Wenn digitaler Hass auf Menschen trifft

Ebru Sokolova  bezieht in den sozialen Medien Position – und erntet nicht nur Zustimmung
Schwesta Ebra ist Rapperin, Feministin und liebt eine Frau. Im Netz bekommt sie deshalb Hasskommentare. Eine Initiative hilft dabei, Verfasser auszuforschen und vor Gericht zu bringen

Als Musikerin und Influencerin ist sie als „Schwesta Ebra“ unterwegs. Sie ist Rapperin, lesbisch und hat Migrationshintergrund. Ebru Sokolova, wie sie wirklich heißt, äußert sich zu politischen Themen, setzt sich für LGBTQ-Rechte ein, ist Feministin. Und macht sich damit nicht nur Freunde.

„Gestern habe ich ein Video mit meiner Partnerin gepostet – drunter waren 400 Hasskommentare“, erzählt sie. „Wenn ich etwas veröffentliche, lege ich oft das Handy auf die Seite, weil ich schon weiß, dass so etwas kommt.“

Erster Schritt

Hass im Netz ist für sie Alltag geworden. Und daran hat auch ein Gesetzespaket dagegen wenig geändert. Im Juli 2020 starteten mehrere Politikerinnen mehrerer Parteien die Initiative „Gemeinsam gegen Hass im Netz“, 2021 trat das Gesetzespaket in Kraft. Das Ziel: Plattformen wie Facebook in die Pflicht zu nehmen und effektiveren Schutz vor Hasspostings.

Wenn digitaler Hass auf Menschen trifft

Möglichst niederschwellig sollten sich Opfer wehren können. Etwa, indem sie beim Bezirksgericht einen Unterlassungsauftrag erwirken können – und somit eine Löschung des Postings via Mahnverfahren. Oder, dass sie eine psychosoziale und juristische Prozessbegleitung bekommen. Oder, dass sie anonyme Verfasser von den Behörden unbürokratisch ausforschen lassen können.

Doch die Zahlen zeigen, dass kaum jemand davon Gebrauch macht. Laut Justizministerium bewegen sich diese Auskunftsverfahren jährlich im „niedrigen zweistelligen Bereich“.

Fake-Accounts

„70 Prozent der Hasskommentare kommen von Fake-Accounts“, sagt Thaddäus Leutzendorff von der Initiative „Faires Netz“. „Technisch wäre es relativ leicht herauszufinden, wer dahinter steckt.“ Doch Konzerne wie Meta (Facebook, Instagram und Co.) zeigen sich wenig kooperativ. Der Behördenweg ist langatmig.

Wenn digitaler Hass auf Menschen trifft

Leutzendorff und Stojanovic  von der Initiative „Faires Netz“

Zudem scheuen sich viele Betroffene, Behörden überhaupt einzuschalten. Auch, weil sie befürchten, auf Kosten sitzen zu bleiben. Da will „Faires Netz“ einspringen. „Wir übernehmen alle Gerichtskosten und den Rechtsanwalt. Sind wir erfolgreich, bekommen wir ein Honorar“, erklärt Leutzendorff.

„Wir glauben, dass man aktiv etwas dagegen tun muss.“

Aus seiner Erfahrung sind es in erster Linie Frauen, die in den Sozialen Medien attackiert werden. „Wir sehen Slut-Shaming (Abwertung aufgrund der Sexualität, Anm.), Homophobie, Ausländerfeindlichkeit, Morddrohungen und Stalking“, beschreibt Leutzendorffs Kollegin Katarina Stojanovic. Betroffen sind Influencer genauso wie „normale Leute“. „Die Verfasser sind großteils Männer“, weiß Leutzendorff.

Das kann Rapperin Schwesta Ebra (einer ihrer Songs heißt: Männer haben Ego-Probleme) nur bestätigen. „Manchmal schaue ich mir ihre Profile an. Dann sind das 14-Jährige.“ Hin und wieder sucht sie den Kontakt zum Verfasser. „Oft steckt Unwissen hinter dem Hass.“

Manchmal, sagt sie, dringt sie zum Verfasser durch. Doch häufiger folgen weitere Beleidigungen. Dann wird alles beschimpft. Ihre Herkunft, ihr Aussehen, sogar ihr Hund. Manche wünschen ihr, vergewaltigt zu werden. „Dann musst du versuchen, dich abzukapseln. Denn die Leute verstehen nicht, dass dahinter Menschen mit Gefühlen stecken.“

Was die Musikerin für wesentlich hält: „Aufklärung in den Schulen. Denn was hier verbreitet wird, kommt vom Elternhaus oder vom Freundeskreis.“

Ganz klein

Vor Kurzem schrieb sie mit einem jungen Mann, der ihr Hass-Kommentare geschickt hatte, drohte mit Anzeige

„Wo bleibt die Anzeige, du Affe?“, schrieb er Tage später zurück. Als tatsächlich ein Abmahnungsschreiben bei ihm eintrudelte, war er plötzlich ganz klein. „Ich bin 18 Jahre alt und Schüler. Ich kann das nicht zahlen.“

„Plötzlich war er in Panik und hat sich entschuldigt“, schildert Schwesta Ebra. „Ich hoffe, davon erzählt er seinen Freunden.“

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