Im Sog von #MeToo
Zu "dampfen" begann "die Kacke" – wie er es in einem Zeit Magazin-Artikel beschrieb – am 28. Oktober 2017: Gut drei Wochen, nachdem die Anschuldigungen gegen den Medienmogul Harvey Weinstein veröffentlicht worden waren und die #MeToo-Debatte ins Rollen brachten, ging eine Schlagzeile des Online-Magazins Buzzfeed viral. Titel ( übersetzt): "Schauspieler Anthony Rapp: Kevin Spacey machte einen sexuellen Annäherungsversuch, als ich 14 war."
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Spacey reagierte mit einem Post auf Twitter. Er würde sich nicht an die Begegnung erinnern. Es sei 30 Jahre her. Aber wenn er sich so verhalten habe, "schulde ich ihm die aufrichtigste Entschuldigung für ein zutiefst unangemessenes Verhalten im betrunkenen Zustand, und es tut mir leid für die Gefühle, die er beschreibt, dass er sie all die Jahre mit sich herumgetragen hat". Er nutze die Geschichte, schrieb er weiter, um eine andere Sache anzusprechen.
"Ich habe mein ganzes Leben lang Männer geliebt und hatte romantische Begegnungen mit ihnen, und ich habe mich jetzt entschieden, als schwuler Mann zu leben." Eine Nachricht, die ihm viel Kritik einbrachte, vor allem der zweite Teil, würde er doch Homosexualität mit Pädophilie in Zusammenhang bringen.
Vier Tage später verkündete die Boulevardzeitung The Sun, auch Scotland Yard habe die Ermittlungen aufgenommen; ein 32-jähriger Mann hatte Strafanzeige erstattet. In der Folge traten weitere Männer mit neuen Anschuldigungen an die Öffentlichkeit. Die berufliche Konsequenz war unmittelbar: Netflix stellte den Dreh von "House of Cards" zunächst vorübergehend ein und schrieb später die sechste Staffel um; sein Charakter Frank Underwood starb.
"Nicht schuldig"
In der Causa Rapp hatte vergangenen Oktober ein New Yorker Geschworenengericht den Schauspieler freigesprochen. In London plädiert Spacey einmal mehr für "nicht schuldig". Richter Mark Wall nimmt sich am Mittwoch Zeit, die derzeit noch 14 Juroren auf ihre Aufgabe einzuschulen. Ihnen nahezulegen, trotz des großen Medieninteresses für die Dauer des Gerichtsverfahrens keine Nachrichten zu konsumieren, den Fall mit niemandem zu besprechen.
Sollten sie Spacey schuldig sprechen, könnte ihm eine Gefängnisstrafe drohen. Wird er jedoch von allen Anschuldigungen freigesprochen, könnte vielleicht seine Karriere wieder starten. An seinem ersten Filmprojekt hat er bereits wieder mitgewirkt – zumindest akustisch. Regisseur Gene Fallaize hat ihm für seinen Indie-Thriller "Control" extra eine Sprechrolle geschrieben.
Als der Schauspieler den Gerichtshof mit seinem Rechtsteam und Manager Evan Lowenstein verlässt, hat sich eine große Traube Schaulustiger eingefunden. Spacey hebt kurz die Hand, ähnlich wie in der Früh, bevor er in ein weißes Taxi verschwindet.
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