Wie Frau Inspektor auf Verbrecherjagd geht
"Von meiner Dienstwaffe", sagt Carmen Palmetzhofer, "musste ich zum Glück noch nicht Gebrauch machen. So eine Situation wünscht man auch niemandem, es ist sicher sehr belastend."
Palmetzhofer sitzt in ihrem Büro im Landeskriminalamt Niederösterreich, vor ihr liegen zahlreiche Akten, es gibt viel zu tun. Die 42-Jährige arbeitet im Ermittlungsbereich Sexualdelikte, sie hat oft mit hochkriminellen Personen zu tun: Vergewaltiger, Menschen, die Kinderpornos horten und verschicken, sich an Babys vergehen.
Eine herausfordernde, aber auch sehr belastende Arbeit. Die Zahl der Sexualstrafdelikte hat in den vergangenen Jahren stark zugenommen.
Die gebürtige Tirolerin ist eine von österreichweit 558 Frauen, die bei einer kriminalpolizeilich spezialisierten Dienststelle (Bundeskriminalamt, Verfassungsschutz, Landeskriminalämter etc.) tätig sind.
- Geschichte
Am 1. Dezember 1991 begannen etwa 40 ehemalige „Politessen“ nach dem Ende der einjährigen Ergänzungsausbildung in Wien, Graz und Linz ihren Dienst in der Sicherheitswache
- Gleichstellung
Zwar gab es zuvor auch schon Frauen im Polizeidienst, aber seit dem Jahr 1991 sind sie ihren männlichen Kollegen gleichgestellt – etwa in der Bezahlung
- 6.205 Polizistinnen sind mit Stichtag 1. Jänner 2020 bei der österreichischen Exekutive beschäftigt
- Anteil steigt
Auf Landesebene liegt der Frauenanteil in der Exekutive bei mehr als 19 Prozent. Laut Innenministerium interessieren sich immer mehr Frauen für den Dienst in der Exekutive
- 558 Frauen sind derzeit in spezialisierten Dienststellen tätig. Dazu zählen auch der Verfassungsschutz und das Bundeskriminalamt
Früher waren diese Bereiche noch eine reine Männerdomäne, sehr stark mit Testosteron behaftet. Es herrschte ein rauer Umgangston. Schließlich hat man es ausschließlich mit Triebtätern, Mördern, Räubern und anderen Schwerkriminellen zu tun.
Doch das Bild des klassischen „Kieberers“ hat sich gewandelt. Mittlerweile sorgen auch immer mehr weibliche Kripo-Beamte für Recht und Ordnung in Österreich.
Vorurteile und Skepsis
„Nach meiner Grundausbildung im Jahr 1997 in Linz war ich dort die erste Frau im kriminalpolizeilichen Dienst und später auch am Dienstposten in Telfs in Tirol“, erzählt Palmetzhofer. „Natürlich gab es da auch Skepsis seitens der männlichen Kollegen. Und ich habe mir zu Beginn auch schwer getan, auf Vorurteile richtig zu reagieren“, erzählt die Kriminalistin im Gespräch mit dem KURIER.
Bis heute ist sie ihrem Beruf und damit auch ihrer Berufung treu geblieben. „Jeder Tag ist anders, es bleibt immer spannend. Außerdem sind Teamarbeit und Flexibilität gefragt“, erzählt Palmetzhofer.
Mehr Frauen als Männer
Die Gruppe, in der sie im Landeskriminalamt Niederösterreich arbeitet, bildet dort überhaupt eine Ausnahme. Denn es gibt im Ermittlungsbereich Sexualdelikte ganz bewusst mehr Frauen als Männer. „Das Verhältnis lautet 60 zu 40“, erzählt die Beamtin mit einem Lächeln. Das liegt darin, dass gerade bei Sexualdelikten die Opfer in den meisten Fällen weiblich sind und die sensiblen Einvernahmen daher auch von weiblichen Beamten durchgeführt werden.
