Die Schädlinge beschäftigen neuerdings die Fashion Week - und neuerdings auch die Politik.
07.10.23, 05:30
Aus Paris Simone Weiler
Die Pariser Fashion Week ist der Ort für aktuelle Trends – und so machte auch eine neue Form von "Trend" nicht halt davor, nämlich das Thema Bettwanzen. Ob ihre Zahl in Frankreichs Hauptstadt in der Realität wirklich so exponentiell anstieg wie die Nachrichten darüber in den sozialen Medien, ist zwar unklar. Doch von der Influencerin Malvika Sheth über US-Komiker Jimmy Fallon bis zum Mannequin Adriana Lima – viele thematisierten die kleinen Schädlinge, die nachts aus ihren Verstecken krabbeln, um Menschen zu beißen.
Internet-Nutzer stellten in den vergangenen Wochen Bilder von Bettwanzen online, die sie in Zügen der französischen Bahn, Metros oder in Pariser Kinos entdeckten. Seither ist von einer "Plage" die Rede. Zehn Monate vor Beginn der Olympischen Spiele in Paris, bei denen rund sieben Millionen Menschen anreisen werden, wird das Problem besonders ernst genommen.
Zunahme seit zwei Jahren
Dabei ist das Phänomen nicht neu, betrifft etliche Städte weltweit. Anses zufolge, der französischen Agentur für Nahrungssicherheit, Umwelt und Arbeitsschutz, waren zwischen 2017 und 2022 insgesamt elf Prozent aller französischen Haushalte von Bettwanzen befallen.
Allerdings sei eine präzise Zählung kaum möglich, sagt der Insektenforscher Jean-Michel Berenger. Ihm zufolge stützt man sich deshalb unter anderem auf die Geschäftszahlen der Firmen für Insektenbekämpfung: "In der Tat nimmt ihre Aktivität seit zwei Jahren zu." Die Lockdowns und Reisebeschränkungen während der Corona-Pandemie bremsten die Ausbreitung von Bettwanzen zeitweise. Momentan hätten sie aber nicht nur viele französische Wohnungen "befallen", sondern auch die sozialen Netzwerke, so Berenger: Der aktuelle Hype dürfe nicht zur Hysterie führen, so wichtig die Sensibilisierung dafür auch sei.
Auf der politischen Ebene lässt sich ein gewisser Aktivismus erkennen, nachdem die Fraktionschefin der Linkspartei in der Nationalversammlung, Mathilde Panot, der Regierung vorwarf, ihre Warnungen seit Jahren übergangen zu haben. Am Freitag organisierte Premierministerin Élisabeth Borne ein Krisengespräch mit mehreren Kabinettsmitgliedern, während Verkehrsminister Clément Beaune die Vertreter der Transportindustrie eingeladen hat. Zugleich versuchte er zu beschwichtigen: "Es gibt keinen signifikanten Anstieg des Phänomens von Bettwanzen in unseren öffentlichen Transportmitteln." Im kommenden Frühjahr, noch vor den Olympischen Spielen, werde es dennoch eine umfassende Reinigungsaktion geben.
Das Rathaus von Paris forderte, das Risiko eines Bettwanzen-Befalls mit in die verpflichtende Wohnungsversicherung aufzunehmen, damit die Haushalte die Kosten für eine professionelle Desinfektion nicht selbst tragen müssen. Diese können mehrere Hundert, manchmal sogar mehrere Tausend Euro betragen. "Weil es so teuer ist, verzichten manche auf eine Behandlung ihrer Wohnung und daraufhin werden auch benachbarte Wohnungen befallen", warnte der stellvertretende Bürgermeister von Paris, Emmanuel Grégoire.
Laut Agentur Anses wenden die Menschen in Frankreich pro Jahr 230 Mio. Euro für die Bekämpfung von Bettwanzen auf. Hinzu kommen 83 Mio. Euro Ausgaben für ihre Gesundheit, von Medikamenten gegen die Bisse bis zu Psychopharmaka gegen den psychischen Stress und Schlafprobleme, die folgen können.
(kurier.at, ep)
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Aktualisiert am 07.10.2023, 09:13
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