Schweden plant Mini-Atomkraftwerke mitten in Städten

Im Stockholmer Stadtteil Hjorthagen wird derzeit ein neues Rechenzentrum gebaut, daneben soll ein kleiner Nuklearreaktor den Strombedarf decken. Die Idee erscheint vielen Anrainern als gefährlich, doch den politischen Rahmen dafür gibt es.
Die Parteien der Mitte-rechts-Regierung hatten im Wahlkampf im vergangenen Sommer vehement mit dem Ausbau der Atomkraft geworben, die ihnen als Antwort auf das Klima- und Stromproblem erscheint. Mittels Parlamentsbeschluss soll bald das bestehende Umweltgesetz ausgehebelt werden. Dieses sieht vor, dass in Schweden nur zehn Reaktoren in Betrieb genommen werden dürfen. Auch die Ortswahl ist nach aktueller Gesetzeslage auf die drei bestehenden Standorte begrenzt. Derzeit befinden sich dort sechs Atomkraftwerke in Betrieb. Klimaministerin Romina Pourmokhtari sagte im Jänner, man setze nun auf kleinere Meiler, die dort gebaut werden sollten, „wo sie benötigt werden“. Und dies sei in oder nahe der großen Städte der Fall.
Das öffentlich-rechtliche Fernsehen SVT hat die zwanzig Unternehmen mit dem höchsten Energieaufwand befragt, und viele sehen die Zukunft im Ausbau der Atomkraft und zeigten auch die Bereitschaft einer Beteiligung bei der Investition.
Energiefresser IT-Sektor
Ein Internetunternehmen, wie „Bahnhof“, das sich mit Überwachungstechnologie beschäftigt, ist von seinem Energiebedarf nicht zu vergleichen mit einem Industriekombinat. Doch die Server der IT-Branche verbrauchen in Schweden bereits drei Terawattstunden im Jahr, was sich in einem Jahr verdoppeln soll.
Zum Vergleich: In dem Land mit zehn Millionen Einwohnern produzierten im Jahr 2021 Atomkraftwerke 51 Terawattstunden, dies sind rund 30 Prozent des Energiebedarfs. Die Nuklearenergie ist die Nummer zwei nach Wasserkraft, gefolgt von der Windkraft.
In Schweden war das Thema seit den Siebzigerjahren, seit die sozialdemokratische Regierung die Atomkraft massiv ausbauen ließ, ein kontroverses. Damals war vor allem die konservativ-liberale Zentrumspartei dagegen. Eine Volksabstimmung von 1980, die ein Nein zu diese Energieform erbracht hatte, wurde nicht anerkannt, ein Regierungsbeschluss, alle Meiler bis 2010 abzuschalten, wurde nicht umgesetzt.
Heute wollen 59 Prozent der Befragten in Schweden die Atomkraft ausbauen. Selbst die Klimaaktivistin Greta Thunberg gilt als verhaltene Befürworterin dieser Energieform. Derzeit sind in Schweden nur die Grünen klar gegen die Atomkraft.
Allgemein wird in Europa der Bau kleinerer Atommeiler diskutiert, Tschechien hat bereits als erstes Land in Europa konkrete Pläne, neben dem Atomkraftwerk Temelin einen „Small Modular Reactor“ bauen zu lassen.
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