Nasenzeugen gesucht: Was stinkt den Wienern

Überall Reklame, flackernde Bildschirme, ständig das Smartphone in der Hand: Wegen der vielen visuellen Reize, von denen wir umgeben sind, hätten wir den ganzen Fokus auf die Augen gelegt und verlernt, was wir sonst noch spüren oder wahrnehmen.
Das sagt Stephanie Weismann, Initiatorin eines Projekts der Universität Wien, das sich mit dem Geruchssinn beschäftigt.
Grätzel erschnüffeln
Unter dem Motto „Wien der Nase nach“ will sie herausfinden, wie Wienerinnen und Wiener ihr Grätzel über die Nase wahrnehmen. Worüber sie die Nase rümpfen, wo sie sich wohlfühlen oder auch welche Erinnerungen ein bestimmter Geruch mit sich bringt.
„Es geht also nicht unbedingt um typische Wiengerüche, sondern vielmehr darum, welche Erfahrungen, Gefühle und Geschichten mit den erinnerten bzw. vorgefundenen Gerüchen verbunden werden“, erklärt Weismann.
Ganz ohne die typischen Gerüche geht es aber auch nicht – sie werden immer wieder angesprochen. Man denke nur an den markanten Geruch der U-Bahnstation am Stephansplatz.
Typisch Wien
Selbst wohnt sie in Hernals, ein Bezirk, der von den Gerüchen von Ottakringer Brauerei und Manner Fabrik geprägt ist.
„Wien der Nase nach“ ist ein von der Stadt Wien gefördertes „Citizen-Science-Projekt“, bei dem Wissenschaft mit Bürgerbeteiligung betrieben wird. Sprich: Jeder kann mitmachen und trägt damit zu neuem Wien-Wissen bei.
„Nicht nur Wissenschafter können forschen, jeder von uns ist Experte für sein eigenes Umfeld“, so Weismann. „Oft wissen wir selbst gar nicht, was wir alles wissen.“
Geruchserfahrung online teilen
Auf einer digitalen Wiener Geruchskarte können Wienerinnen und Wiener nun ihr Expertentum unter Beweis stellen und ihre persönlichen Geruchsbegegnungen und -geschichten eintragen (siehe auch Infobox). Die Teilnehmenden tragen als Nasenzeugen zur Aufarbeitung der Geschichte ihrer Stadt bei.
Initiatorin
Stephanie Weismann ist die Initiatorin des Projekts „Wien der Nase nach“. Gefördert wird es von der Stadt Wien
Geruchskarte
Auf digitalen Wiener Geruchskarte können Wiener und Wienerinnen ihre persönlichen Geruchsmomente eintragen. Zur „Smell-Map“ und zur „Smelfie“-Anleitung kommen Sie unter www.wienriecht.at
Workshops
In Floridsdorf und Hernals werden Workshops für Jugendliche und Senioren angeboten. Es geht dabei unter anderem um die Schulung der eigenen Körperwahrnehmung
Das Riechen war immer schon ein wichtiges Instrument, um lokale Missstände herauszufinden. „Stadtplaner, Ärzte, Gesundheitsämter und Umwelttechniker haben seit jeher ihre Nasen eingesetzt. Aber auch wir gebrauchen täglich unbewusst unsere Nase, um unsere Umwelt auf Gefahren, z. B. saure Milch oder Hundstrümmerln, aber auch auf Frühlingsgefühle hin zu prüfen“, sagt Weismann.
Gerüche können starke Gefühle auslösen
Eine intensivere Beschäftigung mit der Geruchswelt ermöglicht neue Erkenntnisse: Gerüche können starke Gefühle auslösen – Sympathie und Wohlbefinden wie auch Widerwillen haben oft mit Gerüchen zu tun.
In dem wissenschaftlichen Projekt wird gemeinsam erforscht, was Geruchserfahrungen und Gefühlsmomente über das Leben im Grätzl erzählen und damit über Lebensqualität und Lokalgeschichte.
Richtiger Riecher
Wo können Stadtplaner ansetzen, worüber „wird die Nase gerümpft“? Welches Viertel steht „in schlechtem Ruch“? All das beschäftigt die Wissenschafterin. Neben der Geruchskarte werden auch Riech-Workshops angeboten. Im Fokus stehen dabei zwei Zielgruppen: Jugendliche (14-18 Jahre) und Seniorinnen und Senioren (60+).
Als lokale Experten erkunden, formulieren, dokumentieren und diskutieren sie die Geruchswelt und Geruchsgeschichte ihres Grätzls. Die Teilnehmer werden dabei für Gerüche im Stadtraum sensibilisiert, es geht um die Schulung der eigenen Körperwahrnehmung, Selbstreflexion und Empowerment durch Schreiben sowie die gemeinsame Erkundung von Stadtgeschichte(n) der Nase nach.
Für Leute mit dem richtigen Riecher: Anmelden kann man sich unter: www.wienriecht.at unter dem Punkt „Smell-Workshops“, zur Geruchskarte beitragen kann man unter „Smell-Map“.
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