Boston: Verdächtiger nicht ansprechbar

Das Motiv der mutmaßlichen Bombenleger von Boston ist weiter unklar. Die Polizei geht jedoch davon aus, dass die Brüder allein gehandelt haben. Der Zustand des am Freitagabend festgenommenen Dschochar Zarnajew ist "ernst, aber stabil". Er sei jedoch noch nicht in der Lage zu sprechen, sagte der Gouverneur von Massachusetts, Deval Patrick am Samstag. Laut CNN hat der Tschetschene Verletzungen an Hals und Zunge erlitten. Einem Fernsehbericht von CBS zufolge könnte er sich die Wunden selbst zugefügt haben, man gehe von einem versuchten Selbstmord aus. Mit einer Anklage sei frühestens am Sonntag zu rechnen, deuteten Vertreter der Staatsanwaltschaft und des US-Justizministeriums an.
Nach fünf Tagen Ausnahmezustand konnten die Bewohner der Stadt wieder aufatmen. Langsam kehrte der Alltag zurück. In einem dramatischen Großeinsatz hatte die Polizei am Freitagabend (Ortszeit) den mutmaßlichen zweiten Bombenleger von Boston aufgespürt und überwältigt.
Schusswechsel
Ein Hubschrauber der Polizei filmte die Festnahme
Schweigeminute
Beerdigung
Der Vater der mutmaßlichen Terrorbrüder will seinen getöteten Sohn in der Heimat, im russischen Konfliktgebiet Dagestan im Nordkaukasus, beerdigen lassen. Allerdings fehle ihm dafür das nötige Geld, sagte Anzor Zarnajew der Staatsagentur Ria Nowosti am Sonntag. Er könne auch weder eine Reise in die USA bezahlen noch einen Anwalt. "Leider können weder Verwandte noch Freunde finanziell helfen", sagte Zarnajew, der sich derzeit in der dagestanischen Hauptstadt Machatschkala aufhält. "Natürlich würde ich gerne meinen Sohn abholen, falls seine Leiche freigegeben wird und ihn hier begraben."
Bruce Riedel hat 30 Jahre lang für die CIA gearbeitet, war Sicherheitsberater für Südasien und den Mittleren Osten unter vier US-Präsidenten. Seit 2006 ist er Terrorismus- und Sicherheitsexperte im Washingtoner Brookings Institut für politische Analysen.
KURIER: Welche Rolle spielt die Herkunft der zwei Terrorverdächtigen?
Bruce Riedel: Ich vermute, dass es ihre Erfahrungen aus Tschetschenien sind, die sie radikalisiert haben. Die meisten Amerikaner würden sagen: Was haben wir mit Tschetschenien zu tun? Aber vom Standpunkt der El Kaida und der globalen dschihadistischen Propaganda sind die USA und Moskau beide Teil der globalen Konspiration gegen den Islam. In seiner jüngsten Audio-Botschaft sprach Ayman Zawahiri, nun Nummer eins der El Kaida, dass Washington, Tel Aviv und Moskau die drei größten Feinde des Islam seien. Das ist typisch für die Dschihad-Propaganda von El Kaida.
Zählen Sie die Männer zur El Kaida?
Nein. Die Tatsache, dass sie in Boston geblieben sind, deutet darauf hin, dass sie Einzelgänger sind. Ich erwarte, dass sich herausstellt, dass sie vom Internet beeinflusst wurden, und so glaubten, dass Amerika genauso wie Russland ihr Feind ist.
Wie einflussreich ist El Kaida in Tschetschenien?
El Kaida hat Tschetschenien seit Beginn unterstützt. Zawahiri war wahrscheinlich Mitte der 90er-Jahre selbst dort. Aus El Kaidas Perspektive ist der Kampf der Tschetschenen gegen Russland Teil des muslimischen Kampfs gegen die nicht-muslimische Welt. Aus Sicht der El Kaida waren die Tschetschenen von Zaren, Stalin, Putin unterdrückt. Sie können nicht behaupten, dass die USA daran teilnahmen, aber dass sie nie etwas dagegen unternommen haben. Boston hat den Preis für die Unterdrückung gezahlt. Das ist ein gutes Beispiel, wie dieses Problem ein globales geworden ist.
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