der Schah von Persien floh vor der islamischen Revolution und Österreichs letztem Kaiser Karl blieb nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg auch nichts anderes übrig als seinen Hut bzw. die Krone zu nehmen. Und jetzt geht Spaniens Juan Carlos.

Spanien und Habsburg

Königin Sofia und Letizia von Spanien sitzen in einem Auto.
epa03811335 Spain's Queen Sofia (R) and Princess Letizia (L) leave in a car driven by Queen Sofia at Cala Nova sailing school in Palma de Mallorca, Balearics, Spain, 02 August 2013, after the ceremony were the Queen's grandchildren have received the diplomas of a sailing course they have attended. EPA/BALLESTEROS
Apropos: Spanien wurde 200 Jahre lang von den Habsburgern beherrscht, ehe diese als Folge des Spanischen Erbfolgekriegs die Macht an die Bourbonen – und somit an das heutige Königshaus – abtreten mussten. Diese regieren nun (mit Unterbrechungen) seit dem 18. Jahrhundert. Der eben abdankende Juan Carlos ist der zwölfte spanische König seines Geschlechts, und er wird nach einer Regentschaft von fast vier Jahrzehnten – trotz einiger peinlicher Patzer – wohl als wichtiger Monarch in die Geschichte eingehen. Schon sein Start war fulminant:

Der Start Als General Franco, der Spanien fast 40 Jahre mit eiserner Faust regiert hatte, 1975 starb, übernahm Juan Carlos die Krone, die zuletzt sein Großvater, König Alfons XIII., getragen hatte, bis er 1931 nach Ausrufung der Republik gestürzt wurde. Nun lebte die Familie im Exil in Rom, wo Juan Carlos 1938 geboren wurde.

Demokratie Franco selbst war es, der den Prinzen zu seinem Nachfolger als Staatsoberhaupt bestimmte, doch der Diktator hat sich die Verwaltung seines Erbes wohl anders vorgestellt. Juan Carlos gab sich in jungen Jahren vorsichtig, um seine Zukunft als König nicht zu gefährden. Und er ging dabei so weit, den faschistischen General als sein "Vorbild" zu bezeichnen. Doch kaum war Franco tot, schuf der König ein neues, demokratisches Spanien, wofür ihm die freie Welt höchsten Respekt zollte:

Ein junger Mann umarmt einen großen, zotteligen Hund im Freien.
epa04236367 (FILE) A file picture dated 1946 shows the then Prince Juan Carlos de Borbon, son of the Counts of Barcelona, posing in Estoril, Portugal, with one of the dogs of the Spanish Royal Family. Spanish Prime Minister, Mariano Rajoy announced in a press conference on 02 June 2014 that King Juan Carlos I has decided to abdicate in favor of his son Crown Prince Felipe de Borbon. EPA/SPANISH ROYAL HOUSEHOLD/HANDOUT *** Local Caption *** 50650819
Verzicht Juan Carlos verzichtete auf die ihm von Franco hinterlassene absolute Macht, er ließ eine demokratische Verfassung und freie Wahlen zu. Die größte politische Leistung seiner Regentschaft war aber die friedliche Niederschlagung des Putschversuchs Franco-treuer Militärs, die im Februar 1981 mit einem bewaffneten Angriff auf das Parlament in Madrid die Macht übernehmen wollten. Mit einer historischen Fernsehansprache stoppte der König den Aufstand. Juan Carlos ließ sich auch nicht klein kriegen, als 1995 ein Attentatsplan der baskischen Separatistenorganisation ETA auf ihn aufgedeckt wurde.

Direkte Worte Als Freund direkter Worte gilt er spätestens seit Venezuelas Präsident Hugo Chavez bei einer Konferenz in Santiago de Chile 2007 den spanischen Premier Zapatero ständig unterbrach. Juan Carlos rief Chavez "Warum hältst du nicht die Klappe?" zu und erlangte mit dem Ausspruch Kultstatus.

Opernball Auch auf dem Society-Parkett erfreute sich der König – an der Seite seiner überaus populären Gattin Sofia – großer Beliebtheit: Ob er beim Skifahren fotografiert wurde oder im flotten Cabrio, in der Badehose beim Segeln vor Mallorca oder 1978 am Wiener Opernball, er machte stets gute Figur, gab sich volksnah und eroberte die Herzen der Menschen. Noch 2008 erklärten fast 70 Prozent der Spanier, ihren König zu lieben.

