Juan Carlos rettet die Monarchie
Auf einem Thron zu sitzen, ist im Allgemeinen ein recht komfortabler Broterwerb, dementsprechend selten kommt es vor, dass Monarchen ihren Rücktritt erklären. Beatrix der Niederlande tat es im Vorjahr, Napoleon musste nach militärischen Niederlagen ins Exil, der Schah von Persien floh vor der islamischen Revolution und Österreichs letztem Kaiser Karl blieb nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg auch nichts anderes übrig als seinen Hut bzw. die Krone zu nehmen. Und jetzt geht Spaniens Juan Carlos.
Spanien und Habsburg
Der Start Als General Franco, der Spanien fast 40 Jahre mit eiserner Faust regiert hatte, 1975 starb, übernahm Juan Carlos die Krone, die zuletzt sein Großvater, König Alfons XIII., getragen hatte, bis er 1931 nach Ausrufung der Republik gestürzt wurde. Nun lebte die Familie im Exil in Rom, wo Juan Carlos 1938 geboren wurde.
Demokratie Franco selbst war es, der den Prinzen zu seinem Nachfolger als Staatsoberhaupt bestimmte, doch der Diktator hat sich die Verwaltung seines Erbes wohl anders vorgestellt. Juan Carlos gab sich in jungen Jahren vorsichtig, um seine Zukunft als König nicht zu gefährden. Und er ging dabei so weit, den faschistischen General als sein "Vorbild" zu bezeichnen. Doch kaum war Franco tot, schuf der König ein neues, demokratisches Spanien, wofür ihm die freie Welt höchsten Respekt zollte:
Direkte Worte Als Freund direkter Worte gilt er spätestens seit Venezuelas Präsident Hugo Chavez bei einer Konferenz in Santiago de Chile 2007 den spanischen Premier Zapatero ständig unterbrach. Juan Carlos rief Chavez "Warum hältst du nicht die Klappe?" zu und erlangte mit dem Ausspruch Kultstatus.
Opernball Auch auf dem Society-Parkett erfreute sich der König – an der Seite seiner überaus populären Gattin Sofia – großer Beliebtheit: Ob er beim Skifahren fotografiert wurde oder im flotten Cabrio, in der Badehose beim Segeln vor Mallorca oder 1978 am Wiener Opernball, er machte stets gute Figur, gab sich volksnah und eroberte die Herzen der Menschen. Noch 2008 erklärten fast 70 Prozent der Spanier, ihren König zu lieben.
Der tiefe Fall Doch dann kam der tiefe Fall. 2012 wurde Juan Carlos drei Mal an der Hüfte operiert. Wie sich herausstellte, war er bei einer sündteuren Elefantenjagd, wie sie von Tierschützern strikt abgelehnt wird, gestürzt. Der König war nach Botswana geflogen statt sich um Spaniens Wirtschaftskrise zu kümmern, die sein Land an den Rand des Ruins führte. Nach Auffliegen des Jagdabenteuers wurde er als spanischer Ehrenpräsident der Tierschutzorganisation WWF abberufen.
Die schöne Prinzessin Nicht genug damit, wurde bekannt, dass Juan Carlos zu der Safari von der deutschen Prinzessin Corinna zu Sayn-Wittgenstein (49) begleitet wurde, mit der ihm eine Affäre nachgesagt wird. Einmal in den Schlagzeilen ("Juan Carlos als Don Juan"), meldeten sich eine Belgierin und ein Spanier, die anhand von Indizien behaupten, uneheliche Kinder des Königs zu sein.
Korruption Reden müssen die Bourbonen aber im aktuell peinlichsten ihrer Skandale. Königstochter Cristina und ihr Mann Iñaki Urdangarin stehen wegen einer Korruptionsaffäre vor Gericht. Dem Schwiegersohn wird vorgeworfen, die guten Kontakte als Mitglied der Königsfamilie genützt zu haben, um Millionen an Spendengeldern für eine Stiftung zu kassieren. Das Geld soll dann aber nicht an bedürftige Kinder, sondern großteils in die eigene Tasche geflossen sein.
