Wie ein blinder Landwirt (33) seinen Hof-Alltag bewältigt

Axel Duensing hält ein Kalb in den Armen
Dass er eines Tages nichts mehr sehen wird, weiß Axel Duensing seit seiner Kindheit. Dennoch betreibt der junge Deutsche - fast allein - einen Bauernhof. Wie?

Zusammenfassung

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  • Axel Duensing, ein blinder Landwirt, betreibt zusammen mit seiner Frau einen Bauernhof in Niedersachsen ohne Blindenstock.
  • Er dokumentiert seinen Alltag auf sozialen Medien, um zu zeigen, dass auch blinde Menschen Landwirtschaft betreiben können.
  • Ziel ist es, eine Direktvermarktung aufzubauen, wobei die Familie bei der Hofarbeit zusammenarbeitet.

Die Kälber Helga und Marianne müssen raus auf die Weide. Der Kompostboden, auf dem sie im Stall stehen, soll gefräst werden. Mit routinierten Handgriffen befestigen Axel Duensing und seine Frau Britta die Halfter, um die Tiere nach draußen zu führen. 

Der 33-Jährige zögert bei keinem Schritt, er geht mit seinem Kalb über den Hof, öffnet den Weidezaun. Selbstverständlich ist das nicht: Der Landwirt aus Holste-Hellingst im niedersächsischen Landkreis Osterholz ist blind

"Ich lerne durch Schmerzen"

Einen Blindenstock braucht er auf dem Bauernhof, auf dem er aufgewachsen ist, nicht. Er kennt hier jeden Winkel. "Das ist Übung und Konzentration", sagt er. "Aber ich bin auch schon mal zu früh abgebogen und in den Himbeeren gelandet oder gegen einen Zaun gelaufen. Ich lerne durch Schmerzen", sagt er und lacht. 

Im Hühnerstall zertritt er auch schon mal ein Ei, wenn es auf dem Boden liegt. Nicht schlimm: Die 13 Sundheimer Hühner sind fleißig. Damit er sich im Stall und auf dem Hof gut zurechtfindet, haben alle Arbeitsgeräte ihren Platz. "Ich weiß genau, wo die Schubkarre oder die Fräse steht", sagt er. Daher sehe es auf dem Bauernhof auch aufgeräumter auf als in anderen landwirtschaftlichen Betrieben. "Wenn der Besen mal einen Meter weiter rechts steht, kann Axel ihn nicht finden", sagt Britta Duensing.

Axel Duensing kann hören, ob es seinen Tieren gut geht

Seinen Alltag auf dem Hof dokumentiert Axel Duensing mithilfe seiner Frau seit Anfang des Jahres in den sozialen Medien. Seinem Instagram-Kanal @leidenschaftfuerlandwirtschaft folgen bereits rund 33.000 Menschen. Ihnen möchte er zeigen, dass auch blinde Menschen Landwirtschaft betreiben können. Seine Videos beginnt er stets mit denselben Worten: "Moin Leute, ich bin's Axel, euer blinder Landwirt aus Norddeutschland." 

Anschließend ist er zu sehen, wie er im eigenen Wald Bäume pflanzt, Zweige zu Holzhackschnitzel schreddert oder die Schafe während der Lammzeit im Stall organisiert. Besonders viele Likes hat ein Video bekommen, in dem der Landwirt erklärt, warum eine Holzbank im Stall steht. "Wenn ich dort sitze, kann ich alle Tiere hören. Ich höre, ob es ihnen gut geht, ob sie husten oder ob sie sich viel schubbern", erklärt er. Viele Probleme könne er so bemerken, bevor sie den sehenden Familienmitgliedern auffielen.

Direktvermarktung ab Hof ist das Ziel 

Axel Duensing stammt aus einer Bauernfamilie. Zunächst konnte er sich jedoch nicht vorstellen, den Hof zu übernehmen. Eine Ausbildung in dem Bereich war unmöglich, unter anderem, weil er blind keinen Trecker fahren kann. Dann entschied er sich doch, ökologische Agrarwissenschaften zu studieren. Vor drei Jahren kam er zusammen mit seiner Frau zurück auf den Hof, wo auch sein Vater sowie eine seiner Schwestern mit ihrer Familie leben. Ein großer Vorteil für Axel Duensing: „Es gibt Sachen, die kann ich nicht allein mache. Da lasse ich mir gerne helfen.“ 

30 Hektar landwirtschaftliche Nutzfläche sind verpachtet. „Das Geld deckt die laufenden Kosten“, sagt der Landwirt. Die Schafe, Kälber und Hühner, der bewirtschaftete Wald und das Land um das Haus dienen der Familie zurzeit nur zur Selbstversorgung. Ziel sei es aber, eine Direktvermarktung mit eigenen Produkten aufzubauen, sagt Axel Duensing. Er arbeitet Vollzeit auf dem Hof, seine Frau ist Lehrerin, sie hilft nach Feierabend. Der Vater ist im Ruhestand, die Schwester hat ebenfalls einen Job außerhalb der Landwirtschaft. Dennoch helfen sich alle untereinander. „Man kann Dinge oft nur zu zweit machen“, sagt Britta Duensing - egal, ob blind oder nicht.

Dass er eines Tages nichts mehr sehen wird, weiß Axel Duensing seit seiner Kindheit

Nach Einschätzung der Landwirtschaftskammer Niedersachsen ist es heute leichter, den Beruf des Landwirts mit körperlichen Einschränkungen auszuüben. Vieles sei automatisiert oder könne technisch unterstützt werden. Auch maßgeschneiderte Anpassungen, etwa Aufstiege auf Trecker-Kabinen für Rollstühle, seien einfacher umsetzbar als früher, so ein Sprecher. 

Dass er eines Tages nichts mehr sehen wird, weiß Axel Duensing seit seiner Kindheit. Damals war seine Erbkrankheit noch nicht so weit fortgeschritten wie heute. "Zum Fahrrad- und Treckerfahren hat es gereicht", sagt er. Sein Großvater war blind, seine älteste Schwester ist es ebenfalls. "Ich kann jetzt noch Licht-Schatten-Kontraste sehen", sagt er. "Aber das kann nächstes Jahr schon anders sein." Dass er trotzdem als Landwirt arbeitet, empfindet er als Privileg. "Ich lebe für die Landwirtschaft", betont er. 

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