Der Corona-Pranger hat wieder Saison: Studenten im Fokus

Für das "Sonnendeck" - beliebter Treff der Studenten - wird eine Platzsperre gefordert
In Innsbruck wird gegen Massentreffen der Jungen gewettert. In der Einkaufsmeile sind Abstände aber kein Thema. Ein Kommentar von unserem Tirol-Korrespondenten Christian Willim.

Passend zur Osterwoche steht die Scheinheiligkeit dieser Tage ganz hoch im Kurs. Zumindest in der Innsbrucker Stadtpolitik, die nach dem Ende der Koalition ohnehin schon von einem Wahlkampf geprägt wird, der offiziell noch keiner ist.

Der VP-Vizebürgermeister Johannes Anzengruber drängt auf Platzsperren an jenen Orten, an denen die Studentenszene sich in Massen unter der Frühlingssonne trifft – dem Marktplatz und dem sogenannten Sonnendeck hinter der Universität.

„Schulter an Schulter sitzen die Besucher vor Ort am Boden oder auf der Innufer-Mauer“, moniert der für Gesundheit zuständige Stadtrat und nennt das Treiben „verantwortungslos“.

Die einstige Schwesterpartei Für Innsbruck (FI) springt der VP bei. In Person des Gemeinderats Kurt Wallasch wird die „Rücksichtslosigkeit vieler Studierender“ angeprangert. Die bleiben aber alleine am Pranger stehen, der in Pandemiezeiten wieder und wieder aufgestellt wird.

Stehtische für die Konsumenten

Denn so sehr sich die beiden bürgerlichen Parteien gerade an den Studenten abarbeiten: Wenn sich die Menschen in der Einkaufsmeile Maria-Theresien-Straße – direkt vor dem Rathaus – Tag für Tag, „Schulter an Schulter“ sitzend und stehend zusammenfinden, sind keine warnenden Rufe zu vernehmen.

Damit das Zusammenstehen ein bisschen gemütlicher ist – es gibt ja nicht ausreichend Sitzgelegenheiten – wurden zuletzt sogar Stehtische in der Straße platziert. Widersprüchlicher geht es eigentlich nicht mehr.

Aber dem Handel wollen die beiden Fraktionen offenbar nicht in die Suppe spucken. Da spielt der aktuelle Anstieg der Corona-Infektionen plötzlich keine Rolle mehr. Genauso wie am angrenzenden Sparkassenplatz, wo sich das Bürgertum über Monate hinweg auf morgendlichen Take-away-Espresso beim Barista des Vertrauens traf.

Selbst als der Babyelefant noch Maß aller Dinge war, hätte der inmitten der Grüppchen Platzangst bekommen. Aufschrei? Gab es keinen.

Der grüne Bürgermeister Georg Willi hat Platzsperren an den Studententreffs, die er dort noch vor einem Jahr verhängt hat, eine Absage erteilt. Ihm sei lieber, die Leute treffen sich im Freien statt im Privaten, argumentiert er.

Gleiches Recht für alle

Die Ansammlungen auf dem Marktplatz und am Sonnendeck sind durchaus kritisch zu betrachten. Aber es ist eigentlich recht simpel: Es gibt Abstandsregeln. Für die Kontrolle ist die Polizei zuständig. Und entweder sie ahndet Verstöße überall oder eben nicht.

In der Maria-Theresien-Straße scheint es die Exekutive bei ihren täglichen Corona-Streifen jedenfalls nicht besonders zu interessieren, wer da wie nahe bei wem steht oder sitzt.

Sich unter solchen Umständen eine bestimmte Gruppe herauszupicken und ihr gar schon vorsorglich – wie etwa Wallasch – die Schuld am nächsten Lockdown in die Schuhe zu schieben, das riecht nach messen mit zweierlei Maß. Oder eben Wahlkampf. Aber den gibt es offiziell ja noch nicht.

Kommentare