Der Döner-König von Favoriten: "Jetzt ahmen mich alle anderen nach"

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Ferhat ist "weltberühmt in Österreich" – und ein bisschen darüber hinaus. Herr Yildirim hat den Geschmack seiner Kindheit nach Wien-Favoriten geholt. Dort bilden sich täglich Warteschlagen.

Ferhat wird von der hungrigen Kundschaft gestürmt, obwohl es rundherum Dutzende andere Döner-Lokale gibt. Der Gastronom redet gerne über sein Essen, nur bei Politik wird er wortkarg.

KURIER: Ihr Lokal wirkt türkisch, aber da hängt auch ein Plakat mit Österreich-Landschaft, samt der Botschaft: „Fleisch zu 100 Prozent aus Österreich – mit Liebe zum Land“. Wie österreichisch, und wie türkisch sind Sie?

Ferhat Yildirim: Ich bin beides. Mit 17 Jahren kam ich nach Österreich und lebe schon mehr als 25 Jahre da. Ich habe hier und in der Türkei Familie. Meine Söhne, 20 und 18, sind in Österreich zur Welt gekommen. Und einmal im Jahr mache ich Urlaub in der Türkei.

Ist Ihre Frau Türkin?

Ja, und mein Bruder ist mit einer Österreicherin verheiratet.

Wie viel Fleisch verarbeiten Sie täglich zu Döner? In Ihrem Geschäft sieht man mächtige Fleischberge.

Mehrere Hundert Kilo – also schon sehr viel.

Und wie viel Sauerteigbrote pro Tag verkaufen Sie?

Tausende.

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Es gibt bei Ihnen nur Halal-Fleisch. Wie wird das produziert und was versteht man darunter?

Es ist nach unserer Religion geschlachtet, das Tier muss von der Halsader her ausgeblutet sein. Das ist gesünder und hygienischer für den Konsumenten.

Wie verhindert man Tierleid?

Das Tier leidet weniger als beim normalen Schlachtprozess. Bei uns ist das Tierwohl sehr wichtig.

Sie haben Ihr Geschäft voriges Jahr auf 400 Quadratmeter erweitert, doch die Menschen stehen noch immer Schlange. Sie verteilen sogar Tee an die Wartenden.

Das ist unsere Art, Danke zu sagen. Die Wartezeit ist unsere Schwachstelle, obwohl wir eh immer schneller arbeiten.

Warum werden Sie eigentlich so gestürmt?

Glück gehabt und Mundpropaganda. Weil ich für den besten Döner der Welt bekannt bin. Der Geschmack ist so, wie in meiner Kindheit im Dorf: einfach Fleisch, Salz, Feuer. Das Fleisch wird auf getrocknetem Buchenholz gegrillt.

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Und was kommt noch ins Weckerl?

Die Gäste können es sich aussuchen: Zwiebel, Tomaten, Rotkraut – und Schafnaturjoghurt, das wir auch selbst machen.

Sie haben daran getüftelt?

Ja, sehr lange. Als ich damals nach Österreich kam, dachte ich, die Kunden werden reingelegt: Es werden industrielle, Mayo-basierte Saucen serviert, Tiefkühlprodukte, supersüßes Brot. Das ist nicht der wahre Geschmack. Ich habe dann alles nach meinen Vorstellungen gemacht – auch das Brot – und jetzt ahmen mich alle anderen nach.

Manche meinen, Sie seien der „König des Döners“. Sind Sie ein Marketing-Genie?

Nein, das hat sich so ergeben.

Was haben Sie gelernt?

Ich habe schon als Kind in der Türkei gearbeitet. Weil ich dort keine wohlhabende Zukunft gesehen habe, bin ich nach Europa gegangen, und habe in der Fast Food-Branche gearbeitet.

Döner hat nicht immer einen tadellosen Ruf, es gab Salmonellenskandale. Wie gehen Sie damit um?

Bei uns wird nie eingefroren, alles sofort verarbeitet und die Kühlkette wird nie unterbrochen.

Und am Abend wird ein Schild mit „Leider sind wir für heute ausverkauft“ vor die Tür gestellt.

Ja, jeden Abend.

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Favoriten besteht gefühlt nur aus Döner-Shops. War es nicht ein Risiko hierher zu gehen?

