Millionenschaden über willhaben und vinted: So lief der Betrug in Österreich

Derzeit gibt es auf Willhaben eine Betrugsmasche, bei der Betrüger*innen unter falschem Namen Waren bestellen.
Versuchter Mord, Brandstiftung, Erpressung, Kinderpornografie und Betrug: Die Liste an Delikten, die den sieben Drahtziehern des Kartells vorgeworfen wird, ist lang. Das Netzwerk agierte von einer Farm in Riga aus und verübte Straftaten in über 80 Ländern. Sie waren im "Cybercrime-as-a-Service"-Bereich tätig - sie stellten demnach die technische Infrastruktur für Erpresser und Betrüger bereit.
Gemeinsam mit Europol und Eurojus konnten Ermittler aus Österreich, Lettland und Estland dem Kartell mehr als 3.200 Betrugsfälle zuordnen. Mehr als die Hälfte davon, konkret 1.700 Straftaten, fanden hierzulande statt, 1.500 in Lettland. Der Schaden beläuft sich derzeit auf 4,5 Millionen Euro. "Das ist der derzeitige Ermittlungsstand. Wir gehen aber davon aus, dass die Summe noch weiter steigen wird", sagte Andreas Holzer, Direktor des Bundeskriminalamts.
Über speziell entwickelte Online-Plattformen boten die Täter anderen Kriminellen anonymisierte Telefonnummern an, die auf fremde Identitäten in über 80 Ländern registriert waren. "Allein in Österreich waren 4.000 Sim-Karten auf dieses Netzwerk registriert. Sie verwendeten dabei entweder ihre eigene Identität, die von Angehörigen oder die fremder Personen", erklärte der Salzburger Landespolizeidirektor Bernhard Rausch.
"Opfer auf willhaben und vinted gelockt"
In Österreich kamen die Ermittlungen vor etwa drei Jahren wegen zunehmender Betrügereien auf Second-Hand-Plattformen ins Rollen. "Die Opfer werden dabei auf willhaben oder vinted angelockt und dann auf eine andere Website weitergeleitet, bei der sie ihre Daten eingeben müssen", erklärte Nina Bussek, Sprecherin der Wiener Staatsanwaltschaft. Die Ermittlungen führten dann rasch ins Ausland, vor allem nach Estland und Lettland.
Am 10. Oktober kam es in Lettland schließlich zu 26 Haus- und Fahrzeugdurchsuchungen. Dabei wurden insgesamt 1.200 Sim-Boxen und rund 40.000 Sim-Karten sichergestellt. "Es gab insgesamt fünf Server, auf denen die Daten aus den letzten drei Jahren gespeichert waren. Wir haben rund 50 Millionen-User-Accounts gefunden", führte Holzer weiter aus.
Sieben Festnahmen
Darüber hinaus stießen die Ermittler auch auf Vermögen: So konnten sie Kryptowährungen in Höhe von rund 333.000 US-Dollar sicherstellen, Bargeld von 441.000 Euro und hochwertige Fahrzeuge wie einen Porsche Macan oder zwei Tesla Model 3. Auch ein Schreckschussrevolver wurde gefunden. Bei dem Einsatz wurden fünf Letten festgenommen. Zwei weitere Festnahmen erfolgten in Estland, darunter auch ein Hauptverdächtiger, der dort bereits wegen versuchten Mordes und Erpressung in Haft saß.
Wer waren nun die Kunden des Netzwerks? Zu den Nutzern zählten Täter aus nahezu allen aktuellen Cybercrime-Bereichen, betonte man seitens der leitenden Beamten am Freitag im Rahmen eines Pressegesprächs: Betrugsgruppen aus dem Paylivery (Bezahldienst auf willhaben) oder Vinted-Bereich, Täter des "Tochter-Sohn-Betrugs" über WhatsApp, Investmentbetrüger sowie Betreiber von Fake-Shops oder gefälschten Bank-Webseiten.
Flüge gebucht, um Sim-Karten zu kaufen
"Die Täter buchten dafür Flüge und Hotels und reisten in verschiedene Länder. Dort organisierten sie sich Mietautos und fuhren in Supermärkte, um diese Sim-Karten in großen Mengen zu kaufen", schilderte der Salzburger Landespolizeidirektor das Vorgehen der Täter. Trotz der Festnahmen seien die Ermittlungen aber noch nicht abgeschlossen, betonte Nina Bussek von der Wiener Staatsanwaltschaft.
Auch Innenminister Gerhard Karner äußerte sich zur Zerschlagung des Netzwerks: „Der aktuelle Erfolg des Bundeskriminalamtes und des Landeskriminalamtes Salzburg zeigt einmal mehr: Die enge internationale Kooperation ist entscheidend im Vorgehen gegen die internationale Kriminalität. Unsere Spezialistinnen und Spezialisten genießen weltweit einen ausgezeichneten Ruf."
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