Neuer Chef der Berufsfeuerwehr: "Die Uniform ist für mich wie eine Rüstung"
Dass Wien Feuer mit Rauch bekämpft – oder ähnliche Wortwitze – hat der neue Chef der Berufsfeuerwehr, Mario Rauch, in seiner Laufbahn en masse gehört. Seinen Humor hat der 44-Jährige trotz zahlreicher heikler Einsätze nie verloren. Im KURIER spricht er über tragische Momente, den Feuerwehrkalender und seine bisher wohl größte Aufgabe.
KURIER: Welcher Einsatz hat Sie in fast 20 Jahren Feuerwehr am stärksten geprägt?
Mario Rauch: Dass man ausfährt und Hilfe leistet, ist für viele das Größte an dem Beruf. Aber es belastet auch. Das beginnt nach der Feuerwehrjugend, wenn man mit 16 Jahren zu Unfällen kommt und eingeklemmte Menschen in Autowracks sieht. Herausfordernd war auch die Preßgasse (Gasexplosion im vierten Bezirk mit zwei Toten im Jahr 2019, Anm.). Der Moment, wenn man ums Eck biegt und ein halber Gemeindebau liegt in Trümmern, ist prägend.
Wie geht man damit um?
Als Feuerwehr sind wir der „Troubleshooter“. In solchen Situationen muss ich das Chaos lenken. Für die Zeit danach entwickelt man Mechanismen – speziell im Gespräch mit Kameraden. Persönlich halte ich es so, dass die Uniform eine Rüstung ist. Im Einsatz bin ich ein anderer, ein Teil einer Einheit. Damit bin ich nicht nur physisch geschützt, sondern auch psychisch. Wenn ich die Uniform ablege, dann nehme ich das Erlebte nicht mit nach Hause.
Sie blicken auf eine lange Feuerwehrkarriere zurück. War das immer der Plan?
So wie es am Land ist, war ich familiär geprägt. Mein Vater war bei der Feuerwehr und dann geht man halt zur Feuerwehrjugend. Nach dem Studium in Graz bin ich durch meine Frau in Wien und bei der Berufsfeuerwehr gelandet.
Der Job ist gefährlich. Macht sich das Umfeld Sorgen?
Sorgen gemacht hat sich meine Frau nie, weil sie weiß, dass man in der Gruppe ist und eine gute Ausbildung hat. Dass es manchmal ein mulmiges Gefühl gab, kann sein. Gefürchtet hat sie sich aber nicht, wir sind gemeinsam in das Thema hineingewachsen.
Sie haben die Gruppe angesprochen. Wie wichtig ist Ihnen Kameradschaftlichkeit?
Sehr. Corona hat das Wacheleben verändert. Der Betrieb musste in gewissen Bereichen getrennt werden. Allgemein gab es früher weniger Einflüsse wie Handys oder Social Media. Man ist zusammengesessen, hat Karten gespielt oder geredet. Zusammenhalt ist so wichtig, weil wir bei der Feuerwehr eine Einheit sind, die gemeinsam fast jedes Problem lösen kann.
Fahren Sie künftig noch aus?
Grundsätzlich habe ich jetzt eine taktisch-strategische Position. Je weiter man in der Hierarchie nach oben kommt, desto weniger ist man auf der Straße. Bei großen Einsätzen werde ich vor Ort sein – als Schnittstelle zu Magistrat und Politik. Aber nicht, um den Kollegen zu erklären, wie ihr Job funktioniert. Die wissen, was sie tun.
Sind Sie stolz, dass Ihre Leute in solchen Situationen einen kühlen Kopf bewahren?
Auf jeden Fall. Samt Verwaltung bin ich für rund 2.000 Leute zuständig. Eine Herkulesaufgabe und große Verantwortung. Gleichzeitig kenne ich viele Mitarbeiter persönlich. Ich weiß, was die zu leisten im Stande sind.
Welche Themen wollen Sie jetzt angehen?
Hürden sind die Stadt- und Technologieentwicklung. Wien verändert sich, die Bevölkerung wächst. Flächen werden den Menschen zurückgegeben. Das ist positiv, aber wir müssen Fuhrpark, Ausrüstung und Ressourcen adaptieren. Der technische Fortschritt hat für uns immer zwei Seiten. Dinge wie Drohnen oder Robotik sind große Hilfen, gleichzeitig entstehen durch Photovoltaik oder E-Autos neue Gefahren. Technische Systeme können zudem ausfallen. Wissen, Ausbildung und der Mensch dahinter bleiben das höchste Gut.
Spielt der Klimawandel eine Rolle?
Extreme Wetterereignisse wie Starkregen nehmen zu. Einsatztechnisch stellen wir uns darauf ein. Generell finde ich, die Feuerwehr sollte ein starker Klimaschützer sein.
Sind mehr Frauen bei der Berufsfeuerwehr ein Thema?
Das ist ein Fokus von mir. Bei uns müssen alle dasselbe leisten. Eine Person, die vor einem Brand gerettet wird, der ist es egal, wer sie rauszieht. Es gibt viele Frauen, die das können. Ich will nicht auf das Potenzial der halben Bevölkerung verzichten. Wir haben aktuell fünf Feuerwehrfrauen, die unter Atemschutz ausrücken. Mehr wären sicher gut für das Teamklima.
2.000 Mitarbeiter, neue Aufgaben: Was ist Ihr Ausgleich?
Ich wohne am Stadtrand und fahre mit dem Rad in den Dienst. Einerseits als Training, andererseits zum Runterkommen. Das sind 20 Kilometer, da kann ich meine Gedanken sortieren. Daneben ist mein größtes Hobby die Technik. Ich habe immer wieder Bauprojekte mit meiner Tochter und meinem Sohn. Meine Familie hat einen sehr hohen Stellenwert.
Eifern Ihnen die Kinder nach?
Natürlich ist eine Begeisterung für die Feuerwehr da. Hin und wieder besuchen sie mich auf der Wache. Die Autos, die Geräte und die Uniformen faszinieren sie.
Waren Sie schon einmal im Feuerwehrkalender oder wird man Sie dort je sehen?
Bisher nicht. Vielleicht passiert es ja noch. Es gibt schon schöne Fotos von mir, aber ich werde mich nicht ausziehen (lacht, Anm.). Spaß beiseite, es gibt genug Bewerber und die arbeiten teils jahrelang darauf hin. Diese Kollegen sind schon sehr fit. Da müsste ich wohl noch trainieren.
Kommentare