Offline nach 22 Uhr? Englands Pläne gegen die jugendliche Handysucht

TikTok-Videos sind für junge Menschen mittlerweile eine wichtige Informationsquelle - doch die Inhalte sind nicht immer richtig.
Die Zahlen sind beunruhigend: Ein Viertel der britischen 15-Jährigen ist mit dem eigenen Leben unzufrieden – unter Mädchen und Kindern aus benachteiligten Verhältnissen liegt dieser Anteil sogar noch höher. Dazu ist in den vergangenen fünf Jahren die Zahl der Überweisungen von Jugendlichen mit Depressionen an psychiatrische Einrichtungen um die Hälfte gestiegen.
Ein wesentlicher Auslöser liegt – wie aktuelle Studien des King’s College erneut bestätigen – buchstäblich auf der Hand: das Smartphone. Der ständige Vergleich mit der vermeintlich perfekten Welt der Social-Media-Influencer, Mobbing, das nicht mehr auf den Schulalltag beschränkt ist, sondern rund um die Uhr stattfindet und nächtliches Scrollen bis weit nach Mitternacht. All das führt zu Schlafmangel, Stress und Vereinsamung im realen Leben.
Online-Sicherheitspaket
Die britische Regierung will nun mit strengeren Regeln gegensteuern. Wie der Daily Mirror berichtet, arbeitet Technologieminister Peter Kyle an einem Maßnahmenpaket.

Technologieminister Peter Kyle bastelt an einem Online-Sicherheitspaket.
Konkret dürfte die Nutzungszeit sozialer Medien auf zwei Stunden pro App und Tag begrenzt werden. Außerdem könnten Kinder nach 22 Uhr und während der Schulzeit keinen Zugriff mehr auf Social Media haben.
Doch vielen Briten gehen diese Maßnahmen nicht weit genug. Ian Russell kämpft seit acht Jahren für strengere Gesetze. Seine Tochter Molly war 14 Jahre alt, als sie sich das Leben nahm, nachdem sie im Internet schädliche Inhalte gesehen hatte. „Und mit jedem Tag, an dem die Regierung die Einführung strengerer Online-Sicherheitsgesetze verzögert hat“, sagte er nun gegenüber der BBC, „haben wir mehr junge Menschenleben verloren und geschädigt.“
Apps erlauben Limit bereits
Tatsächlich bieten sowohl Apple als auch Google bereits jetzt Möglichkeiten zur Einschränkung der Bildschirmzeit über die „Parental Controls“. TikTok hat vor zwei Jahren ein einstündiges Limit für Nutzer unter 18 eingeführt, das sich jedoch deaktivieren lasst. Instagram wiederum ermöglicht Nutzern jeden Alters, ein eigenes Zeitlimit festzulegen.

TikTok hat theoretisch bereits ein einstündiges Limit für Unter-18-Jährige.
Peter Kyle argumentiert im BBC-Interview, dass die sozialen Plattformen aber bereits seit Juli noch einmal stärker in die Pflicht genommen werden. „Dann müssen Plattformen altersgerechtes Material zur Verfügung stellen, andernfalls drohen strafrechtliche Konsequenzen.“
Bevölkerung setzt eigene Maßnahmen
Doch viele Aktivisten nehmen die Regulierung bereits lieber selbst in die Hand: Der Verein Papaya (Parents Against Phone Addiction in Young Adolescents) hat allein im ersten Halbjahr 2025 mit mehr als 9.000 Kindern im Raum Bristol Workshops durchgeführt. 94 Prozent der Teilnehmenden wären danach motiviert gewesen, ihren Technikkonsum zu reduzieren.
Im Londoner Stadtteil Southwark hat ein Konsortium von 21 Kindergärten, Schulen und Colleges laut Times Eltern dazu aufgerufen, nicht nur die Bildschirmzeit ihrer Kinder zu begrenzen, sondern auch die eigene.
Und die Stadt St. Albans strebt danach, die erste Smartphone-freie Stadt für alle unter 14-Jährigen zu werden. Der Effekt ist nach einem Jahr bereits spürbar. Hatten 2023 noch drei Viertel aller 10- und 11-Jährigen der Cunningham Hill School ein eigenes Smartphone, sind es nun nur noch zwölf Prozent. Direktor Matthew Tavender hofft, so sagte er dem Guardian, „dass der Anblick eines Kindes mit Smartphone in St. Albans eines Tages ähnlich schockierend ist wie der Anblick eines Kindes mit Zigarette.“
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