"Alles gurgelt": Vom Erfolg zum "Rachefeldzug“

Er ist das unbekannte Gesicht von Lead Horizon. Jener Firma, die in der Pandemie durch „Alles gurgelt“ allgegenwärtig war. Dessen Erfolg sogar zur Spiegel-Schlagzeile gereichte. Jetzt ist er im Fokus der Justiz.
Michael Putz (47), Gründer der Lead Innovation GmbH, ist nicht nur im Rechtsstreit mit einem deutschen Medizinunternehmen, sondern auch mit seinem ehemaligen Geschäftspartner.
Virologe Christoph Steininger, den Putz selbst „als Gesicht nach außen“ für Lead Horizon ausgesucht hat, hat Putz wegen des Verdachts der Untreue, Urkunden- und Beweismittelfälschung angezeigt.

Michael Putz
Steininger, Chef der Forschungsgruppe Virusinfektionen an der MedUni Wien, dereinst gewerberechtlicher Geschäftsführer von Lead Horizon, hält 26,3 Prozent an Lead Horizon – und von Putz nicht viel, wie aus seiner Anzeige bei der Staatsanwaltschaft Wien hervorgeht.

Christoph Steininger
Unter anderem wirft Steininger Putz vor, die vermögensrechtlichen Interessen der Firma verletzt zu haben. So sei Putz nach ihm zum Sicherheitsbeauftragten ernannt worden, ohne die notwendigen Qualifikationen zu haben. Auch bei den Tests selbst soll geschlampt worden sein, so Steiningers Vorwurf. Ein Wechsel der Pufferlösung bei den PCR-Tests habe zu einer Verschlechterung der Qualität beigetragen. Putz habe zudem den Umbau seines Büros der gemeinsamen Firma verrechnet.
„Gesicht nach außen“
„Das alles ist ein Rachefeldzug von Christoph Steininger, weil er es nicht verkraftet hat, als Geschäftsführer aufgrund von Fehlleistungen abberufen worden zu sein. Er ist blind vor Wut und gekränkt“, sagt Michael Putz im Gespräch mit KURIER und profil.
Begonnen habe die Geschichte im ersten Lockdown mit einer gemeinsamen Laufrunde. „Auf der Suche nach einem Gesicht nach außen bin ich über einen Zufall auf Dr. Steininger gestoßen“, so Putz. Man habe sich gleich gut verstanden. Steininger wollte für seine Patienten da sein, deshalb habe sich seine Tätigkeit „in der Lead Horizon von Anfang an auf die gewerberechtliche Geschäftsführung beschränkt“.
Michael Putz über das Kennenlernen mit Dr. Christoph Steininger
"Wir sind angetreten, um die Pandemie zu verkürzen und durften keine Zeit verlieren. Auf der Suche nach einem Gesicht nach außen bin ich über einen Zufall auf Dr. Steininger gestoßen. Wir haben uns im Lockdown zu einer Laufrunde verabredet und uns gleich gut verstanden. Steininger war der Meinung, dass ein Virologe in der Pandemie für die Patientinnen und Patienten da sein muss. Deshalb hat sich die Tätigkeit von Dr. Steininger in der Lead Horizon von Anfang an auf die gewerberechtliche Geschäftsführung beschränkt. Er war das Gesicht nach außen für die Presse, ich der Mann im Hintergrund, bis Dr. Steininger mehr wollte.“
... über Steiningers Forderungen
"Herr Steininger hat seine Meinung geändert und wollte nicht mehr Vollzeit im Krankenhaus arbeiten, sondern sich mit 20 Stunden im Unternehmen betätigen. Später wollte er einen unbefristeten Konsulentenvertrag über 10.000 Euro pro Monat, das habe ich aus rechtlichen Gründen abgelehnt.
... über die Trennung
„Das alles ist ein Rachefeldzug von Christoph Steininger, weil er es nicht verkraftet hat, als Geschäftsführer aufgrund von Fehlleistungen abberufen worden zu sein. Er ist blind vor Wut und gekränkt. Der frömmste Mensch kann nicht in Frieden leben, wenn es den lieben Nachbarn nicht gefällt. Ich bin ein friedfertiger Mensch, aber ich weiß auch, mich gegen unberechtigte Angriffe zu verteidigen.“
... über die Veränderung der Pufferlösung
"Die Lösung, die wir jetzt haben, war – das beweisen zahlreiche Studien – mindestens gleich gut, wenn nicht sogar besser als die, die wir vorher hatten. Die Pufferlösung hatten wir anfangs, weil die Tests hohen und kalten Temperaturen standhalten mussten, da sie per Post transportiert wurden. Es gab nachweislich keinen Qualitätsverlust.“
Über seine Position als Sicherheitsbeauftragter
„Erstens: Ich habe das Thema Sicherheit zur Chefsache gemacht. Zweitens: Ich verfüge sehr wohl die über die fachliche Kompetenz, das zu managen, weil ich seit 2005 Innovationen für Medizinprodukte herstelle und für die Pharmaindustrie entwickelt habe. Drittens: Im Management kenne ich mich sicher besser aus als Steininger, da ich Unternehmer bin und er ist Arzt. In der Qualitätssicherung ging es darum, Qualitätsmanagement zu betreiben und mit externen Lieferanten aufzubauen. Der einzige Formalfehler, der passiert ist: Im Medizinprodukte-Register wurde der Name „Christoph Steininger“ nicht gelöscht.“