Der tiefe Fall Doch dann kam der tiefe Fall. 2012 wurde Juan Carlos drei Mal an der Hüfte operiert. Wie sich herausstellte, war er bei einer sündteuren Elefantenjagd, wie sie von Tierschützern strikt abgelehnt wird, gestürzt. Der König war nach Botswana geflogen statt sich um Spaniens Wirtschaftskrise zu kümmern, die sein Land an den Rand des Ruins führte. Nach Auffliegen des Jagdabenteuers wurde er als spanischer Ehrenpräsident der Tierschutzorganisation WWF abberufen.

Die schöne Prinzessin Nicht genug damit, wurde bekannt, dass Juan Carlos zu der Safari von der deutschen Prinzessin Corinna zu Sayn-Wittgenstein (49) begleitet wurde, mit der ihm eine Affäre nachgesagt wird. Einmal in den Schlagzeilen ("Juan Carlos als Don Juan"), meldeten sich eine Belgierin und ein Spanier, die anhand von Indizien behaupten, uneheliche Kinder des Königs zu sein.

König Juan Carlos und Königin Sofia von Spanien mit ihrer Familie bei einer formellen Veranstaltung.
epaselect epa04236140 (FILE) A file picture dated 22 November 1975 shows Spain's King Juan Carlos (center L) and Queen Sophia (center R) during the proclamation ceremony. Young Prince Felipe, Princess Elena and Princess Cristina (L-R) stand next to Queen Sophia. Spanish Prime Minister, Mariano Rajoy announced in a press conference on 02 June 2014 that King Juan Carlos I has decided to abdicate in favor of his son Crown Prince Felipe de Borbon. EPA/STR
Der Tod des Bruders Man hat aber auch noch wesentlich ältere "Leichen im Keller": Im März 1956 starb Juan Carlos’ 14-jähriger Bruder Alfonso bei einem Unfall in Portugal. Der um vier Jahre ältere Juan Carlos erklärte als einziger Zeuge, dass sich beim Reinigen einer Waffe ein Schuss gelöst hätte. Die Kugel zerschlug Alfonsos Stirn und dieser starb innerhalb weniger Minuten. Der Vorfall wurde nie gerichtlich untersucht, weshalb offen bleibt, wer von den beiden Brüdern den Schuss abgegeben hat. Das Königshaus hüllt sich auch in diesem Fall – wie so oft – in nobles Schweigen.

Korruption Reden müssen die Bourbonen aber im aktuell peinlichsten ihrer Skandale. Königstochter Cristina und ihr Mann Iñaki Urdangarin stehen wegen einer Korruptionsaffäre vor Gericht. Dem Schwiegersohn wird vorgeworfen, die guten Kontakte als Mitglied der Königsfamilie genützt zu haben, um Millionen an Spendengeldern für eine Stiftung zu kassieren. Das Geld soll dann aber nicht an bedürftige Kinder, sondern großteils in die eigene Tasche geflossen sein.

Der künftige König Felipe und seine Frau Letizia mieden zuletzt jeden Kontakt mit Schwester und Schwager, um nur ja nicht an den Skandal anzustreifen. Immerhin liegt der Thronwechsel schon seit längerem in der Luft, zumal 62 Prozent der Spanier für eine Abdankung des auch gesundheitlich angeschlagenen Königs waren.

Mit seinem Thronverzicht scheint es dem 76-jährigen König Juan Carlos gelungen zu sein, die Monarchie vor noch schlimmerem Schaden zu bewahren. Schließlich wird von immer mehr Spaniern ein Abschied von der Dynastie gefordert.

Sie fordern laut die dritte Republik: Nach der Abdankung von König Juan Carlos haben am Montagabend Tausende Spanier in Madrid und vielen anderen Städten des Landes gegen die Monarchie demonstriert. Mit den rot-gelb-violetten Flaggen aus der Zeit der 2. Republik - jener Ära in den 1930ern, bevor Franco die Macht an sich riss - rufen sie nach einer Volksabstimmung über den Fortbestand des Königshauses. Allein auf der Madrider Puerta del Sol sollen sich 30.000 Menschen versammelt haben.

