Der "Televangelist" Temitope Balogun Joshua, auch bekannt unter den Namen TB Joshua, bei einer seiner Prozessionen
Der "Televangelist" TB Joshua soll in Nigeria über Jahrzehnte Frauen gefangen gehalten haben. Die Opfer kommen aus Afrika, Nordamerika und Europa.
08.01.24, 13:29
von Lukas Bergmann
In Lagos, Nigeria sollen sich über Jahre hinweg bei einer der größten evangelikalischen Kirche des Landes schreckliche Szenen abgespielt haben. Laut einer zweijährigen Recherche der britischen BBC soll Temitope Balogun Joshua, der ehemalige Anführer von „The Synagogue Church of All Nations“ – abgekürzt Scoan – über 20 Jahre hinweg Frauen, die sich seiner Kirche angeschlossen haben, vergewaltigt und gefoltert haben.
Die Reporter sprachen mit Opfern aus Großbritannien, Südafrika, Ghana, den USA, Deutschland und Nigeria. Viele Opfer waren Jugendliche, als sie sich der Kirche anschlossen. Die Sekte hat eine globale Reichweite, vor allem mit ihrem Fernsehsender „Emmanuel TV“ und diversen Konten in den sozialen Medien.
Auf den populären Plattformen hat der Kanal zwischen 500.000 und fünf Millionen Follower. Von 1990 bis in die frühen 2000er-Jahre sind zehntausende Pilger aus aller Welt nach Lagos gereist, um Joshuas "heilende Wunderkräfte" zu sehen. Mindestens 150 seiner "Jünger" haben auf seinem Gelände gelebt - und das teilweise über Jahrzehnte.
Vergewaltigungen, Folter und forcierte Abtreibungen
Eines der Opfer, Rae aus Großbritannien, erzählte der BBC, wie sie 2002 als 21-Jährige von der Sekte rekrutiert worden war. Sie verbrachte 12 Jahre auf dem Gelände von Joshua: „Ich habe anfangs gedacht, dass ich mich im Himmel befinde, doch es wurde sehr schnell zur Hölle auf Erden“. Sie schildert Vergewaltigungen und eine Form von Einzelhaft, der sie zwei Jahre lang ausgesetzt war. Der psychische und physische Terror sei so schlimm gewesen, dass sie mehrmals Suizid verüben wollte.
Jessica Kaimu aus Namibia war 17, als sie das erste Mal von Joshua vergewaltigt wurde. Sie erzählte, dass sie als Folge des sexuellen Missbrauchs fünf erzwungene Abtreibungen über sich ergehen lassen musste und diese weder medizinisch noch steril waren: „Die Eingriffe hätten uns töten können.“
Trauerbekundungen nach dem Tod von TB Joshua im Jahr 2021.
Joshua starb bereits 2021 und wurde zu Lebzeiten als der einflussreichste Pastorder afrikanischen Historie bezeichnet. Ein Kind, das aus der Armut heraus ein evangelikalisches Imperium aufbaute und unzählige Politiker, internationale Fußballer sowie Prominente als Partner gewinnen konnte. Die Kirche operiert seit seinem Tod weiter. Die Leitung übernahm seine Witwe, Evelyn Joshua. Sie ist erst im Juli letzten Jahres als Chefin von Scoan durch Spanien gereist.
Anneka, die mit 17 Jahren von Großbritannien nach Lagos geflogen war und sich der Sekte anschloss, hofft darauf, dass die Veröffentlichung dieser Fälle zu einer Aufarbeitung der Ereignisse beiträgt: „Ich glaube, dass es gründliche Ermittlungen braucht, warum dieser Mann und die Synagogue Church of All Nations so lange so ungehindert funktionieren konnte“.
Die Kirche betreibt auch sehr viel Aufwand, damit diese Fälle nicht nach außen dringen. Opfer, die ihre Geschichten publik machen wollten, berichten über stetige Einschüchterungsversuche, die über Jahre hinweg liefen. Dabei machen sie auch vor Journalisten nicht halt. Das Reporter-Team der BBC wurde bei einem Drehversuch auf einer öffentlichen Straße vor dem Gelände des Pfarrers von den Sicherheitskräften der Kirche beschossen. Auf Anfrage bestreitet die Kirche sämtliche Vorwürfe.
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