Dürre bescherte Bauern halbe Milliarde Schaden

Präsident des Österreichischen Bauernbundes: Nationalrat Georg Strasser
Bauernbundpräsident Georg Strasser zur nötigen Umorientierung der Bauern aufgrund des Klimawandels, zu Problemwölfen und zum Brexit.

Georg Strasser, 47, stammt aus Nöchling in Niederösterreich. Er ist seit 2013 ÖVP-Nationalrat und seit August 2017 Bauernbundpräsident.

KURIER: Die Bauern waren einem Sommer der Extreme ausgesetzt. Landwirte sind Hauptbetroffene vom Klimawandel. Sie wirken davon überrascht und hilflos?

Georg Strasser: Wir Bauern sind vom Klimawandel nicht überrascht, weil wir diese Entwicklung in den letzten zehn bis fünfzehn Jahren bereits am eigenen Leib verspüren. Und das Dramatische daran ist, dass unsere Lebens- und Wirtschaftsgrundlagen gefährdet sind. Heiß und trocken heißt, dass auf Äckern und Wiesen nichts wächst.

Weite Teile Oberösterreichs sind jetzt über mehrere Jahre hindurch betroffen. Müssen sich die Landwirte umorientieren?

Umorientierung wird es notgedrungen geben müssen. Etwa in der Forstwirtschaft in einer anderen Baumartenwahl oder intensiveren Pflege. Man wird eine andere Fruchtfolge auf den Äckern und eine andere Grünlandbewirtschaftung brauchen.

Wie soll sich das in der Praxis abspielen?

Es braucht eine Begleitung, weil sich alles zwischen den Polen der Forschung auf Universität der Bodenkultur und der Anwendung in den Regionen Österreichs abspielt, wo die Bauern die Entscheidungen treffen müssen. Wir sind in der Politik in der Verantwortung, dass diese Begleitung und Unterstützung greift. In Katastrophenjahren sieht man, dass die Zeit drängt.

Hilft das Industrieland Oberösterreich da den Bauern genug?

Ich glaube, dass in Oberösterreich eine Ausgewogenheit da ist. Das Land ist bei Landwirtschaftspolitik und Regionalentwicklung ein Vorzeigeland.

Es wurde ein Dürrehilfspaket mit 60 Millionen Euro geschnürt. Ist das aus Sicht des Bauernbundes genug?

Das Dürrepaket ist in Wahrheit ein zweifaches Hilfspaket. Im Frühjahr wurde das erste geschnürt, wo für Forst und Ackerbau Schwerpunkte gesetzt wurden. Im zweiten Paket sind Maßnahmen für Ackerbau, Grünland und Forst zu finden. Der öffentliche Beitrag für die Dürreversicherung wird erhöht und 20 Millionen sind für Direkthilfen vorgesehen. In Summe ist das ein kleiner Ausgleich der dramatischen Schäden, nicht mehr und nicht weniger.

Um welche Summen geht es bei den Dürreschäden?

In der Landwirtschaft sprechen wir von 318 Millionen, in der Forstwirtschaft von mittlerweile 180 Millionen. An diesen Zahlen sieht man, es gelingt nur eine überschaubare Abfederung. Mittelfristig wollen wir die Versicherungslösungen für Acker- und Grünlandbetriebe noch attraktiver gestalten. Ist ein Höfesterben im Winter zu befürchten, weil das Futter fehlt oder der Zukauf zu teuer ist?

Ich höre von Betrieben, die ihr Vieh schon drastisch abstocken mussten und auch von anderen, die schon sehr viel Futter zugekauft haben. Aufgrund der Einkommensverluste durch die Dürre stellen sich viele die Frage, ob sie weitermachen oder nicht.

Wie sehr saugt der Arbeitsmarkt nach Kräften aus der Landwirtschaft ?

Arbeitskräfte aus der Landwirtschaft und Kinder aus Bauernfamilien sind umworbene Mitarbeiter. Wenn am Betrieb die Bedingungen aufgrund des Klimawandels schlechter werden, ändern sich auch die Nebenerwerbsmodelle. Unser Ziel ist es, den Strukturwandel zumindest zu bremsen. Ein Bauernhof, der schließt, wird wahrscheinlich nicht mehr aufgemacht.

Ist Österreich noch autark bzw. ist die Versorgungssicherheit hierzulande überhaupt noch gegeben? Grundsätzlich wären wir in der Lage Österreich ausschließlich mit österreichischen Produkten zu versorgen. Aufgrund der EU und des internationalen Handels gibt es aber Situationen, wie bei der Milch, wo wir 150 Prozent erreichen oder beim Geflügel wo wir weniger als 100 Prozent produzieren. Wir haben den internationalen Markt im Visier, wollen aber im Inland auch einen höheren Selbstversorgungsgrad erreichen.

Wer ist schuld an der eigenen Unterversorgung?

