Technische Fachkräfte in Wien sehr stark gefragt

„Es gibt parallel ein Alternativprogramm, das auch recht attraktiv ist“, scherzt Walter Ruck, Präsident der Wirtschaftskammer Wien, am Donnerstagvormittag zu Beginn der Pressekonferenz und bezieht sich damit auf die zeitgleiche Präsentation des Regierungsprogramms der Dreierkoalition. Man werde sich daher bemühen, ebenfalls sehr interessante Inhalte vorzustellen.
Zum Einstieg erklärt Ruck, dass bis zum Jahr 2030 damit zu rechnen ist, dass knapp 60.000 Menschen der Babyboomer-Generation in Pension gehen. Dies koste der Wertschöpfung fast acht Milliarden Euro. Das Ziel müsse es sein, diese Entwicklung aufzufangen. Und das könne durch die Investition in die Bildung junger Menschen gelingen. Denn gerade in der Hauptstadt leben überproportional viele 15- bis 24-Jährige, was auch dem Zuzug geschuldet sei. Man müsse dieses junge Potenzial nutzen und dürfe es nicht im Sozialsystem verlieren.
Zu wenig qualifizierte Lehrlinge
Gemeinsam mit Vizebürgermeister und Bildungsstadtrat Christoph Wiederkehr spricht er folglich über die Ergebnisse der Wiener Bildungsbedarfsanalyse, für die 1.000 Wiener Unternehmen befragt wurden. Auffallend sei vor allem der negative Rekordwert bei den Lehrlingen. 57 Prozent sehen nämlich ein Unterangebot am Markt, ein stark ansteigender Trend, der sich seit Jahren zeigt. Drei Viertel sagen, dass deren Bildungsniveau schlecht sei. Gefragt sind Lehrlinge vor allem im Bereich Tourismus, Handel und Bau.
Am höchsten sei die Nachfrage der Wiener Unternehmen nach Absolventinnen und Absolventen von HTL und Fachhochschulen. Ein Drittel der Betriebe ortet einen Mangel an HTL-Absolvierenden. Besonders in den Bereichen Informatik, Elektrotechnik/Elektronik und Informationstechnologie wird Personal gesucht. Fast gleich hoch wie bei den HTL ist die Nachfrage im Fachhochschulbereich. Für rund 30 Prozent der Unternehmen gibt es zu wenige FH-Absolvierenden. Gefragt ist vor allem der Bereich Ingenieurwissenschaften (Technik) und Informatik.
KI und Handlungsbedarf
Auch spannend: Für 35 Prozent der Wiener Unternehmen sind KI-Anwendungen bereits relevant. Aktuell achtet mehr als ein Viertel im Recruiting bereits auf KI-Kompetenzen. Insbesondere rechtliche und regulatorische Aspekte von KI sowie die Qualitätsprüfung für KI-generierte Texte, Bilder, Audios, Videos und die organisatorische Implementierung von KI-Tools in Unternehmensprozesse werden zukünftig wichtig.
Insgesamt würden die Ergebnisse zeigen, wo Handlungsbedarf bestehe: Bildungspflicht einführen, mehr Wirtschaft in die Schule, mehr berufsbegleitende Studien:
- Bildungspflicht einführen: Insbesondere bei Pflichtschulabgängern nach der 9. Schulstufe zeigt sich, dass deren Bildungsniveau oft nicht für die Anforderungen der Wirtschaft ausreicht. Daher braucht es für jeden Schultyp und jede Schulstufe Mindest-Bildungsstandards, die die Schüler nachweislich erreichen müssen, um einen positiven Abschluss zu erhalten und in die nächste Schulstufe aufsteigen zu können. So wird sichergestellt, dass die Jugendlichen genug Wissen erwerben, um gut vorbereitet ins Arbeitsleben einsteigen zu können.
- Mehr Wirtschaft in die Schule: Derzeit ist die Vermittlung von Wirtschaftskompetenz in den Lehrplänen viel zu wenig verankert. Vielen Jugendlichen fehlt es daher an Wirtschaftskompetenz, an Verständnis für grundlegende wirtschaftliche Vorgänge und Zusammenhänge. Daher braucht es ein Pflichtfach „Wirtschaft“ ab der 5. Schulstufe, das grundlegendes Wirtschafts- und Finanzwissen beinhaltet. Zudem sollten in der 7. bis 9. Schulstufe in allen Schultypen eine umfassende Berufsinformation und Bildungsberatung sowie Talentechecks und Beratungsgespräche mit den Eltern Teil des Lehrplans sein. Dabei müssen den Schülerinnen und Schülern alle Ausbildungswege und beruflichen Möglichkeiten aufgezeigt werden - also z.B. auch Lehre und Matura oder Lehre nach Matura.
- Mehr berufsbegleitende Studien: Bei vielen Studienrichtungen an FH und Universität fehlt es an einem Angebot an berufsbegleitenden Möglichkeiten. Das wird aber von der Wirtschaft gefordert, weil die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sich so neben den theoretischen Grundlagen an den Hochschulen gleichzeitig auch die praktischen Skills direkt im Unternehmen aneignen können. Diese Schiene ist daher auszubauen.
Wiederkehr zum Abschluss: „Gute Bildung ist der Schlüssel für ein geglücktes, erfolgreiches Leben. Das gilt gleichsam für Arbeitende wie für Unternehmen. Die heurige Bildungsbedarfsanalyse zeigt eindeutig, dass nach wie vor eine hohe Nachfrage nach diversen Fachkräften in den Wiener Unternehmen vorherrscht. Je besser wir diese Fachkräfte ausbilden, desto größer ist der Mehrwert für alle Beteiligten.“
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