Innsbrucks Stadtchef Willi: "Müssen in Grundmarkt eingreifen"

Seine Wahl galt als grünes Wunder. Seit seinem Erfolg musste Innsbrucks neuer Bürgermeister seinen Tagesablauf ändern
100 Tage nach der Wahl: Grüner Bürgermeister ist mit Altlasten und einer fragilen Koalition beschäftigt.

Mit Georg Willi hat in Innsbruck am 6. Mai erstmalig ein Grüner den Bürgermeister-Sessel einer Landeshauptstadt erobert. Die Euphorie bei der angeschlagenen Ökopartei war österreichweit groß. Am kommenden Dienstag werden 100 Tage seit der Direktwahl Willis ins Land gezogen sein. Willi ist längst in den Mühen des Alltags angekommen.

KURIER: Ihre Wahl galt als grünes Wunder. Wie oft haben Sie seither schon ihr blaues Wunder erlebt? Georg Willi: Noch nicht oft. Nur mein Tagesablauf hat sich verändert. Ich bin jetzt nicht mehr so selbstbestimmt. Aber ich habe jeden Tag neue spannende Begegnungen und durfte bereits einige Entscheidungen treffen, die mich freuen.

Bislang scheinen Sie eher mit dem Aufräumen von Altlasten beschäftigt zu sein.

Es ist wie bei jedem Erbe. Es gibt tolle Teile und weniger tolle. Ich habe aber viel Schönes mitbekommen. Die Regionalbahn freut mich zum Beispiel irrsinnig.

War der Kassasturz, der Schulden von 100 Millionen Euro für die Stadt ans Licht gebracht hat, nicht ein Schock?

Ja. Was mich vor allem nicht freut, ist die Patscherkofelbahn, bei der die Kosten aus dem Ruder gelaufen sind (siehe Infobox rechts). Die finanziellen Spielräume der Stadt sind stark eingeschränkt.

Wie wollen Sie bei diesem Schuldenstand überhaupt etwas gestalten?

Bei den Dingen, die viel kosten, werden wir in den nächsten Jahren keine großen Sprünge machen. Aber es gibt auch viele weiche Faktoren, die nicht viel kosten und dazu beitragen, dass eine Stadt lebenswert ist. Da geht es manchmal einfach darum, etwas zuzulassen. Und im Bereich Wohnen kommt das Geld von der Wohnbauförderung des Landes. Wir müssen aber schauen, dass wir die Baugründe haben.

Bei Ihrem Vorhaben, Großgrundbesitzer über die Raumordnung zum Verkauf der Hälfte Ihrer Flächen zu sozial verträglichen Preisen zu zwingen, haben zwei ihrer drei Koalitionspartner aber nicht mitgezogen. Eine Niederlage?

Die Sache ist noch nicht vom Tisch. Die Leute schauen uns genau zu. Und am Ende wird der die Mehrheit haben, der für leistbares Wohnen kämpft. Es gibt kein Grundrecht auf den maximalen Grundpreis. Am Grundmarkt darf nicht der freie Markt herrschen, wenn die Preise ständig nach oben gehen. Wir haben die politische Aufgabe, in diesen Markt einzugreifen.

Es gab inzwischen auch schon in anderen Fragen Dissonanzen in Ihrer Koalition – insbesondere mit ÖVP und Für Innsbruck. Ist diese Regierung stabil?

Wir sind relativ konstruktiv unterwegs und arbeiten gut zusammen, auch wenn es nicht immer Einstimmigkeit gibt. Ich freue mich über alles, das gelingt. Und ich bin auch froh über die Erfahrung meiner Regierungskollegen, die schon vor mir im Amt waren, weil sie natürlich viel wissen.

Sie möchten den Wohnbau forcieren. Dadurch werden aber auch Grünflächen versiegelt. Ist das für einen Grünen kein innerlicher Konflikt?

Es gilt der Grundsatz des sowohl als auch. Man kann auch verdichten, ohne viel Grund zu verbrauchen. Es gibt etwa ein Projekt, da wurde in einem Innenhof auf einem Parkplatz ein Gebäude errichtet und das Dach begrünt. Insgesamt gilt aber: Wir müssen die Stadt grüner machen.

Die Koalition

Die Vierer-Koalition aus Grünen, SPÖ, ÖVP und Für Innsbruck (FI) war auch schon in der vergangenen Legislaturperiode in Innsbruck am Ruder. Nun gibt es aber mit Georg Willi (Grüne) einen neuen Steuermann. Er löste Christine Oppitz-Plörer ab, die als Vize-Bürgermeisterin an Bord blieb. Für Willi ist es jedoch schwieriger, Kurs zu halten. Denn Oppitz-Plörer hatte, anders als der grüne Bürgermeister, auch mit drei Parteien eine Mehrheit und konnte bei koalitionären Konflikten mit SPÖ und Grünen immer wieder die FPÖ als Joker bei Abstimmungen ziehen.

Böse Überraschungen Nach der Gemeinderatswahl kam ein finanzielles Desaster nach dem nächsten ans Licht. Ein von Willi geforderter Kassa-Sturz zeigte, dass die Stadt 100 Millionen Euro Schulden hat. Jährlich müssen nun 18 Millionen Euro eingespart werden. Eine Finanzbombe platzte bei dem  – auch mit den Stimmen der Grünen – auf den Weg gebrachten Neubau der Patscherkofelbahn erst nach der Wahl. Schon zuvor waren die Kosten von ursprünglich 41 auf 55 Millionen Euro gestiegen. Inzwischen mussten weitere elf Millionen nachgeschossen werden. Und auch die Plankosten für den städtischen Anteil am Neubau der Hochschule MCI hielten nicht Stand. Das Projekt ist vorerst auf Eis gelegt.
 Leistbares Wohnen war ein zentrales Thema im Innsbruck-Wahlkampf. Doch innerhalb der Koalition besteht keine Einigkeit darüber, wie das Problem gelöst werden soll. ÖVP und FI stimmten diese Woche, wie berichtet, gegen Zwangswidmungen für sozialen Wohnbau.

 

Zur Person Mit 53 Prozent der Stimmen setzte sich Georg Willi am 6. Mai 2018, seinem 59. Geburtstag, in der Direkt-Stichwahl gegen Amtsinhaberin Christine Oppitz-Plörer (Für Innsbruck) durch. Zwei Wochen zuvor führte er die Grünen bei der Gemeinderatswahl auf Platz 1  (24,16 Prozent). 1989 zog Willi für fünf Jahre in den Gemeinderat ein, ehe er 1994 in den Landtag wechselte. Er war Klubobmann und mehrfach  Landessprecher der Grünen. 2013 zog der Polit-Profi in den Nationalrat ein. Nun ist er  Chef einer Vierer-Koalition  (Grüne, SPÖ, ÖVP, Für Innsbruck).

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