Die Rückkehr der Hexen und Gurus

Hochkonjunktur für allerlei teure Zaubersäfte
Man nehme: 10 Milliliter Mandelöl, dazu Minzöl, einen Aventurin (Schmuckstein, Anm.) und Glitzerpartikel vom Bastelgeschäft – und fertig ist es, das Öl, das Reichtum bringen soll. Wobei: Die wichtigste Zutat kann nur der Anwender selbst bereitstellen – er muss den künftigen Reichtum „visualisieren“. Sonst hilft der beste Zaubertrank nichts.
Die Geschichte erinnert an amerikanische Hexenserien aus dem vergangenen Jahrtausend. Doch sie feiert ein Revival. Die Sozialen Medien machen die Rückkehr des Hokuspokus möglich. Und plötzlich tummeln sich selbst ernannte Hexen und Magier auf Instagram und Tiktok. Sie legen Karten, sprechen Zaubersprüche – mit entsprechend düster-mystischen Bildern und Videos ordentlich in Szene gesetzt – und eröffnen ein gewaltiges Geschäftsfeld.
Reich werden die anderen
Zehntausende Euro geben ihre Anhänger für ihre Träume und Sehnsüchte aus. Selbst Kredite werden dafür aufgenommen. Eine lohnende Investition – künftiger Reichtum ist schließlich nicht gratis. Doch reich werden im Regelfall nur jene, die sich mit ihren Zauberkünsten brüsten und dafür abkassieren.

Ulrike Schiesser leitet die Bundesstelle für Sektenfragen
Es ist nur ein Phänomen, mit dem man bei der Bundesstelle für Sektenfragen in jüngster Zeit verstärkt konfrontiert ist. „Viele Menschen sind auf der Suche. Sorgen, Ängste und Sehnsüchte begünstigen die Aufgeschlossenheit für derartige Angebote“, sagt Ulrike Schiesser, die Leiterin der Stelle. Und auch die Anfälligkeit für diverse Verschwörungsmythen ist massiv gestiegen. „Seit 2021 mit der Corona-Pandemie hatten wir da einen massiven Anstieg.“ Der Krieg im Nahen Osten begünstigt zudem den Antisemitismus.
„Menschen suchen nach einfachen Lösungen, nach praktischen Lebenshilfen. Speziell die junge Generation kämpft mit großem Druck“, weiß die Psychologin. Der Boden für jede Art der Spiritualität ist rasch geebnet – doch die anerkannten Kirchen können dem nicht gerecht werden.
Stattdessen treten Influencer auf, die angebliche Lösungen parat haben. Ein heikles Terrain, wie Schiesser betont. „Wenn sie da auf Menschen treffen, die mit einem Trauma kämpfen oder mit Depressionen, kann das gefährlich werden.“ Sogar Suizide werden da als Möglichkeit für einen „Neuanfang“ leichtfertig präsentiert.
Keine heile Welt
Aber auch Gurus haben wieder Aufwind. Solche, die Kommunen bilden und mit Aussteiger- und Selbstversorger-Ideen Anhänger um sich scharen. Doch in diesen abgeschotteten Kommunen herrscht mitunter eine straffe Hierarchie, die in einzelnen Fällen sogar bis zum sexuellen Missbrauch führt. Tatsächlich gibt es sie auch in Österreich. Die Behörden erfahren meist erst dann davon, wenn Aussteiger von ihren Erlebnissen berichten.
Seit 25 Jahren beobachtet die Bundesstelle für Sektenfragen die Szene. Am Dienstag wird das Jubiläum mit Ministerin Susanne Raab (ÖVP) gefeiert.
Zwei Psychotherapeutinnen sind aktuell in der Beratung tätig. Zudem wurde ein Online-Monitoring-System aufgebaut. Konkret werden dabei auf Kanälen wie Telegram aktuelle Verschwörungsmythen beobachtet – und ihr Ursprung sowie die Netzwerke zurückverfolgt. Erste Zwischenergebnisse sollen bei der Jubiläumstagung präsentiert werden.
38.000 Personen wurden durch die Bundesstelle seit der Gründung betreut. Oft sind es Angehörige, die sich Hilfe suchend an sie wenden. Dann, wenn nicht mehr zu leugnen ist, dass ein Familienmitglied in eine andere Welt abdriftet und sich vielleicht auch massiv verschuldet.
Hilfe
Was man in solchen Fällen tun kann? „Wichtig ist, dass der Kontakt bestehen bleibt, die persönliche Beziehung. Man braucht viel Geduld“, rät Schiesser. Offen zur Schau gestellte Ablehnung sei der falsche Weg, warnt sie. Doch offene Nachfragen, welche Bedürfnisse der oder die Angehörige hat, welche Sorgen sie oder ihn plagen – und was an einer Organisation oder Person gefalle, seien eine mögliche Brücke. „Man muss das Gespräch aufrechterhalten.“
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