Nach dem Amoklauf: Warum auch Helfer dringend Hilfe benötigen

Nach dem Amoklauf: Warum auch Helfer dringend Hilfe benötigen
Krisenintervention: Die Chefpsychologin des Roten Kreuzes über die Belastungen ihrer Kollegen.
Von Uwe Mauch

Im Schatten einer Tragödie wie jener in Graz sind auch die Mitarbeiter der Kriseninterventionsteams extremen Belastungen ausgesetzt. Sagt Barbara Juen, die Leiterin der Psychosozialen Dienste des Roten Kreuzes, im KURIER-Gespräch.

In der Steiermark sind in diesen Tagen laut Juen 40 Rotkreuz-Kräfte im Einsatz. Sie kommen aus unterschiedlichen Blaulichtorganisationen oder psychosozialen Berufen, sind also prädestiniert für die fordernden Einsätze. „Zusätzlich erhalten sie von uns eine Grundausbildung für Krisenintervention. Allein die Theorie umfasst zwischen 80 und 100 Stunden.“

Zunächst selbst hilflos

Belastend sei oft der Erstkontakt mit den Angehörigen: „Die Helfer kommen zu geschockten Menschen, deren Fragen sie zunächst nicht beantworten können. Das erzeugt auch bei ihnen ein Gefühl der Hilflosigkeit.“ Nur kurzfristig können sie ablenken, wenn sie Interna des Einsatzes erklären.

Eine weitere Belastung beschreibt Barbara Juen so: „Unsere Leute sind lang auf Adrenalin. Da ist es normal, dass sie die eigenen Bedürfnisse nicht mehr spüren.“ Das sei aber physisch herausfordernd. Das Rote Kreuz arbeitet deshalb mit Peers, die darauf achten, dass die Helfenden das bekommen, was sie für sich und ihre Arbeit benötigen.

Nach dem Einsatzende stellen sich oft bohrende Fragen – etwa die Frage, wie es mit den Betreuten weiter geht: Was wurde aus den Menschen, mit denen man intensiven zu tun hatte?

„Oft schleicht sich im Nachhinein auch das Gefühl ein, dass man selbst nicht viel bewirken konnte“, weiß Barbara Juen, die schon bei der Lawinenkatastrophe in Galtür im Jänner 1999 im Einsatz war. Daher sei „ein geordneter Abschluss“ wichtig: „Wir schicken unsere Leute nicht einzeln heim. Wir achten darauf, dass sie am Ende noch gemeinsam zusammensitzen, Infos austauschen können, etwas essen, etwas trinken.“

Mühselig kann es auch noch zu Hause werden: Manche Helfer schlafen schlecht. Bilder, Geräusche vom Einsatz gehen ihnen durch den Kopf. Im Alltag erleben sie manchmal ein Gefühl der Entfremdung, etwa, wenn jemand im Supermarkt laut „zweite Kassa“ ruft, während sie selbst gerade noch mit grundlegenderen Problemen des Lebens konfrontiert waren.

Pressekonzerenz "Für ein neues Miteinander"

Barbara Juen, die Leiterin der Psychosozialen Dienste des Roten Kreuzes.

Kommentare