... über finanziellen und Image-Schaden von Lead Horizon durch die Anzeige
„Das kann ich nicht sagen. Ich strebe auch keinen Rechtsstreit an. Ich will in die Zukunft schauen, mich mit anderen Themen beschäftigen, die mir wichtig sind. Der Schaden, der für die Lead Horizon und mich persönlich bereits entstanden ist, kann nicht wieder gut gemacht werden!“
... über Lead Horizon
"Mein Ziel ist es, die Firma zu schließen, denn der Unternehmenszweck – die Bekämpfung der Pandemie – ist vorbei. Derzeit sind noch vier Mitarbeiter beschäftigt, in der Intensivphase waren es 40 KollegInnen, die hervorragende Arbeit geleistet haben.“
... über seinen finanziellen Erfolg
"2022 forderte Dr. Steininger für seine Firmenanteile 38 Millionen Euro. Der Jahresabschluss 2022 liegt noch nicht vor. 2021 erzielten wir einen Gewinn von 20 Millionen Euro. Dafür haben wir auch eine erhebliche Summe Steuern bezahlt.“
... über weitere Projekte
"Ich habe in den vergangenen 20 Jahren des Bestehens meiner Firma Lead Innovation über 300 Innovationen entwickelt, meistens im Auftrag von großen Unternehmen. Dazu gehören Blutzuckermessgeräte bis hin zu Fenster-Zuzieh-Hilfen. Jetzt beschäftigen wir uns mit Projekten zur Bewältigung der Energiekrise. Ich bin sozial engagiert und unterstütze Hilfsprojekte in Pakistan und Senegal wie etwa die Entwicklung von Bildungseinrichtungen für Frauen.
Die letzte rechtliche Auseinandersetzung hatte ich vor 10 Jahren – damals ging es um einen Markenrechtsstreit mit Herrn Rosam, den ich gewonnen habe.“
... über Miete und Umbau der Büroräumlichkeiten
"Die Lead Innovation hat die Büroräumlichkeiten im Unternehmensinteresse der Lead Horizon zur Verfügung gestellt und vermietet, weil wir aufgrund der Langfristigkeit von Mietverträgen keine anderen Büros anmieten konnten. Es war klar, dass die Pandemie nicht ewig dauern wird. Es ist also das genaue Gegenteil von Untreue und es ist völlig absurd mir vorzuwerfen, ich hätte nicht im Sinne von Lead Horizon gehandelt.“
... über Österreich als Testweltmeister
"Wir hätten noch mehr testen müssen und sollen, denn Fakt ist, dass ein Test hilft, das Infektionsgeschehen zu unterbrechen. Es wäre unfair, wenn jetzt nach der Pandemie die Möglichkeit der Tests schlechtgeredet wird. Ich habe mir gewünscht, dass wir mit den „Alles gurgelt“-Tests möglichst viele Menschenleben retten. Und ich glaube, es wäre noch mehr gegangen.“
Die Zusammenarbeit zwischen Putz und Steininger endete schließlich im August 2021 mit der Absetzung Steiningers als Geschäftsführer.
Seither kommunizieren beide nur über ihre Anwälte. Versuche einer Mediation schlugen fehl. „Der Schaden, der für die Lead Horizon und für mich persönlich entstanden ist, kann nicht wieder gutgemacht werden“, sagt Putz. Steininger selbst ist zu keiner Stellungnahme bereit.
"Wahrer Grund für Abberufung"
In einem dem KURIER vorliegenden Gerichtsprotokoll aus dem Dezember 2022 geht hervor, dass sich der Trennungsgrund aus Steininigers Sicht völlig anders darstellt. Demnach sei der Virologe auf Ungereimtheiten gestoßen, die für ihn darauf hindeuteten , dass die Firmenanteile zugunsten von Putz verschoben werden könnte. Steininger stellt Nachforschungen an und gerät damit in Konflikt mit seinem Geschäftsführer. „Ich glaube also, dass der wahre Grund für meine Abberufung war, mich von den Informationen fernzuhalten“, wird Steininger im Protokoll zitiert.
38 Millionen Euro
Zwischenzeitlich versuchte Steininger, seine Firmenanteile zu verkaufen. „2022 forderte Dr. Steininiger für seine Anteile 38 Millionen Euro“, sagt Putz. Zur Relation: „2021 erzielten wir einen Gewinn von 20 Millionen Euro. Dafür haben wir auch eine erhebliche Summe an Steuern bezahlt.“ Heute ist die Firma von 40 auf 4 Mitarbeiter geschrumpft und nur mehr einen Bruchteil wert. „Mein Ziel ist es, die Firma zu schließen, denn der Unternehmenszweck – die Bekämpfung der Pandemie – ist vorbei.“ Wie hingegen der Kampf zwischen Steininger und Putz ausgeht, das ist völlig offen.
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