Vegetarische Kochlehre: "Verschont uns mit dem Fake-Plunder"

Sternekoch Paul Ivic und Spitzenköchin Parvin Razavi.
Seit 1. Juli gibt es in Österreich einen neuen Lehrberuf: „Fachkraft für vegetarische Kulinarik“, wie sich die fleischlose Kochausbildung nennt.
Wie groß die Nachfrage danach ist – bei Betrieben, aber auch bei Lehrlingen –, war lange unklar. Ebenso, wann genau der Unterricht starten und wo der „Übergangslehrplan“ gelehrt werden soll. Mitte August ist es das teilweise immer noch.
Wer sich beworben hat
Die unklare Umsetzung kritisieren auch der vegetarische Sternekoch Paul Ivic (Restaurant „Tian“) sowie Köchin Parvin Razavi („&flora“). Beide haben Lehrlinge für die neue Ausbildung aufgenommen.
Ivic berichtet von 18 Bewerbungen, bei Razavi waren es drei bis vier. Beworben hätten sich bei beiden ausschließlich über 18-Jährige, manche mit abgeschlossenem Studium, einige aus Deutschland und vor allem Frauen.
19 Betriebe wollen vegetarisch ausbilden
Laut dem Fachverband Gastronomie bei der Wirtschaftskammer Österreich (WKO) haben bis dato in ganz Österreich 19 Betriebe einen Antrag als vegetarischer Lehrbetrieb gestellt: jeweils sieben in Wien und der Steiermark, zwei in Kärnten sowie jeweils ein Betrieb in Niederösterreich, Oberösterreich und Vorarlberg.
Im Verzeichnis der Lehrbetriebe finden sich bisher fünf zugelassene Betriebe, weitere folgen. Die Gesamtzahl der Lehrlinge wird laut WKO frühestens im Oktober feststehen.
Was im Lehrplan steht, ist für mich zweitrangig, weil er veraltet ist. Nationalgerichte interessieren keinen Menschen.
Sternekoch
Was den Inhalt des Lehrplans betrifft, üben die beiden Spitzenköche scharfe Kritik. Es sei am Zeitgeist vorbei, Tofu-Schnitzel zu kochen oder aus Karotten Lachs nachzuahmen. „Es wurde offenbar mit niemandem gesprochen, wie die Lehre aussehen kann. Der Lehrplan unterscheidet sich darin, dass österreichische Klassiker vegetarisch gekocht werden“, sagt Razavi.
Betriebe klagen über absurde Hürden
Noch deutlicher wird Ivic: „Was im Lehrplan steht, ist für mich zweitrangig, weil er veraltet ist. Nationalgerichte interessieren keinen Menschen. Machts den Fake-Plunder in den Schulen, aber verschont uns damit. Überlasst uns die wahre Ausbildung.“

Kritisiert werden veraltete Konzepte für den neuen Lehrberuf.
Was der Branche auch aufstößt: Absurde Hürden, um als Lehrbetrieb zugelassen zu werden, wie Larissa Andres und Jonathan Wittenbrink vom veganen Fine-Dining-Restaurant „Jola“ berichten: „Uns wurde gesagt, es sei unzumutbar, dass sich Lehrlinge im Büro gegenüber vom Lokal umziehen. Als wir erklärten, dass es nicht unserer Küchenlinie entspricht, mit Ersatzprodukten zu kochen oder veganen Käse herzustellen, meinte man: Dann ändert doch das Konzept.“
Ein weiterer Grund, wieso das „Jola“ keine Lehrlinge ausbilden darf: die Vier-Tage-Woche. Vorgeschrieben sind nämlich fünf Tage die Woche und acht Stunden täglich. „Wir sprechen hier von Betrieben mit super Köchen, guten Werten und toller Atmosphäre. Die Branche hat ein Nachwuchsproblem. Dass sie keine Lehrlinge ausbilden dürfen, finde ich fahrlässig.“
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