Österreichs Beamte: "Die Hofräte, die bleiben"
Sektionschef mit Dienstwagen und Chauffeur, „Habe d’Ehre, Herr Hofrat“, „Kompliment Herr Amtsdirektor“. So stellt man sich den klassischen Beamten vor, ohne dabei an Zehntausende Lehrer, Schaffner, Briefträger und Polizisten zu denken, die das eigentliche Heer der Staatsdiener bilden. Und deren Privilegien sich ebenso in Grenzen halten wie das Salär, das diese Woche um durchschnittlich 3,5 Prozent erhöht wurde, womit Demonstrationen und befürchtete Streiks abgewendet werden konnten.
Doch selbst der kleinste Diener der Republik lebt heutzutage im Paradies, vergleicht man sein Schicksal mit dem der Hofschreiber, Offiziale und Konzeptbeamten in früheren Jahrhunderten. Denn die zählten wirklich zu den Ärmsten der Armen.
Seit Maria Theresia
Beamte im heutigen Sinn gibt es seit der Zeit Maria Theresias, seit Mitte des 18. Jahrhunderts also. Bis dahin beschäftigten Aristokraten auf eigene Kosten Schreiber und Steuereintreiber als „Amtleute“ für den Staat und sicherten sich damit die Gunst des Herrscherhauses. Erst mit Maria Theresias Staats- und Beamtenreform entstand ein von der öffentlichen Hand finanzierter Behördenapparat. Dem „Staat zu dienen“ wurde somit ein Posten für jedermann.
Ein schrecklicher Posten zumeist! Ehe er Beamter war, musste der Bewerber (Frauen waren weit weniger darunter) als Praktikant arbeiten. Und das ohne jegliche Besoldung. Es gab Praktikanten, die bis zu zwölf Jahre auf ihre Anstellung warten mussten.
Endlich Beamter geworden, führte der kleine und mittlere Staatsdiener nach wie vor ein Leben in bitterer Not. „Wohnungsmieten wurden immer unerschwinglicher, sodass zahlreiche Beamte aus Wien in entfernte Vororte übersiedelten“, schreibt Bruno Schimetschek in dem Standardwerk „Der österreichische Beamte“. Bekannt wurde auch der Fall eines Staatsdieners, der abends verbotenerweise ein Wirtshaus betrieb, um seine Familie ernähren zu können, andere waren nebenbei als Hausmeister tätig oder bettelten nach Dienstschluss auf offener Straße um Almosen. Zitat aus einem Polizeibericht des Jahres 1812: „Offiziere und Beamte hungern und borgen sich groschenweise, weil ihnen niemand mehr einen Gulden anvertraut.“
Auch Österreichs berühmtester Beamter, Franz Grillparzer, musste vier Jahre auf seine Anstellung warten. Als kleiner Beamter der Hofkammer feierte er erste schriftstellerische Erfolge, als berühmter Mann im Finanzministerium wurde er dann mit Rücksicht auf seine künstlerische Tätigkeit „geschont“, wie seinem Tagebuch zu entnehmen ist: „Um 12 Uhr mittag ins Büro. Keine Arbeit vorgefunden.“ Zum Direktor des Hofkammerarchivs aufgestiegen, notierte Grillparzer: „Ich will die Amtsstunden einhalten, will fleißig sein, aber ich nehme mir zugleich vor, jeden Tag im Amtslokale etwas Poetisches zu arbeiten.“ In dieser Zeit entstanden einige seiner bedeutendsten Werke. Anlässlich der Pensionierung wurde der große Dramatiker Hofrat ernannt.
Pensionsberechtigung
Einmal abgesehen vom Sonderfall Grillparzer, herrschte in der Monarchie ein „Griss“ um jeden einzelnen Staatsposten, auf den bis zu 50 unbezahlte Praktikanten warteten. Den Grund für diesen geradezu masochistischen Ansturm auf ein Leben im finanziellen Elend bildete ein Zauberwort, das anderen Berufsgruppen fremd war: die Pensionsberechtigung! Darüber hinaus wurden Orden, Amtstitel und Beförderungen zu einem Anreiz, der dem Staat meist keinerlei Kosten verursachte. Höheren Beamten war auch der Umstand wichtig, dass sie in eindrucksvollen Uniformen (die sie selbst zahlen mussten) als „Respektspersonen“ galten und am Ende ihrer Laufbahn geadelt werden konnten.
Metternichs Ende
Als Staatskanzler Metternich 1848 von der Revolution aus seinem Büro am Ballhausplatz gejagt wurde, fragte ihn ein besorgter Beamter: „Was soll denn jetzt aus uns werden, wenn Durchlaucht uns verlassen?“
„Beruhigen Sie sich, lieber Hofrat“, antwortete Metternich, „Kaiser werden in Österreich gestürzt, Regierungen kommen und gehen – aber die Hofräte, die bleiben!“
Auch die kleinen Ofenheizer, Gerichtsdiener und Offiziale waren treue Diener ihres Herrn. Sie verspürten unter Kaiser Franz Joseph – der sich selbst als „ersten Diener“ seines Reichs sah – eine Aufwertung ihres Ansehens und eine Sicherung ihrer Existenz. Spätestens in der Ersten Republik, als die große Arbeitslosigkeit einsetzte, wussten sie, was es bedeutet, „pragmatisiert“, also so gut wie unkündbar, zu sein.
Er hat nix, das aber fix
Im Jahr 1935 sang der Kabarettist Hermann Leopoldi in einem Loblied auf den österreichischen Beamten:
„Ein kleiner Herrgott auf sein’ Thron/Is so a Amtsperson…/ Er hat am Ersten nix/Er hat am Zweiten nix/Doch was er hat, das hat er fix.“
Das lange übliche Unwesen, Praktikanten unbezahlt auf einen Beamtenposten warten zu lassen, führte unweigerlich zu Schmiergeldzahlungen und Korruption. „Heutzutag gibt es Beamte“, war ein geflügeltes Wort, „die nehmen schon so kleine Beträge, dass man geradezu von Unbestechlichkeit reden kann“.
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