Hintergrund der Demonstrationen ist das mehr als angeschlagene Image des Königshauses: Die Monarchie hat in den vergangenen Jahren wegen zahlreicher Korruptionsskandale und anderer Fehltritte an Ansehen verloren. Vor allem Juan Carlos' Tochter Cristina und ihr Mann waren offen im Zentrum der Kritik gestanden - und auch vor Gericht, da ihnen Steuervergehen vorgeworfen werden.

Bilder der Demonstrationen

Eine Menschenmenge demonstriert mit republikanischen Flaggen und einem Banner.

SPAIN ROYALTY
Ein Mann mit Brille berührt seine Stirn vor Mikrofonen.

SPAIN ELECTIONS
Eine Menschenmenge demonstriert mit der Flagge der Zweiten Spanischen Republik und einem Transparent gegen König Felipe VI..

People hold Republican flags as they take part in
Eine Person trägt eine bemalte Maske mit roter, gelber und violetter Farbe.

SPAIN ROYALTY
Eine große Menschenmenge demonstriert mit katalanischen Flaggen.

Anti-royalist protesters show Catalan separatist f
Eine Menschenmenge schwenkt katalanische Flaggen bei einer Kundgebung.

A boy waves a Catalan independence flag during an
Eine Menschenmenge demonstriert mit katalanischen Flaggen und einem Banner mit der Aufschrift „Visca la República Catalana!“.

People hold a banner and Catalan independence flag
Eine Menschenmenge demonstriert mit spanischen und katalanischen Flaggen und einem Banner mit der Aufschrift „Referendum Real Ya!“.

Protesters wave Spanish Second Republic flags duri
Eine Menschenmenge schwenkt republikanische Flaggen vor einem Gebäude in Spanien.

Protesters wave Spanish Second Republic flags duri
Eine Menschenmenge schwenkt katalanische und spanische Flaggen bei einer Kundgebung.

SPAIN ROYALTY
Demonstranten fordern ein Referendum für die dritte Republik.

People chant slogans during an anti-royalist demon

Medien bleiben milde

Vielen Landeszeitungen war die Abdankung eine Sonderausgabe wert - mit positivem Tenor. Der Monarch, "der den Weg zur Demokratie ebnete", reiche die Krone für eine weitere Modernisierung weiter, kommentierte die Mitte-links-Zeitung El País. Zugleich äußerte sie hohe Erwartungen an Thronfolger Felipe: Der Sohn von Juan Carlos und Königin Sofia müsse nun "das Vertrauen der Spanier gewinnen", indem er auf die "Qualitäten seines Vaters" baue. Felipe müsse die Modernisierung erleichtern, die das Land "dringend braucht". Wie alle anderen Zeitungen auch druckte das Blatt die Erklärung des 76-jährigen Monarchen in ganzer Länge, mit der Juan Carlos am Montag im Fernsehen seine Abdankung verkündet hatte.

Die konservative TageszeitungABCwidmete ihre gesamte Ausgabe von 48 Seiten dem Thronwechsel. Der König habe in seiner "historischen Abschiedsrede" versichert, dass er immer das "Wohl der Spanier" angestrebt habe, hieß es in einem Kommentar auf der Titelseite. Ein Foto zeigte Juan Carlos und Felipe in Militäruniform.

"Danke, Juan Carlos", schrieb die konservative Zeitung La Razon auf der ersten von ebenfalls 48 Sonderseiten. Die Rückseite ziert ein Foto von des 46-jährigen Felipe, die Überschrift lautet: "Felipe VI., die Zukunft ist Euer." Die Mitte-rechts-Zeitung "El Mundo" äußerte die Erwartung, dass der neue König die Monarchie "wiederbeleben" müsse. 15 Seiten der Sonderausgabe waren dem Thema gewidmet.

Zeremonien-Vorbereitung

Am Dienstag berät die Regierung in Madrid bei einer außerordentlichen Sitzung über das weitere Verfahren. Der Ministerrat soll eine von der Verfassung vorgeschriebene Gesetzesvorlage für den Übergang der spanischen Krone auf den 46-jährigen Kronprinzen Felipe erarbeiten. Abgeordnetenhaus und Senat müssen den Gesetzentwurf anschließend verabschieden.

Die Abdankung des 76-jährigen Monarchen tritt am Tag der Veröffentlichung des Gesetzes im Amtsblatt in Kraft. Danach kann der Kronprinz zum König und Staatsoberhaupt proklamiert und vor dem Parlament vereidigt werden.

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