Zwei Jahre hat er für das gleichnamige Buch (Hanser Verlag, 22,70 €) in Archiven gestöbert, Literatur gewälzt, Zeitungs- und Online-Artikel gelesen sowie Aussagen, Briefe und Memoiren von Zeitzeugen ausgewertet. Die Datenlage war teils sehr dünn. Wissenschaftler vernachlässigten das Thema wohl, weil sie befürchten, „dass der Fokus auf die Tiere zu einer Bagatellisierung der menschlichen Opfer führe“.
Mohnhaupt schaffte auf 256 Seiten den Spagat. Seine historischen Reportagen beginnen mit dem „Zoologischen Garten Buchenwald“, den KZ-Häftlinge zum Gaudium der SS-Lagerleitung und deren Besucher für Affen, Bären, Vögel und Goldfische errichten hatten müssen. Sie enden mit der Tötung Blondis im April 1945 durch Blausäure; die „großdeutsche Reichshündin“ sollte im Bunker testen, wie rasch das Gift tatsächlich wirkte.
Manche wurden als Herrentiere stilisiert, andere als Schädlinge diffamiert
Ob Haustier, Zootier oder Nutztier: „In allen Geschichten zeigt sich die Ideologie der Nazis und wie widersprüchlich sie war“, sagt Mohnhaupt auch fünf Jahre nach Erscheinen seines Buches. Da waren zum Beispiel die Katzen. Einerseits galten sie als „jüdische Tiere“, „tückisch, falsch und asozial“, andererseits wurden sie gerade wegen ihres starken Charakters als Herrentiere gefeiert. Dank ihres Appetits auf Mäuse schätzte man sie nicht zuletzt als „hygienische Helfer der Volksgesundheit“. Nur Arier durften sie halten.
NS-Gesetze Tierschutz und Jagd wirkten lange nach
Majestätische Großkatzen wiederum standen bei hohen Tieren des Dritten Reichs hoch Kurs. Hermann Göring, bekannt für sein Faible für Extravaganz, umgab sich gerne mit jungen Löwen. Frönte der Oberbefehlshaber der Luftwaffe seiner Jagdleidenschaft, sperrte er „Mucki“ im Badezimmer ein.
Apropos Jagd: Manche Regel der deutschen Weidgerechtigkeit von damals hat heute noch Bestand. Auch das Reichstierschutzgesetz aus 1934 blieb im Wesentlichen bis 1972 erhalten. Es basierte auf derselben Unterscheidung von „nützlich“ und „lebensunwert“ wie die völkische Rassentheorie, urteilen Historiker.
Mit Seidenraupen und Kartoffelkäfern wurde Stimmung gemacht
„Von den Insekten war ich überrascht“, erinnert sich Mohnhaupt an das Quellenstudium. Von seinen Großeltern kannte er zwar die Mär, dass der Erzfeind Frankreich Kartoffelkäfer über den Feldern abgeworfen hätten, um die „Volksernährung“ zu gefährden. (In Wirklichkeit hatten die Deutschen selbst mit den Ernteschädlingen experimentiert.)
Auf die Seidenraupen stieß er aber „nur durch Zufall“: Mehr als 20.000 Schulen von der Nordseeküste bis in die Ostmark folgten dem Aufruf, sich täglich um die kleinen Tiere zu kümmern; Maulbeerbäume wurden gepflanzt. Die Spinner sollten satt Seide produzieren, damit die Wehrmacht mit Fallschirmen ausgestattet werden konnte. Bereits Volksschulkinder wurden so mit NS-Gedankengut indoktriniert, auf Fleiß und Treue eingeschworen – und auf den Krieg vorbereitet.
Arier beanspruchten Schweine für sich
„Sehr spannend von ihrer Bedeutung waren die Schweine, aber da fand ich anfangs nur wenige Informationen“, sagt Mohnhaupt.
Da das Borstenvieh im Judentum und im Islam als unrein gilt, beanspruchten die Arier das Nutztier für sich. Es sollte dereinst das deutsche Volk im 1000-jährigen Reich ernähren. Im Laufe des Krieges freilich wurde die Zucht zurückgefahren. Schweine waren zu Nahrungskonkurrenten des Menschen geworden. Hitler selbst war Vegetarier.
Die Haltung gegenüber Kriegspferden war ambivalent
„Material zu den Kriegspferden lag genug vor. Aber was bedeutete es für den Soldaten, ein Pferd unter schwierigen Bedingungen versorgen zu müssen“, stellte Mohnhaupt die Frage. Feldpost lieferte – ambivalente – Antwort. Dem Kamerad Pferd, der – ganz Leidensgenosse – unverschuldet an die Front geraten war, standen bald die letzten Nahrungsreserven gegenüber. Am Ende des Krieges hatten 1,8 Millionen Zug- und Reittiere mit dem Leben bezahlt, zuletzt wurden nicht nur ihr Fleisch gegessen.
Was werden spätere Generation denken?
„Ich stoße immer wieder auf Quellen, die es zeitlich nicht ins Buch geschafft haben“, zieht Jan Mohnhaupt heute Bilanz und blickt ohne ideologische Färbung in die Zukunft: „Wenn spätere Generationen auf uns zurückschauen, auf den Klimawandel, das Artensterben, auf die Aneignung der Umwelt und die Vorstellung vom Menschen als Krone der Schöpfung, dürften die sich fragen, ob wir so viel weiter gekommen sind.“
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