Schlupfloch: Non-binärer Pass dank deutschem Wohnsitz

Österreichischer Pass
Wer sich weder weiblich noch männlich fühlt, kann das Geschlecht in Österreich nicht ändern. Ein deutscher Wohnsitz macht’s möglich.

In Österreich weiblich, in Deutschland divers: Bis vor Kurzem hatte Emil R. zwei unterschiedliche Geschlechtseinträge. Am Papier änderte sich das Geschlecht bei jedem Grenzübertritt. „Eine absurde Situation“, wie Emil R. selbst sagt.

Emil R. ist 30 Jahre alt, hat die österreichische Staatsbürgerschaft, arbeitet in Deutschland und ist nicht-binär. Bedeutet: die Geschlechtsidentität weicht vom bei der Geburt zugewiesenen (biologischen) Geschlecht ab.

Für Emil R. wurde am Magistratischen Bezirksamt Wien 15/16 nun ein Reisepass mit dem Geschlechtseintrag „X“ ausgestellt, wie die MA 62 auf KURIER-Anfrage bestätig. Das Besondere daran: Das ist in Österreich eigentlich gar nicht möglich.

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Emil R. ist non-binär, fühlt sich also weder als Mann noch als Frau.

Der Grund: Der Eintrag im Reisepass leitete sich vom Eintrag im Personenstandsregister ab (siehe Infobox), zuständig ist die MA 63. Für Inter*- Personen (Geschlechtsmerkmale sind nicht rein männlich oder weiblich) ist es dort bereits möglich das Geschlecht auf „inter“, „divers offen“, oder „kein Eintrag“ zu ändern.

Geschlecht muss in allen EU-Ländern gelten

Im Gegensatz dazu gelten nicht-binäre Personen aufgrund ihrer körperlichen Merkmale eindeutig entweder als Frau oder Mann. Sie können ihren Eintrag nur von weiblich auf männlich oder umgekehrt ändern.

Der Wohnsitz in Deutschland macht Emil R. zu einem Sonderfall. In Deutschland erleichtert das Selbstbestimmungsgesetz seit 2024 die Änderung des Geschlechtseintrags. So auch für Emil R., dessen Eintrag in Bochum geändert wurde.

Im Oktober 2024 entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH), dass Geschlechts- und Namensänderungen, die in einem EU-Land durchgeführt wurden, von allen anderen EU-Ländern akzeptiert werden müssen: eine EU – ein Geschlecht, sozusagen.

Nur wenige Fälle bekannt

Der allererste Reisepass mit „X“ für eine nicht-binäre Person ist es jedoch nicht. Bei der MA 36 sind zumindest vier weitere Fälle bekannt, eine deutsche Wohnadresse liege bei all diesen Fällen aber nicht vor. Auf welcher Grundlage der Geschlechtseintrag geändert und in Folge Pässe mit einem „X“ ausgestellt wurden, ist nicht ganz klar.

„Wir wissen von zwei, drei Fällen, wo die Personenstandsbehörde das Geschlecht geändert hat, obwohl sie es nicht hätten tun dürften. Wir haben es stillschweigend dabei belassen, damit gegen die antragstellenden Personen kein Verfahren aufgerollt wird“, sagt der „Verein nicht-binär“.

Emil R. nahm bereits vor 2,5 Jahren in Österreich eine Namensänderung vor: „Dass ich auch den richtigen Geschlechtseintrag bekomme, hatte ich aufgegeben. Ich habe mich gegen den männlichen Eintrag entschieden, weil es sich nicht richtig angefühlt hat. Ebenso wie der weibliche.“ Der neue Pass sei „eine große Erleichterung. Getrübt wird die Freude davon, dass ich weiß, dass andere diese Möglichkeit nicht haben und viele darunter leiden.“

Auch beim Verein wird betont: „Mit einem kurzen Ausflug übers Deutsche Eck ist es nicht getan, eine Scheinanmeldung ist strafbar und stellt einen Meldebetrug dar.“ Gefordert werden „eine gangbare Lösung und ein Ende der Diskriminierung“.

„Mein Fall zeigt, wie absurd der Versuch ist, Geschlecht rechtlich zu definieren. Der Versuch stürzt den Gesetzgeber in eine Krise. Es wird auch international viel über Transpersonen diskutiert. Dabei wollen wir nur auf das Klo gehen, das sich richtig anfühlt, und den Geschlechtseintrag im Pass haben, der sich richtig anfühlt – und fertig“, sagt Emil R.

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