Sternsinger sammeln für indische Indigene

Wenn die Sternsinger dieses Mal rund um den Jahreswechsel zum Bundespräsidenten in die Hofburg kommen, wie es Tradition ist, wird die Gruppe aus der Diözese Linz nicht morgenländisch eingekleidet sein, sondern in Gewänder der Misings. Grund ist: Ein Entwicklungshilfe-Programm zur Unterstützung dieser indigenen Volksgruppe in Nordostindien ist 2016 Vorzeigeprojekt der Dreikönigsaktion (DKA).
Gleichseitige Drachenvierecke (Deltoide) gehören zu den typischen Mising-Motiven. Ein weiteres sind je drei, sich wie ein Zebrastreifen abwechselnde schwarze und weiße Balken, umrahmt von sattem Dunkelrot. Die Weberei gehört zum traditionellen Handwerk der Mising-Frauen, das sie im offenen Bereich unter ihren Bambus-Stelzenhäusern ausüben. Nicht nur die Sternsinger-Gewänder auch die Weihnachtsgrußkarten, die die DKA heuer verschickt, sind von Mising-Frauen gewebt worden: Grüne Christbäume mit grünen Sternen gekrönt auf knallrotem Grund.
Relativ abgeschnitten ist Nordostindien vom Rest des Subkontinents. Nur ein schmaler Landkorridor verbindet die beiden Landesteile. Noch isolierter leben die rund 1,3 Millionen Misings hauptsächlich im Unionsstaat Assam an den Ufern des Brahmaputra. Sie werden auch "Flussbewohner" genannt. Gefährdet durch Überschwemmungen, leben sie oft ohne Elektrizität, unter schwierigen hygienischen Bedingungen; selbst sauberes Trinkwasser ist manchmal ein Problem. Die Mising-Familien schaffen es gerade, sich vor allem mit Reis selbst zu versorgen. Die Bildungssituation an den staatlichen Schulen ist schlecht.
Kultureller Ansatz
Vor 14 Jahren begann der Salesianerpater K. A. Thomas sich insbesondere der Mising-Jugend anzunehmen. Er gründete die Organisation ICARD und entwickelte eine Mischung aus Kulturförderung und ländlichem Entwicklungsprogramm. Dieses soll die Lebensumstände in den Mising-Dörfern zumindest leicht verbessern und zugleich den Stolz auf die eigene Identität und das Ansehen der Volksgruppe bei der Mehrheitsbevölkerung in Assam heben.
"Wir beginnen auf kultureller Ebene", sagt Thomas. In einem zweijährigen Programm fängt er Buben und Mädchen, die die Schule abgebrochen haben oder trotz Abschluss dennoch keine Stellung finden, auf. Zum Einstieg praktizieren die Jugendlichen in ICARD-Zentren in Jorhat und Sadiya die Gesänge und Tänze der Misings, die drohen, in Vergessenheit zu geraten. So werden das Selbstbewusstsein und Zusammengehörigkeitsgefühl gestärkt.
Vor allem erhalten die jungen Misings aber nützliche Fähigkeiten vermittelt, darunter landwirtschaftliche Techniken, das Weben und Nähen, oder auch Computer-Skills. Von ICARD werden sie zudem mit den nötigen Werkzeugen ausgestattet. Das ermöglicht ihnen, in ihre Dörfer zurückzukehren und sich doch noch eine Existenz aufzubauen. "Sie können sich ihren Lebensunterhalt verdienen, können anderen jungen Menschen etwas lehren, auf ihren eigenen Beinen stehen. Zugleich verbessert sich die Lage im Dorf", beschreibt Pater Thomas sein Konzept.
500 Projekte
Thomas' "Mission", das Leben der Misings zum Positiven zu verändern, liegt die Maxime zugrunde: "Gott hat vorgesehen, dass wir ein Leben in einem bestimmten Rahmen führen. Fällt der Lebensstandard unterhalb dieses Rahmens, ist das nicht mehr akzeptabel." Mission bedeutet hier aber nicht Missionierung: Als Christ war der Salesianerpater zunächst argwöhnisch von den Misings, die ihre Naturreligion pflegen, betrachtet worden. Deswegen ließ der Geistliche jegliche Bekehrungsversuche bei seiner Arbeit mit den Indigenen bald fallen nach dem Motto: "Zuerst kommt die Reis-Frage, dann erst die Gottesfrage." In der Lage, in der sich die Mising befinden, gebe es wichtigere Dinge als den Kirchgang, wie Gesundheit und Hygiene. "Und wenn ich jetzt zum Taufen anfangen würde, würde ich sowieso alles verraten, was ich in den letzten zehn Jahren getan habe."
Rund 500 Hilfsprojekte weltweit unterstützt die DKA mit den Beträgen, die die Sternsinger der Katholischen Jungschar in ganz Österreich jedes Jahr einsammeln. Rund 16 Millionen kamen zuletzt zusammen. Angefangen hat alles vor mehr als 60 Jahren ganz lokal, als das Hilfswerk MIVA eine Jungschar-Gruppe bat, Geld um einem Missionar in Afrika ein Motorrad zu kaufen. Später wurde mit der DKA eine eigene Entwicklungshilfe-Organisation nötig, um die im mehr gewordenen Spenden zu verwalten und einzusetzen. Meist kommen sie Kindern zugute.
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