Moderne „Robin Hoods“ in schottischen Supermärkten
„Diese Babynahrung“, sagt der junge Mann und hält die runde Verpackung in die in die Kamera, „ist sicherheitsgeschützt, um Leute davon abzuhalten, sie zu nehmen.“ Dann reißt er in dem Twitter-Video das Sicherheitsetikett ab; wenig später wird er die Box in den Container beim Ausgang der Asda-Filiale in Glasgow werfen. Darin sammelt der Supermarkt (wie die meisten Geschäfte) für Lebensmittelbanken; Konsumenten könnten gekaufte Produkte spenden.
Doch der junge Mann hat das Produkt nicht bezahlt. Und: Er ist nicht alleine. Eine Handvoll Aktivisten kippen neben ihm die Inhalte ihrer vollgefüllten Einkaufskörbe in die Box. Es ist der dritte Aktionstag des Umverteilungsprojekts der schottischen Gruppe „This Is Rigged“ (deutsch: „Das ist manipuliert“), bei der Aktivisten in verschiedenen schottischen Supermarktketten Produkte, ohne sie zu kaufen, an Lebensmittelbanken spenden. „Wir tun das, um Menschen, die sie in der Lebenskostenkrise am meisten brauchen, mit Lebensmitteln und lebensnotwendigen Dingen zu versorgen.“
Preissteigerungen
Denn die „Cost of Living“-Krise hat in Großbritannien einen neuen Höhepunkt erreicht. Im April betrug die Lebensmittel-Inflation 19,1 Prozent, der höchste Wert seit 45 Jahren. Ein Liter Vollmilch kostet laut dem Nationalen Statistikbüro heute 26 Prozent, Butter 28 Prozent mehr als vor einem Jahr und Cheddar-Käse ist sogar um 39 Prozent teurer. Jeder zweite Brite kauft bereits weniger Lebensmittel. In Schottland ist die Situation besonders dramatisch.
Das wollen Aktivisten von „This Is Rigged“ so nicht stehen lassen. Denn: Preise würden um mehr als die Inflation angehoben werden; die Supermärkte hätten die Menschen bestohlen, fährt der Aktivist in dem Twitter-Video fort.
Christine Lagarde, Präsidentin der Europäischen Zentralbank, hat unlängst angedeutet, dass Unternehmen die hohe Inflation für Preiserhöhungen ausnutzen. „In einigen Sektoren konnten die Unternehmen ihre Gewinnspannen aufgrund des Missverhältnisses zwischen Angebot und Nachfrage und der durch die hohe und schwankende Inflation verursachten Unsicherheit erhöhen“, wird sie im Guardian zitiert. Ein Blick in die Jahresberichte zeigt: Die Co-Chefs des Einzelhändlers Marks & Spencer kassierten im vergangenen Jahr mehr als 2,3 Millionen Euro. Simon Roberts, Chef der Supermarktkette Sainsbury’s, erhielt umgerechnet sogar rund 5,8 Millionen Euro in bar und in Aktien – 229 Mal mehr als der durchschnittliche Mitarbeiter, wie die BBC vorrechnete.
Nachahmer gesucht
„Supermärkte stellen ihre Gewinne über die Sicherheit und Gesundheit der Familien“, heißt es in dem Video weiter. Und so verspricht die Gruppe, weiterhin Supermärkte zu bestehlen, um Lebensmittel weiterzugeben. „Wir können nicht tatenlos zusehen, wie die Menschen in unserer Gemeinschaft leiden“, sagt die 19-jährige Studentin Sophie und hofft auf Unterstützung. Ein Leitfaden auf ihrer Webseite soll andere Menschen ermutigen, es ihnen gleichzutun.
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