Terrorprozess: Ein Kind als Kronzeuge

Terrorprozess: Ein Kind als Kronzeuge
Wurde ein 12-jähriger vom Wiener Lorenz K. mit Bombe auf Weihnachtsmarkt geschickt?

Im Terrorprozess gegen den 19-jährigen Lorenz K., der laut Anklage mehrere Attentate vorbereitet haben soll, wird ein Kind den Kronzeugen der Anklage spielen. Der zwölfjährige Deutsche irakischer Abstammung A. wollte sich am 26. November 2016 auf dem Weihnachtsmarkt in Ludwigshafen mit einer selbst fabrizierten Nagelbombe in die Luft sprengen und dabei möglichst viele Menschen töten.

Der Anschlag misslang, weil es dem Buben nicht gelang, die zur Zündung angebrachte Wunderkerze in Brand zu setzen. Er deponierte den Sprengsatz in einem Gebüsch, wo er von der Polizei gefunden und durch die Probesprengung eines Nachbaus als funktionstüchtig befunden wurde. Der mittlerweile 14 Jahre alte A. wird mit seinen Eltern an einem geheimen Ort abgeschirmt und von einem Institut für multilinguale Erziehungshilfe und Familientherapie betreut. Dort wurde er auch von den Ermittlern mehrmals einvernommen, die Protokolle liegen dem KU RIER vor.

Am kommenden Mittwoch beginnt im streng abgesicherten Wiener Landesgericht der Prozess gegen Lorenz K. wegen Anstiftung zum terroristisch motivierten Mord. Die damit befassten Richter und Staatsanwälte legen wegen Sicherheitsbedenken größten Wert darauf, anonym zu bleiben. Schon am zweiten Prozesstag wird eine im deutschen Amtsgericht Bad Kreuznach stattfindende Zeugenbefragung des 14-jährigen A. über Videokonferenz in den Wiener Prozesssaal übertragen. Der Bub muss aussagen, weil er sich als zur Tatzeit Strafunmündiger nicht selbst belasten kann.

Terrorprozess: Ein Kind als Kronzeuge

Die von dem Zwölfjähriger fabrizierte Nagelbombe wurde von der Polizei gefunden und nachgebaut. Bei einer Probesprengung wurde sie als funktionstüchtig befunden

„Gesegnete Tat“

In den bisherigen Protokollen fällt auf, wie emotionslos A. darüber spricht, dass er bei dem Anschlag sterben wollte. Er bezeichnet das als „gesegnete Tat“ bzw. „Märtyreroperation“. Er habe zuerst eine Kirche als Attentatsziel im Auge gehabt und ein großes Messer mitnehmen wollen, um Geiseln nehmen zu können. Weil die Nägel aus der Bombe in den Holzbänken stecken bleiben würden und deshalb „weniger Opfer zu erwarten waren“, habe er die Kirche als Ziel verworfen. Lorenz K. habe ihn dann auf die Idee gebracht, das Selbstmordattentat auf dem Weihnachtsmarkt zu verüben und ihm auch Tipps gegeben, wie er die Bombe am Körper tragen und dass er bei dem Anschlag religiöse Formeln aufsagen soll. Lorenz K., so sagt der Zeuge aus, habe selbst sechs Bomben bauen und für Anschläge benutzen wollen.

Vor dem geplanten Attentat auf dem Weihnachtsmarkt nahm der Zwölfjährige mit dem Handy noch ein Video mit einer „Abschiedsrede“ auf, wie sie bei Selbstmordattentätern üblich ist: „Ich bin ein ganz normaler fast 13-Jähriger, der sich zu so etwas entschlossen hat ... eine Märtyreroperation in der Stadt Ludwigshafen am Rhein. Ich mache das, um die Hunde der Kuffar (Ungläubige, Anm.) zu terrorisieren. Es ist nur ein Feuerzeug, was mich jetzt nach Jannah (Paradies, Anm.) führen wird.“

Der von Wolfgang Blaschitz verteidigte Lorenz K. bestreitet, den Buben zum Attentat motiviert oder selbst welche geplant zu habe. Allerdings gibt es eine weitere Belastungszeugin, eine 15-jährige Deutsche, die er 2016 nach islamischen Ritus geheiratet hatte. Sie berichtet, es sei das Ziel von Lorenz K. gewesen, mit ihr zusammen eine Bombe „hochgehen zu lassen und so viele Menschen wie möglich in den Tod zu schicken“.

Immer mehr Hochrisiko-Prozesse

Wenn sich Lorenz K. am Mittwoch im Wiener Landesgericht verantworten muss, herrschen besondere Sicherheitsvorkehrungen. Foto- und Filmverbot im gesamten Gebäude, zusätzliche Sicherheitskontrollen vor dem Saal und der ausdrückliche Wunsch an die Medien, die Namen der Richter und des Staatsanwalts nicht zu nennen. Auch beim laufenden Prozess gegen mehrere Tschetschenen, die eine Pizzeria in Hollabrunn in die Luft gejagt haben sollen, herrscht Fotoverbot. Maßnahmen, die immer öfter ergriffen werden.

Erstmals war das im Jänner 2015 der Fall, als in Krems, NÖ, der Prozess gegen den Dschihadisten Magomed Z. stattfand. Hochrisiko-Prozesse gibt es seither immer öfter.

20 bis 30 sind es allein jährlich in Graz. „Solche Prozesse koordinieren wir mit der Polizei“, sagt Barbara Schwarz, Sprecherin des Landesgerichts. Vor Kurzem war das etwa ein Drogenprozess im Umfeld der organisierten Kriminalität. „Da wurden auch Hunde eingesetzt.“ Das nächste Großereignis: Der Prozess gegen die Köpfe der Staatsverweigerer. Und als diese im Vorjahr ankündigten, selbst als Richter im Landesgericht auftreten zu wollen, wurden sogar sämtliche Prozesse abgesagt. Dadurch konnten die zahlreich erschienenen Anhänger gebeten werden, das Haus zu verlassen.

„Wir erfinden das Rad nicht jedes Mal neu. Wir haben Standards erarbeitet“, sagt Thomas Heiland, Kommandant der Einsatzeinheit der Polizei. Der bisher größte Einsatz war der beim Prozess gegen den salafistischen Prediger Mirsad O. nötig. Cobra, Einsatzeinheit und weitere Polizeikräfte waren vor Ort. „Nicht alle sichtbar“, sagt Heiland. Bei Bedarf wird die Umgebung des Gerichts auch mit Sprengstoffhunden kontrolliert.

Terror-Prozess beginnt

Kommentare