"Hate-Crime"-Razzia: U-Haft über 13 Verdächtige verhängt

Cobra-Einsatz in der Nacht auf Freitag in Eisenstadt.
400 Polizisten waren am Freitag an der Aktion österreichweit beteiligt. Die Ermittlungen gehen indes weiter.

Im am Freitag in Graz bekannt gewordenen Fall von Hass-Kriminalität ("Hate Crime") ist am Sonntag die U-Haft über 13 Verdächtige verhängt worden, teilte Christian Kroschl von der Staatsanwaltschaft in der steirischen Landeshauptstadt am Nachmittag mit. Es handle sich um jene Personen, deren Einlieferung in die Justizanstalt von der Anklagebehörde angeordnet worden war. Die Ermittlungen dauerten an. Bisher hat es 18 Festnahmen gegeben.

Hinsichtlich einer in der Slowakei festgenommenen Person sei bei den Behörden des Nachbarlandes die Auslieferung beantragt worden, teilte Kroschl weiter mit. Darüber hinaus seien 26 Hausdurchsuchungen vollzogen worden.

Nazi-Devotionalien sichergestellt

 „Dabei wurden zahlreiche Gegenstände sichergestellt und die Datenträger der Beschuldigten zwecks kriminaltechnischer Auswertung beschlagnahmt“, so der Sprecher der Staatsanwaltschaft. Er wies nicht zuletzt darauf hin, dass mehr Informationen in dem Fall „derzeit aus kriminaltaktischen Gründen leider nicht möglich“ seien. 

Opfer sind Homosexuelle

Zumindest 17 Opfer wurden ermittelt. Die Opfer sind Homosexuelle, denen von den Verdächtigen fälschlicherweise Pädophilie unterstellt wurde. Sie sind dem Landeskriminalamt (LKA) Steiermark zufolge ausgeraubt, verletzt und erniedrigt worden. Es stehe absichtliche schwere Körperverletzung im Raum, in einem Fall auch Mordversuch.

  • Unter "Hate Crimes" fasst die Polizei sogenannte "vorurteilsmotivierte Straftaten" zusammen:  Sie werden vor allem aus Hass oder Vorurteilen gegenüber bestimmter Personengruppen begangen, etwa  wegen der Ablehnung einer bestimmten Herkunft, der  Religion oder Hautfarbe, aber auch des  Geschlechts oder eben wie im aktuellen Fall  wegen der sexuellen Orientierung. Eingeschlossen sind hier auch Hasspostings in sozialen Medien.
  • Seit November 2020 werden die  Vorurteilsmotive in Österreich systematisch von der Polizei erfasst. 2023 wurden 5.668  diesbezügliche Straftaten in ganz Österreich verzeichnet (die Auswertung für 2024 liegt noch nicht vor). Die Statistik unterscheidet  aber  zwischen strafrechtlich verfolgbaren Taten und erfassten Vorfällen, deren Anzahl ist mit 6.461 höher. 
  • Die meisten Straftaten wurden  in Wien (1.604) registriert, gefolgt von  Niederösterreich (955) und Oberösterreich (885). Gegenüber 2022 war das Rückgang von  rund 3,5 Prozentpunkten. 
  • Helmut Graupner, Rechtsanwalt in Wien und Präsident des Rechtskomitees "Lambda" machte aber gegenüber der APA darauf aufmerksam:  "Hate Crimes", die sich ausdrücklich gegen LGBTIQ+Personen richteten, haben im Vorjahr gegenüber 2022  um 20 Prozent zugenommen. "Hinsichtlich der Motivlage liegen auf den vordersten Plätzen Weltanschauung, ethnische Herkunft und Religion. Die sexuelle Orientierung hat aber die Hautfarbe vom vierten Platz verdrängt." Nur acht Prozent der betroffenen homosexuellen und bisexuellen Personen würden Anzeige erstatten“, merkte der Jurist an.  "Über 90 Prozent der Fälle bleiben ungeahndet." Das sei aber "Nährboden für weitere Gewalt. 

Hohe Dunkelziffer befürchtet

Bei den Hausdurchsuchungen wurden Waffen und NS-Devotionalien gefunden. Die Polizei geht in dem "Hate-Crime“-Fall von einer hohen Dunkelziffer aus. Daher wurde am Samstag der Aufruf an Opfer erneuert, sich beim LKA in Graz (Tel.: 059133 / 603333) zu melden. An dem österreichweiten Einsatz, außer Kärnten und Vorarlberg, sowie auch in der benachbarten Slowakei am Freitag in der Früh waren etwa 400 Polizistinnen und Polizisten sowie Kriminalisten, Spezialkräfte des Einsatzkommandos Cobra und der WEGA beteiligt.

Bei Hass-Kriminalität handelt es sich um vorurteilsbedingte Straftaten. Die Täter wählen die Opfer bewusst aus, weil sie einer Gruppe angehören, die sie ablehnen. Die APA erfuhr, dass es in Niederösterreich vier Festnahmen und fünf Hausdurchsuchungen gegeben habe. Die ORF-Sendung "Wien heute“ berichtete am Freitagabend von drei Durchsuchungen in der Bundeshauptstadt.

Erschütterung in der Szene 

Joe Niedermayer, Vorsitzender des steirischen LGBTIQ+-Vereins RosaLila PantherInnen, ist nach dem am Freitag bekannt gewordenen Ausmaß an gezielten Angriffen auf die homosexuelle Szene erschüttert: „Ich glaube aber, dass die Dunkelziffer noch höher ist.“ 

Gleich zwei der von den Übergriffen betroffenen Männer hatten sich im Frühling und Sommer des Vorjahres bei Niedermayer gemeldet und um Rat gesucht. „Zwei der Opfer kennen wir: Einer ist im Juli zu uns gekommen - nicht vorrangig, weil er seelische Hilfe gebraucht hat, sondern in erster Linie, weil er uns gefragt hat, was er tun soll. Wir sagten ihm, er solle sofort zur Polizei gehen. Ein Zweiter hat sich auch noch gemeldet, dem wir das Gleiche empfohlen haben“, sagte Niedermayer im APA-Gespräch. 

Und er ergänzt: „Dass die Leute zuerst zu uns kommen, sagt schon das meiste: Sie schämen sich natürlich auch. Das sind meist keine selbstbewussten, geouteten Schwulen, sondern schüchterne, ruhige Männer, die nicht wissen, was sie tun sollen.“ Hilfe suchen zeige von Stärke Niedermayer kann nachvollziehen, warum die Betroffenen das auch nicht „an die große Glocke hängen, wenn sie wo schwulen Sex haben wollten und verarscht wurden“. 

Im Zuge der Ermittlungen hat sich am Samstag auch herausgestellt, dass sich unter den Opfern auch heterosexuelle Personen befinden sollen. 

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