Die Taschenuhr aus dem KZ: Sohn bekommt Erinnerungsstück seines Vaters

Hans Meissnitzer mit der Uhr seines Vaters
"Ich konnte es kaum glauben. Als das Packerl kam, hab ich mich natürlich sehr gefreut." Es war ein besonderes Erinnerungsstück, das Hans Meissnitzer im Mai zugestellt bekam.
Jene Taschenuhr, die seinem Vater David Meissnitzer 1940 im KZ Neuengamme abgenommen worden war, liegt nun, 85 Jahre später, auf seinem Schreibtisch. Warum aber wurde sein Vater ins KZ gebracht und was geschah seitdem mit der Uhr?
David Meissnitzer ist als junger Mann in der Land- und Fortwirtschaft tätig, 1935 lässt er sich als Zeuge Jehova in Admont taufen. Im Dezember 1939 bekommt er den Einberufungsbefehl.
"Dann bliebe der Krieg aus"
Aus religiöser Überzeugung verweigert er den Dienst an der Waffe, ein Offizier schlägt ihm mehrmals brutal mit einem Schürhaken auf den Kopf und schreit: "Sie müssen doch Ihr Vaterland verteidigen!" Meissnitzer entgegnet: "Mein Vaterland ist die ganze Erde", der Offizier kontert: "Was wäre denn, wenn alle so denken würden?" "Dann bliebe der Krieg aus", entgegnet der damals 31-Jährige.

David Meissnitzer, 1939
Am 20. Dezember 1939 beginnt für David Meissnitzer ein jahrelanges Martyrium: Einige Wochen bleibt er im Polizeigefängnis in Graz, dann geht es über die Konzentrationslager Mauthausen und Sachsenhausen weiter ins KZ Neuengamme. Mit dem lila Winkel für Bibelforscher - hauptsächlich Zeugen Jehovas - gekennzeichnet, wird ihm sofort sein Hab und Gut abgenommen, darunter auch seine Taschenuhr.
154 wurden ermordet
Nach der Machtergreifung Hitlers 1933 kam es in Deutschland sehr rasch zur Verfolgung der Zeugen Johovas. 1938 begann sie auch in Österreich. Von den rund 800 Zeugen Jehovas, die damals in Österreich lebten, wurden 154 ermordet oder starben an den Folgen brutaler Behandlung.
Kein Hitlergruß, kein Wehrdienst
Die Religionsgruppe verweigerte sich aus christlicher Überzeugung geschlossen dem NS-Regime. Der Hitlergruß wurde verweigert ebenso der Beitritt zu nationalsozialistischen Organisationen sowie jeglicher Kriegsdienst.
Im neu errichteten KZ Neuengamme ist die Behandlung durch die SS besonders grausam, in seiner Not isst Meissnitzer Schnecken und abgenagte Knochen oder fischt sich ölverschmierte Brote aus dem Hafenwasser in Hamburg. Dort ist er mit dem Suchen von Bomben und dem Wegräumen von Leichen beschäftigt.
Archiv über NS-Zeit
"Mit uns direkt hat mein Vater nicht viel über seine Zeit im KZ gesprochen. Eher, wenn Besuch da war", erinnert sich Hans Meissnitzer. Dass er die Uhr nun 85 Jahre später in den Händen halten darf, ist den Arolsen Archives zu verdanken: Sie wurden 1948 von den Alliierten gegründet und sind das internationale Zentrum mit dem weltweit umfassendsten Archiv zu den Opfern und Überlebenden des Nationalsozialismus.
Schicksale klären, Vermisste suchen
Die Institution bietet einfachen Zugang zu breitem Wissen über NS-Verfolgung, NS-Zwangsarbeit, den Holocaust sowie die Folgen von Diskriminierung und Rassenhass. Die Sammlung mit Hinweisen zu rund 17,5 Millionen Menschen gehört zum UNESCO-Weltdokumentenerbe. Schicksale klären und Vermisste suchen: Das war über Jahrzehnte die zentrale Aufgabe.
Gleichzeitig wurden Dokumente zu allen Opfergruppen der nationalsozialistischen Verfolgung zusammengetragen, so dass ein zentrales Archiv über die grausamen Verbrechen entstand. Es enthält Millionen Geschichten von Verfolgung, Flucht, Inhaftierung und Vernichtung, aber auch Geschichten von Überleben, Fürsorge und Neuanfang.

Jene Taschenuhr, die David Meissnitzer 1940 im KZ abgenommen wurde
Hier wurde also auch die Uhr von Hans Meissnitzers Vater gelagert und archiviert, bevor sie retourniert werden konnte. "Bei uns wusste niemand, dass es die Uhr überhaupt jemals gegeben hat. Umso größer war die Überraschung", freut sich der Steirer.
Nach Einsendung eines Formulars und einiger Formalia kam das Stück also wieder zur Familie: "Ich habe sehr gestaunt, dass sie noch funktioniert. Nun ziehe ich sie jeden zweiten Tag auf."
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