Der künftige König Felipe und seine Frau Letizia mieden zuletzt jeden Kontakt mit Schwester und Schwager, um nur ja nicht an den Skandal anzustreifen. Immerhin liegt der Thronwechsel schon seit längerem in der Luft, zumal 62 Prozent der Spanier für eine Abdankung des auch gesundheitlich angeschlagenen Königs waren.
Mit seinem Thronverzicht scheint es dem 76-jährigen König Juan Carlos gelungen zu sein, die Monarchie vor noch schlimmerem Schaden zu bewahren. Schließlich wird von immer mehr Spaniern ein Abschied von der Dynastie gefordert.
Sie fordern laut die dritte Republik: Nach der Abdankung von König Juan Carlos haben am Montagabend Tausende Spanier in Madrid und vielen anderen Städten des Landes gegen die Monarchie demonstriert. Mit den rot-gelb-violetten Flaggen aus der Zeit der 2. Republik - jener Ära in den 1930ern, bevor Franco die Macht an sich riss - rufen sie nach einer Volksabstimmung über den Fortbestand des Königshauses. Allein auf der Madrider Puerta del Sol sollen sich 30.000 Menschen versammelt haben.
Hintergrund der Demonstrationen ist das mehr als angeschlagene Image des Königshauses: Die Monarchie hat in den vergangenen Jahren wegen zahlreicher Korruptionsskandale und anderer Fehltritte an Ansehen verloren. Vor allem Juan Carlos' Tochter Cristina und ihr Mann waren offen im Zentrum der Kritik gestanden - und auch vor Gericht, da ihnen Steuervergehen vorgeworfen werden.
Bilder der Demonstrationen
Medien bleiben milde
Vielen Landeszeitungen war die Abdankung eine Sonderausgabe wert - mit positivem Tenor. Der Monarch, "der den Weg zur Demokratie ebnete", reiche die Krone für eine weitere Modernisierung weiter, kommentierte die Mitte-links-Zeitung El País. Zugleich äußerte sie hohe Erwartungen an Thronfolger Felipe: Der Sohn von Juan Carlos und Königin Sofia müsse nun "das Vertrauen der Spanier gewinnen", indem er auf die "Qualitäten seines Vaters" baue. Felipe müsse die Modernisierung erleichtern, die das Land "dringend braucht". Wie alle anderen Zeitungen auch druckte das Blatt die Erklärung des 76-jährigen Monarchen in ganzer Länge, mit der Juan Carlos am Montag im Fernsehen seine Abdankung verkündet hatte.
"Danke, Juan Carlos", schrieb die konservative Zeitung La Razon auf der ersten von ebenfalls 48 Sonderseiten. Die Rückseite ziert ein Foto von des 46-jährigen Felipe, die Überschrift lautet: "Felipe VI., die Zukunft ist Euer." Die Mitte-rechts-Zeitung "El Mundo" äußerte die Erwartung, dass der neue König die Monarchie "wiederbeleben" müsse. 15 Seiten der Sonderausgabe waren dem Thema gewidmet.
Zeremonien-Vorbereitung
Am Dienstag berät die Regierung in Madrid bei einer außerordentlichen Sitzung über das weitere Verfahren. Der Ministerrat soll eine von der Verfassung vorgeschriebene Gesetzesvorlage für den Übergang der spanischen Krone auf den 46-jährigen Kronprinzen Felipe erarbeiten. Abgeordnetenhaus und Senat müssen den Gesetzentwurf anschließend verabschieden.
Die Abdankung des 76-jährigen Monarchen tritt am Tag der Veröffentlichung des Gesetzes im Amtsblatt in Kraft. Danach kann der Kronprinz zum König und Staatsoberhaupt proklamiert und vor dem Parlament vereidigt werden.
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