Extreme Waldbrände in Spanien: "Das ist ein Pulverfass"

Nach den schlimmsten Waldbränden seit 30 Jahren sucht man auf der Iberischen Halbinsel Erklärungen für das Ausmaß der Zerstörung. Immer wieder wurde in den letzten Wochen die Landflucht als Ursache genannt. 90 Prozent der Bevölkerung leben in Spanien auf nur 30 Prozent des Landes. Ein Trend, der Probleme mit sich bringt, wie Inés Gonzalez Doncel, Professorin an der polytechnischen Universität Madrid, erklärt.
“Seit 40, 50 Jahren beschäftigen wir uns immer weniger mit dem Wald. Das heisst, er ist dicht bewachsen und voller Gestrüpp. Niemand räumt auf. Es gibt keine Lücken in der angesammelte Biomasse. Das ist ein Pulverfass. Das gibt spektakuläre Feuer.”
In der Stimme der Forstingenieurin schwingt Unmut mit. Denn eigentlich sind für die Prävention der Feuer alle Bedingungen erfüllt: “Wir haben nationale und regionale Gesetze. Wir haben Pläne zum Schutz und Umgang mit den Wäldern. Wir haben eine Forststrategie, die vor drei Jahren angenommen wurde. Aber auf keiner Ebene werden diese Texte umgesetzt.” Und wenn alle Feuer gelöscht sind und der Winter kommt, ist das Problem vergessen, ergänzt sie.
Im Wald gibt es keine Wähler
Gonzalez beschuldigt die Verantwortlichen, die den Fokus auf Brandbekämpfung statt -prävention legen. Die Politiker seien nicht an Maßnahmen interessiert, die erst in vielen Jahren ihre Wirkung zeigen – dort, wo sie niemand sieht. Die Landflucht ist eine Spirale, an der die Politik mit schuld ist. Menschen ziehen in die Stadt, weil auf dem Land Infrastruktur und Arbeit fehlen. Infrastruktur und Arbeit fehlen, weil die Menschen wegziehen. Zurück bleibt der Wald.
Aber nicht nur die Regierung will nicht investieren, auch die Wirtschaft hat kein Interesse an den Bäumen. „Statt Holz verwenden wir heute Erdölprodukte, wie Plastik. Schiffe und Möbel werden nicht mehr aus Holz gebaut, die Deckel der Flaschen sind nicht mehr aus Kork. Wir heizen anders. Statt die Ressourcen unseres Waldes zu nutzen, importieren wir lieber Produkte aus China“, so Gonzalez.
Eine Holzindustrie, wie Österreich sie hat, gibt es in Spanien nicht. Die Professorin begründet das auch mit fehlender Unterstützung auf europäischer Ebene. Eine gemeinsame Agrarindustrie hilft den Landwirten, eine gemeinsame Forstpolitik gibt es nicht. Deshalb hätten die Spanier mit der Bewirtschaftung der heimischen Wälder keine Chance gegen Angebote auf dem Weltmarkt: „Wer hier ein Stück Wald besitzt und sich darum kümmert, macht Verlust.“
Ein Funke reicht
Für die Forstingenieurin hängt die Rettung der Wälder klar mit wirtschaftlichen Interessen zusammen. Deshalb hat sie auch kein Problem mit dem Anbau von Monokulturen. Immer wieder wird darüber berichtet, dass die Masse der leicht brennbaren Pinien und Eukalyptusbäume die Ausbreitung der Feuer begünstigt. Aber es sei verfehlt, darüber zu diskutieren, wie der Wald langsamer brennen könnte.
Stattdessen muss verhindert werden, dass Feuer überhaupt ausbrechen. „Das Problem sind nicht die Bäume, es ist die Nachlässigkeit der Menschen. Sie brandroden abgeernteten Felder, werfen Zigarettenstummel aus dem Autofenster, grillen, arbeiten mit Maschinen zu nah an den Bäumen.“ Bei der großen Trockenheit im Sommer reicht ein Funke. Gonzalez wünscht sich, dass man sich wieder mit dem Wald beschäftigt, mit einer Mischung aus Produktion und Schutzgebieten. „Platz dafür haben wir in Spanien genug.“
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