Eigentlich schon. Aber mein Lokal im zweiten Bezirk wurde zu klein. Als ich 2021 in Favoriten aufgesperrt habe, gab es angeblich schon über 130 Döner-Lokale hier.

Fühlen Sie sich als Favoritner? Der Bezirk hat keinen guten Ruf.

Ich fühle mich wohl, rund um mein Geschäft ist es komplett ruhig. Es ist noch nie etwas passiert, das hören wir nur aus den Medien.

Was wünschen Sie sich von der Politik?

Die Favoritenstraße wird demnächst umgestaltet, darauf freue ich mich. Danke an den Bezirksvorsteher Marcus Franz. Mein allgemeiner Wunsch an die Politik ist: „Bitte weniger Bürokratie!“

Spricht man mit gut integrierten Türken, dann sind die oft nicht begeistert über die Neuzuwanderer aus Syrien und Afghanistan, die vielleicht nicht so fleißig wie sie selbst sind. Ärgern Sie sich auch manchmal über Menschen mit Migrationshintergrund, die sich nicht gut benehmen?

Nein. Ich mache keinen Unterschied bei den Nationen. Im Grunde sind die Menschen alle gleich. Niemand will Außenseiter sein.

Salon Salomon: Ferhat Yildirim

Sehr diplomatisch. Sie wollen keine Kunden verlieren?

Darum geht es nicht. Mein Publikum kommt sehr oft sogar von außerhalb Österreichs.

Ein mittlerer Döner kostet bei Ihnen über 9 Euro, das ist teuer. Anderswo kriegt man schon einen um zwei Euro samt Getränk.

Bevor ich aufgesperrt habe, hatte der Döner nicht so einen guten Ruf. Alle haben versucht, ihn besonders billig zu verkaufen. Aber unser Döner ist wertvoller und in der Herstellung kostspieliger, als jeder Burger, den man in Wien kaufen kann.

Man hört viel Türkisch unter Ihren Mitarbeitern. Woher kommen sie?

Aus der Türkei, Syrien, Bulgarien, auch aus Österreich.

Haben Sie jemals selbst Diskriminierung erlebt?

Nein, wirklich nie. Ich wurde von Österreich und speziell in Wien sehr unterstützt. Die Nachbarn meines ersten Geschäfts waren sehr freundlich.

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Man hat manchmal das Gefühl, dass die türkische Community unter sich bleibt, untereinander heiratet. Und die Türken in Favoriten wirken konservativer als in Istanbul.

Das habe ich noch nicht bemerkt. In der Türkei leben fast 80 Millionen Leute, da gibt es alles.

Trägt Ihre Frau Kopftuch?

Nein, meine Mutter schon.

Was vermissen Sie in Österreich?

Ich bin kein Stadtmensch. Ich vermisse die Ruhe meines türkischen Dorfes: Tee trinken und in die Ferne schauen.

Was könnten die Türken von Österreich lernen – und umgekehrt?

Die Österreicher könnten lernen: Schuhe ausziehen, wenn man die Wohnung betrifft. Die Türken könnten von den Österreichern lernen: mehr Sicherheit beim Verkehr und die Regeln beachten.

Werden Ihre Söhne in Ihr Geschäft einsteigen?

Ich bin seit 2015 selbstständig, und sie haben den schwierigen Beginn miterlebt. Gastronomie ist schwer – ich wünsche es ihnen nicht.

Kann man dort aber nicht auch viel Geld verdienen?

Nein, nicht mehr.

Was sollen die Söhne tun?

Ich hoffe, sie studieren.

Wenn Sie auf Ihr bisheriges Leben zurückblicken: Was würden Sie anders machen?

Ich würde mehr Zeit mit meinen Kindern verbringen und mich nicht dauernd auf das Geschäft konzentrieren.

Wie viele Stunden arbeiten Sie?

Auch wenn ich nicht arbeite, bin ich in Gedanken immer in der Arbeit.

Werden Sie noch einmal erweitern?

Ja, weil der Bedarf so groß ist. Ich bekomme auch viele Anfragen: aus Amerika, Kanada, Frankreich, Deutschland, Dubai. Sogar aus Bagdad fragte man mich, ob ich dort ein Ferhat Döner aufmachen möchte.

Und wollen Sie wirklich ins Ausland expandieren?

Ich wünsche es mir. Aber dafür braucht man ein ganz großes Konzept.

Wir werden also noch mehr von Ihnen hören?

Ich hoffe!