Märkte entscheiden, Handelsketten und Konsumenten haben die Macht. Der zweite Punkt ist aber, dass der Gesetzgeber beispielsweise in der Putenhaltung die Auflagen so hoch gesetzt hat und damit die Inlandsproduktion so gedrosselt hat, dass wir jetzt über weite Strecken Putenfleisch mit schlechteren Produktionsbedingungen aus dem Ausland bei uns konsumieren. Das ist ein Eigentor, das wir uns geschossen haben. In der Meinung höhere Tierschutzstandards würden die Situation verbessern, haben wir Märkte verzerrt und bekommen qualitativ schlechtere Produkte in unsere Regale.

Sie haben die Unterschriftenaktion „Gut zu wissen“ vorgestellt. Was ist das genaue Ziel der Aktion?

Wir wollen in Österreich das Bewusstsein für österreichische Qualität schärfen. Das wird zur Folge haben, dass wir die Produktkennzeichnung verbessern werden.

Der Konsument hat ein Recht darauf zu wissen, was in seinem Lebensmittel drinnen ist. Knapp siebzig Prozent der Österreicher wollen, dass die Herkunftsbezeichnung verbessert wird.

Das werden wir einerseits gesetzlich verpflichtend verankern oder in freiwilligen Modulen, wie dem AMA-Gütesiegel, verwirklichen. Wir wollen österreichische Qualität besser sichtbar machen, damit der Konsument seine Entscheidung bewusst treffen kann.

Ist nicht die Palette der Kennzeichnungen schon undurchsichtig genug? Soll es da eine Bereinigung geben?

Wir haben einen Gütesiegeldschungel. Wir wollen das AMA-Gütesiegel, das einzig amtlich zertifizierte Gütesiegel, stärken und weiterentwickeln. Das steht auch im Regierungsprogramm. Bei Eingriffen in privatwirtschaftliche Vereinbarungen, wo Handelsfirmen mit Markenentwicklern, Verarbeitern und Bauern Verträge machen, befürchte ich, dass ein Gesetz ein Bürokratiemonster werden würde.

Es gibt aber auch Kennzeichnungen, die nahe am Betrug sind?

Bei irreführender Werbung, wenn jemand österreichische Qualität vortäuscht, sehe ich den Gesetzgeber gefordert.

In Ober- und Niederösterreich tobt die Diskussion um den Wolf. Wird mit dem Thema nicht von tatsächlichen Problemen abgelenkt?

Im Gegenteil. Der Wolf ist kein Scheinproblem, der Wolf ist ein reales Problem. Wir schützen unsere Tiere auch vor Viren, Bakterien und allerlei anderer Bedrohungen.

6Was ist Ihre Position zu dieser Causa? Wir möchten, dass es den Tieren gut geht und dass sie auf Weiden grasen können. Und dann gibt es den Wolf, der dieses Tierwohl und auch die Weidewirtschaft gefährdet, weil er Tiere verletzt oder umbringt. Wir brauchen praxistaugliche Lösungen. Über den Herdenschutz diskutieren wir. Wissend, dass er etwa auf vielen Almen nicht funktionieren kann. Der Wolf ist ein intelligentes Tier, das auch lernt, Zäune zu überwinden.

Niederösterreich hat das Jagdgesetz novelliert. Ist das eine Lösung?

In der ersten Eskalationsstufe kommt es zur Vergrämung mit Schreckschüssen oder Gummigeschossen. Wenn der Wolf das nicht ernst nimmt, gibt es die zweite Eskalationsstufe und das ist die Entnahme. Gefährdet der Wolf Tiere und unter Umständen auch Menschen, dann ist es ein Gebot der Stunde, dass solche Problemtiere auch entnommen werden. In Polen sind zwei Kinder von einem Wolf verletzt worden.

Was kommt mit dem Brexit auf die Landwirte zu? Die Sorgen überwiegen. Es ist ungewiss wie die Finanz-Transfers zwischen EU und Großbritannien ausschauen werden. Die größte Gefahr ist, dass die realen Warenströme behindert werden. England ist ein agrarisches Importland. Wenn dort europäische Waren ausgetauscht werden, dann sind für uns richtig große Mengen weg. Die Bauern tragen die Konsequenzen der Brexit-Entscheidung. Meine Hoffnung ist noch immer ein gutes Handelsabkommen.

Beschäftigt sich Kanzler Sebastian Kurz eigentlich mit Landwirtschaft?

Kurz hat viel Zeit am Bauernhof seiner Großeltern in Niederösterreich verbracht und er hat Cousins, die in der Landwirtschaft tätig sind. Er hat ein ganz starkes Sensorium für den ländlichen Raum. Kurz ist mit der Ansage ,neuer Stil’ angetreten und das leben wir auch nach innen. Mit der Regierung wird oft hart diskutiert, aber letztlich können wir die Dinge in der eigenen Mannschaft ausreden, dass sie ganz gut passen.

Die Stimmung unter den Bauern ist aber kritisch? 2018 ist sehr fordernd. Nicht nur wegen der Dürre. Es gibt auch Gewitterwolken bei den Schweinen wegen der Afrikanischen Schweinepest. Ich bin jetzt froh, dass wir gemeinsam mit den FPÖ-Bauern in einer ,Task Force Zukunft Landwirtschaft’ an Konzepten arbeiten. Es ist ein Novum, dass wir gemeinsam mit den Freiheitlichen Agrarpolitik machen.

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