Deutschgebot für Analphabetin

Der Nachweis, Deutsch zu beherrschen, ist Pflicht
Integrationsvereinbarung: Pro Jahr erfüllen 300 bis 800 Zuwanderer die Vorgaben nicht.

Sie könne nicht lesen oder schreiben und daher auch nicht Deutsch lernen, begründete die ältere Dame. Aber das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg blieb strikt: "Weder Analphabetismus noch das Alter der Beschwerdeführerin sind eine Krankheit im medizinischen Sinn." Nur eine Krankheit würde sie von der Pflicht, Deutsch zu lernen, entbinden, eine Zeit lang wenigstens.

Die Regeln der Integrationsvereinbarung sind also eng gefasst. Das zeigt sich am Beispiel der 66-jährigen Türkin, die aus Ankara nach Vorarlberg zu Tochter und Schwiegersohn ziehen wollte. Mit ihrem Antrag scheiterte sie bereits an der Bezirkshauptmannschaft Bludenz, letztlich am Landesverwaltungsgericht. Denn sie erfüllte die Vorgaben nicht: Deutsch auf dem geforderten Niveau zu sprechen.

Umfassende Sprachkenntnisse stehen im Zentrum der Integrationsvereinbarung, die Zuwanderer erfüllen müssen. Bringen sie den Nachweis innerhalb von zwei Jahren nicht, gilt das als Verwaltungsübertretung - samt möglicher Strafe.

Doch Migranten bemühen sich offensichtlich, die Vorgaben zu erfüllen, das zeigt die geringe Anzahl an Strafbescheiden: In Wien etwa wurden im Vorjahr gerade einmal 287 Personen angezeigt, weil die Bestätigung für absolvierte Module fehlten. 266-mal wurden Strafen verhängt, sie variieren in der Höhe zwischen 50 und 250 Euro.

Anzeigen und Strafen

Die steirische Landesregierung zeigt im Durchschnitt 100 Säumige pro Jahr an; 2013 waren es exakt 102, 2014 genau 99. Strafen müssen allerdings die Bezirkshauptmannschaften verhängen: Für Graz-Umgebung waren das 2015 elf Strafverfügungen, in Graz gab es keinen einzigen Strafbescheid.

Österreichweit scheinen diese Zahlen nicht zentral auf. Zumindest für die Jahre 2012 bis 2014 existiert nach parlamentarischen Anfragen der Grünen eine Auflistung: 2012 standen 10.313 positiv erfüllten Integrationsvereinbarungen nur 369 Strafbescheide gegenüber; 2013 waren es 10.950 Menschen, die Modul eins oder zwei absolviert haben (bei 529 Strafbescheiden); 2014 gab es 12.404 erfüllte Vereinbarungen und 808 Strafbescheide.

Von Jänner bis Mai diesen Jahres wurden 2848 positive Prüfungszeugnisse erfasst, die über den Bund abgerechnet wurden, teilt der Integrationsfonds mit. Da es aber viele Stellen gibt, bei denen Deutschprüfungen gemacht werden können, zeigt diese Zahl nur einen Teil des Gesamtbildes.

Kurse evaluieren

Doch eben dieses Gesamtbild wünschen sich etwa die Grünen seit Langem. "Die meisten Migranten bemühen sich, die Sprache zu lernen. Aber das Tragische ist, es interessiert nicht, wie viele es nicht schaffen oder wie man die Deutschkurse verbessern könnte", kritisiert Nationalsabgeordnete Alev Korun. Sie fordert vom Innenministerium, die angebotenen Deutschkurse extern evaluieren zu lassen und zusätzlich den Teilnehmerkreis zu erweitern: Weil Asylverfahren zuweilen jahrelang dauern, sei es sinnvoll, dass auch Asylwerber mitmachen dürfen.

Die steirische Landespolitik zielt zumindest in diese Richtung, wenn auch als Zwangsmaßnahme: Über die Mindestsicherung sollen Asylwerber verpflichtet werden, Deutschkurse zu besuchen.

Kommentare