„Santino hat plötzlich neues Verhalten gezeigt, das von Schimpansen vorher nicht bekannt war“, unterscheidet Auersperg die durchdachte Aktion des Primaten von der genetischen Veranlagung der Netzflügler-Larve. Während der Menschenaffe einem individuellen Plan folgte, jagen alle Ameisenlöwen evolutionsbedingt auf dieselbe Weise.
Gehirn und Anatomie ermöglicht Erfindergeist
An der Größe liegt es nicht, gewisse anatomische Voraussetzungen freilich sind für Geistesblitze und ihre Umsetzung aber Voraussetzung. Wer über ausreichend Nervenzellen verfügt – ob verpackt in Gehirnwindungen wie bei Säugern, komprimiert wie bei Vögeln oder über den ganzen Körper verteilt wie beim Oktopus –, wer auf Arme oder Schnabel zurückgreifen kann, wird innovativer sein als einfache Organismen. Gelegenheit macht kreativ. Mitunter ist es auch die Not. Ändern sich die Umweltbedingungen, verlangt es eine Anpassung ans Neue, um zu überleben.
„Wir untersuchen Sachen, die im Geist von jemand anderem passieren. Wir können nicht in den Kopf der Tiere hineinschauen und sie nicht befragen“, sagt Auersperg und beschreibt im Buch ausführlich, wie an Tests mit Schnüren, Rohren, austauschbaren Wänden und Pfeifenputzern getüftelt und über die richtige Belohnung nachgedacht wird. Trainingsphase ja oder nein? Kontrollgruppen? Nicht zuletzt sagt die Art der Fehler, die tierische Probanden machen, etwas über ihre kognitiven Fähigkeiten aus.
„Erfindungen sind weit verbreitet. Viele Tiere wurden bisher unterschätzt. Man darf das nicht auf den Vergleich mit dem Menschen herunterbrechen“, betont Auersperg.
Intelligente Tiere gebrauchen Werkzeug oder stellen es selber her
Gerade beim Gebrauch und der Herstellung von Werkzeug zeigt sich, was so manchem Schlaumeier unerwartet in den Sinn kommt.
In Kapitel 5 verweist die renommierte Verhaltensforscherin etwa auf Orang-Utan-Mütter, die ihre Kinder als „soziale Werkzeuge“ benützen. In einem deutschen Experiment „liehen“ sich die Großen den Arm der Kleinen, um eine Weintraube durch eine enge Öffnung zu erreichen.
Oder auf das „egozentrische Werkzeug“, wenn z.B. die Berliner Elefantenkuh Mary verschiedene Techniken anwendet, um mit dem Wasserschlauch jede Körperstelle abduschen zu können.
Oder auf den beflügelten Figaro, der in der Goffin-Voliere in Goldegg/NÖ einen länglichen Span aus einem Holzbalken zupfte, um ein Objekt der Begierde jenseits des Käfigs zu angeln. Eine Premiere. Klappt es schon in Forschungseinrichtungen nur selten, den Moment, in dem der Groschen fällt, zu beobachten, so finden die Aha-Momente wild lebender Tiere erst recht ungesehen statt.
„Mit unserer Forschung lernen wir etwas über die Entstehung von intelligentem Verhalten“, sagt Auersperg. Im Buch führt die Biologin weiter aus: „Wenn wir ... verstehen, wie reichhaltig Tiere in ihren Fähigkeiten sind, führt dieser Respekt womöglich zu Empathie.“ Und damit zu ihrem Schutz.
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