Dschihad ist "europäisches Problem"

Dschihadisten: Die meisten sind sehr jung, arbeitslos und huldigen diversen Kampfsportarten
Nicht Flüchtlinge sind die Gefahr, sondern Europäer, die mit dem Islam zuvor kaum in Kontakt waren.

Praktisch alle Dschihadisten aus Österreich oder Deutschland waren vor dem Weg in den Dschihad überhaupt nicht religiös. "Die meisten waren nicht einmal in einer Moschee, bevor ihr Weg in den Kampf begann", berichtet Elhakam Sukhni, Islamwissenschaftler an der deutschen Uni Osnabrück.

Genau das mache sie anfällig. Er habe mit Dutzenden Gotteskriegern gesprochen, viele konnten nicht einmal Arabisch und hatten den Koran deshalb nicht im Original gelesen. So konnte man ihnen leicht erklären, wie die Suren angeblich wirklich auszulegen sind.

70 Dschihadisten

Dschihad ist "europäisches Problem"
Peter Gridling, BVT-Leiter, Terrorismus
"Die einzige Gemeinsamkeit dieser Foreign Fighters ist, dass sie einen Bruch in ihrem Leben hatten", erklärt Thomas Schmidinger von der Uni Wien. Mit dem (am Montag von der EU mit dem Bürgerpreis ausgezeichneten) Verein "Netzwerk sozialer Zusammenhalt" hat er 70 angehende und zurückgekehrte Dschihadisten interviewt. Deren Geschichten sind teilweise kurios. Einer etwa war Arzt und bestens ausgebildet, bekam aber als Wirtschaftsflüchtling kein Asyl in Österreich. Das einzige echte Jobangebot kam vom Islamischen Staat, weshalb er dann dorthin ging.

Ein anderer wollten wegen Liebeskummer aus Österreich weg und in den Dschihad ziehen. Ein weiterer Gotteskrieger kam aus dem rechtsextremen Eck.

Dschihad ist "europäisches Problem"
Thomas Schmidinger, Uni Wien, Netzwerk sozialer Zusammenarbeit
Denn die Mechanismen sind in all diesen Extremfällen ähnlich: "Es wird eine Welt angeboten, die schwarz-weiß und einfach ist. Ein einfaches Weltbild ist für manche eben sehr attraktiv", sagt Peter Griedling, Chef des Verfassungsschutzes (BVT).

Deshalb benötigen einander auch Dschihadisten und rechte Parteien. "Sie nutzen einander und wachsen auf ähnlichem Boden", betonte Schmidinger bei einem runden Tisch anlässlich der Preisverleihung. Nationale Parteien werden somit nicht zur Lösung, sondern zum Teil des Problems. Der Dschihadismus sei daher vor allem "ein europäisches Problem, das in den Nahen Osten exportiert wurde".

6000 Krieger aus der EU

Immerhin rund die Hälfte aller Kämpfer des IS stammen laut Experten aus Europa. Die EU-Justizkommissarin Vera Jourova schätzt, dass sich rund 6000 EU-Bürger derzeit allein in Syrien im Einsatz befinden. Zum Vergleich: Tatsächlich gibt es in Österreich bisher einen einzigen Fall in diesem Jahr und einen im Vorjahr, bei dem gegen Asylsuchende wegen Terrorverdachts ermittelt wird. Wobei bei einem Fall noch unklar ist, ob dies nicht nur von einem Landsmann einfach behauptet wurde.

Dschihad ist "europäisches Problem"
Elhakam Sukhni, Islamwissenschaftler, Uni Osnabrück
Einig waren sich die Experten, dass der in Wien geborene Mohamed Mahmoud die wichtigste Figur im deutschsprachigen Raum ist. Er war eine jener Triebfedern, die den Weg von vielen Europäern in den Dschihad geebnet hat. Denn die meisten der angehenden Gotteskrieger werden von Salafisten rekrutiert. Die erste große Salafisten-Sekte im deutschsprachigen Raum wurde von Mahmoud gegründet. Über solche Gruppen funktioniert die Rekrutierung. Erst dann sehen viele der Gotteskrieger erstmals eine (radikale) Moschee von innen.

Aus mehreren Gründen sind die über Österreich reisenden Flüchtlinge für den Dschihad kaum geeignet. Sie sind meist religiös gefestigt und kennen den Koran im Original. Außerdem eint sie der Hass auf den Islamischen Staat. Einzig gefährdet sind die sogenannten unbegleiteten Minderjährigen. Diese sind verzweifelt und für all jene anfällig, die ihnen einen Familienersatz anbieten. In Mazedonien werden solche jungen Afghanen von Räuberbanden bereits eingesetzt, um Flüchtlinge zu suchen, die dann überfallen werden können.

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