Deutsche Journalistin Mesale Tolu darf die Türkei verlassen
Die in der Türkei angeklagte deutsche Journalistin und Übersetzerin Mesale Tolu darf das Land verlassen. Tolu bestätigte am Montag via Twitter die in der Nacht von ihren Unterstützern verbreitete Nachricht.
"Die Meldungen über die Aufhebung meiner Ausreisesperre sind richtig. Ich bedanke mich bei meinem Unterstützerkreis und bei allen, die mit mir mitgefühlt und an meiner Seite sich für meine Freiheit eingesetzt haben", schrieb sie. Zugleich erinnerte sie daran, dass das Verfahren gegen sie damit aber nicht beendet ist. Der Prozess gehe am 19. Oktober weiter.
Tolu steht wegen Terrorvorwürfen vor Gericht. Ihr werden Mitgliedschaft in einer Terrororganisation und Terrorpropaganda vorgeworfen. Darauf stehen bis zu 20 Jahre Haft. Sie hat die Vorwürfe stets bestritten. Tolu war Ende 2017 nach mehr als sieben Monaten aus der Untersuchungshaft entlassen worden, durfte die Türkei aber nicht verlassen.
"Wir, der Solidaritätskreis 'Freiheit für Mesale Tolu' freuen uns, Mesale nach mehr als 17 Monaten, am 26. August, wieder in Deutschland begrüßen zu dürfen", heißt es in der Mitteilung von Unterstützern. Zudem wurde darauf verwiesen, dass der Prozess gegen die Journalistin weitergeführt werde und ihr dabei bis zu 20 Jahre Haft drohten. "Von einem rechtsstaatlichen Verfahren kann weder für Mesale, noch für alle anderen zu Unrecht inhaftierten Menschen keine Rede sein."
Tolus Mann, Suat Corlu, der im selben Verfahren angeklagt ist, wird nach Angaben des Solidaritätskreises vorerst in der Türkei bleiben müssen. Seine Ausreisesperre bleibe bestehen, heißt es in der Erklärung. Tolus Sohn soll das Land jedoch verlassen dürfen.
Die deutsche Regierung wirft der Türkei vor, Tolu und weitere Deutsche aus politischen Gründen eingesperrt zu haben. Der Fall Tolu hatte, zusammen mit dem des "Welt"-Reporters Deniz Yücel und des Menschenrechtlers Peter Steudtner, die Beziehungen zu Deutschland schwer belastet.
Der Österreichische Journalisten Club (ÖJC) begrüßte die Aufhebung der Ausreisesperre gegen die auch für österreichische Medien schreibende Mesale Tolu. "Ein mehr als einjähriger Kampf um die Freiheit geht zu Ende. Mesale Tolu ist, so wie Deniz Yücel, frei und darf die Türkei verlassen", so ÖJC-Präsident Fred Turnheim in einer Aussendung am Montag, in der auch darauf verwiesen wird, dass Tolu gemeinsam mit Yücel im Dezember vom ÖJC mit dem erstmals vergebenen "Dr. Karl Renner - Solidaritätspreis" geehrt wurde.
Noch Ende April hatte das Istanbuler Gericht bei der Fortsetzung des Prozesses gegen Tolu entschieden, die Ausreisesperre gegen die 33-Jährige aufrechtzuerhalten. Am 18. Dezember war sie per Gerichtsbeschluss aus der Haft entlassen worden, aber mit einer Ausreisesperre belegt worden. Zuvor war sie mehr als sieben Monate in Istanbul in Untersuchungshaft gesessen. Zwischenzeitlich war ihr kleiner Sohn bei Tolu im Gefängnis.
Die Entscheidung des Gerichts kommt inmitten einer Serie von Annäherungsversuchen der Türkei an Europa und speziell Deutschland. Mit den USA hat sich die Türkei wegen des dort festgehaltenen US-Pastors Andrew Brunson schwer überworfen. US-Präsident Donald Trump hatte Sanktionen und Strafzölle gegen die Türkei verhängt, um Brunson freizubekommen. Ankara erwiderte die Sanktionen. Das befeuerte eine Währungskrise - die Landeswährung Lira brach auf historische Tiefstände ein.
Am Mittwoch hatte Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan mit der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel telefoniert, sein Schwiegersohn und Finanzminister Berat Albayrak sprach am Donnerstag mit seinem deutschen Amtskollegen Olaf Scholz.
Die Türkei hatte zudem schon am Dienstag zwei griechische Soldaten aus der Haft entlassen - ihre Festnahme hatte die Beziehungen zum Nachbarland Griechenland schwer belastet. Am Mittwoch kam dann überraschend auch Taner Kilic, Ehrenvorsitzender der in London ansässigen Menschenrechtsorganisation Amnesty International, aus der Untersuchungshaft frei. Kilic war vor mehr als einem Jahr ebenfalls wegen Terrorvorwürfen inhaftiert worden. Beide Fälle schienen zuvor festgefahren.
Finanzminister Albayrak hatte betont, dass eine Vertiefung der Beziehungen zu Europa und langfristige Zusammenarbeit die beste Antwort auf die "Bedrohung" durch die USA seien. Noch im vergangenen Jahr war das deutsch-türkische Verhältnis unter anderem wegen der Inhaftierung mehrerer Deutscher in der Türkei zerrüttet gewesen.
Allerdings gehen die Festnahmen weiter. Am vergangenen Mittwoch war ein weiterer Deutscher inhaftiert worden. Ihm werde vorgeworfen, über soziale Medien Propaganda für die verbotene Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) verbreitet zu haben, sagte sein Anwalt Ercan Yildirim der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Sein Mandant Ilhami A. sei am Mittwoch in der osttürkischen Provinz Elazig festgenommen worden. Kurz darauf habe ein Gericht entschieden, der Mann müsse in Untersuchungshaft. Zuerst hatte der NDR über den Fall berichtet.
Nach offiziellen Angaben sind in der Türkei derzeit sieben weitere Deutsche aus "politischen Gründen" in Haft. Darunter ist der 73-jährige Enver Altayli, der am 20. August ein Jahr lang ohne Anklageschrift in Einzelhaft sitzen wird, wie seine Familie der dpa sagte. Es gehe ihm gesundheitlich schlecht. Erst Ende Juli war der Deutsche Dennis E. im südtürkischen Hatay verhaftet worden. Auch ihm wird vorgeworfen, über soziale Medien Propaganda für die PKK verbreitet zu haben. Die PKK steht in der EU, den USA und der Türkei auf der Terrorliste. Gegen andere Deutsche, die aus der Haft entlassen wurden und ausreisen durften wie der "Welt"-Reporter Yücel, gehen die Prozesse ebenfalls in Abwesenheit weiter.
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