Von Vorschlägen wie einer Quotenregelung hält sie – zumindest im Polizeiwesen – dennoch nicht viel. „Es kommt immer auf den Menschen an. Auf seine Qualitäten im Job. Wenn die Zusammenarbeit passt, ist es mir egal, ob mein Kollege männlich oder weiblich ist“, sagt sie.
Generell sei eine Frau mit einer Glock-Pistole an der Hüfte zum Glück nichts Außergewöhnliches mehr, meint Birgit Klinger, seit 2005 beim nö. Landeskriminalamt für Raub- und Gewaltdelikte zuständig. Was der erfahrenen Kriminalistin dabei schon alles an Gewalt, Brutalität und Kaltblütigkeit untergekommen ist, kennt man sonst nur aus dem Fernsehen. „Eines muss einem klar sein: Wer eine Mimose oder zu zart besaitet ist, der sollte einen anderen Berufsweg einschlagen“, sagt Klinger.
"Im Verkehrsdienst wäre ich nicht glücklich"
Zuletzt war die Ermittlerin mit ihrem Team federführend an der Klärung des Mordes an einer wohlhabenden Unternehmerin aus dem Bezirk Neunkirchen beteiligt. Ein Top-Banker ist angeklagt, die 85-jährige Kundin mit Cellophan erstickt zu haben. Wie es ihr damit geht, ständig mit solchen Abscheulichkeiten zu tun zu haben, beantwortet die 43-Jährige nüchtern. „Es ist mein Job und den habe ich mir ausgesucht. Im Verkehrsdienst wäre ich sicher nicht glücklich.“
Aber sie muss auch zugeben, dass es immer wieder Straftaten gibt, die sich „mehr einbrennen“ als andere. Als die sogenannte „Froschbande“, eine Gruppe rumänischer Schwerverbrecher, ihre Spur durch Österreich, Deutschland und die Schweiz zog, waren es Klinger und ihre Kollegen die die 13-köpfige Bande fassten. Die Männer stiegen in die Häuser betagter Opfer ein und misshandelten sie schwer. In Bayern starb sogar ein Mann. „Die extreme Brutalität gegen Personen, die völlig wehrlos sind, das war schon sehr heftig“, sagt die Beamtin.
Klinger und die Raubermittler wurden 2017 für die Klärung dieser Serie als „Kriminalisten des Jahres“ ausgezeichnet. Solche Leistungen sind für den Leiter des Landeskriminalamtes, Omar Haijawi-Pirchner, besonders erfreulich. „Ich freue mich, dass ich viele Kolleginnen mit höchster Kompetenz im Team habe und möchte diese Stärke weiter ausbauen.“
Erste LKA-Chefin
Dass es auf der Karriereleiter für Frauen in der Kripo sowieso längst ganz nach oben gehen kann, beweist auch das Landeskriminalamt Tirol, wo mit Katja Tersch zum ersten Mal eine Frau die Leitung übernommen hat.
Minister will mehr weibliche Führungskräfte
„Wir müssen junge Polizistinnen ermutigen, auch verstärkt Führungsfunktionen anzustreben“, sagt Innenminister Karl Nehammer (ÖVP). Der Frauenanteil, betont der Politiker, solle weiter konsequent erhöht werden.
Im Bereich der dienstführenden Beamten (E2a – mittleres Management – Funktionen wie zum Beispiel Kommandantin einer Polizeiinspektion oder Aufgaben im Bereich der Landeskriminalämter) beträgt der Anteil von Frauen rund 12 Prozent. Diese soll laut Nehammer deutlich steigen.
Ab kommenden September wird die E2a-Ausbildung in allen Bundesländern angeboten werden. Bisher waren lediglich Standorte in Wien, Traiskirchen (NÖ) und Tirol vorgesehen. „Wir schaffen dadurch die Möglichkeit, Familie und Beruf leichter zu vereinbaren. Ich sehe darin einen permanenten Prozess, der noch viele Schritte benötigt und unserer ständigen Aufmerksamkeit bedarf“, sagt der Innenminister, der sich bei diesem Thema auch mit Frauenministerin Susanne Raab (ÖVP) abgestimmt hat.
Kommentare