Mick Jaggers Stimme wechselt zwischen zart und energisch, das Piano von Gastmusiker Stevie Wonder setzt spärliche Klangtupfer, bevor es fordernder wird und Lady Gaga dazukommt, um sich die Seele aus dem Leib zu singen: „Sweet Sounds Of Heaven“ vom am 20. Oktober erscheinenden neuen Album der Rolling Stones ist ein epischer Track, der von Gospel und Blues beeinflusst über 7:22 Minuten zwischen reduziert und bombastisch pendelt, sich mehrmals aufbäumt und wieder in sich zusammenfällt, bevor er in einem furiosen Finale mit Bläsern und stampfenden Gitarren gipfelt.
Wow, was für ein Gänsehautmoment! Es ist aber bei Weitem nicht der Einzige dieses Albums mit neuen Stones-Songs, auf das die Fans 18 Jahre warten mussten. Da ist noch der „Rolling Stone Blues“, eine Cover-Version des Muddy-Waters-Songs, nach dem sich die Rolling Stones benannt haben: Ein rohes Gitarrenriff, Mundharmonika und grandiosen Jagger-Gesang – mehr braucht das Stück nicht, um unter die Haut zu gehen.
Auch der Country-Blues „Dreamy Skies“ mit Slide-Gitarre ist ein Höhepunkt des Albums: Jagger singt dazu von der Zuflucht in die Einsamkeit, wo es für Meilen keine Nachbarn gibt, Hank Williams im Radio und sonst nur Freiheit und Frieden.
Natürlich gibt es auf „Hackney Diamonds“ auch Stones-typische Rocknummern. Allen voran die Single „Angry“, die sich mit ihrem eingängigen Refrain schnell als Live-Favorit etablieren wird, genau wie die Ohrwurmmelodie von „Whole Wide World“.
„Mess It Up“ und „Live By The Sword“ sind die letzten Tracks, die der 2021 verstorbene Drummer Charlie Watts mit den Rolling Stones aufgenommen hat. Letzterer stampft wütend durch den Äther und wird von einem zickigen Gitarrensolo zum swingenden Boogie-Piano (gespielt von Elton John) abgerundet. Auch Bassist Bill Wyman, der die Rolling Stones vor mehr als 30 Jahren verlassen hat, ist auf dem Track zu hören. Und Beatles-Legende Paul McCartney spielt bei dem wuchtig nach vorne preschenden, aber in der Melodie vorhersehbaren „Bite My Head Off“ Bass, während die anderen Schlagzeug- und Bass-Parts von Steve Jordan beziehungsweise Darryl Jones aus der Live-Band übernommen wurden.
„Bite My Head Off“ zeigt die Stärke von „Hackney Diamonds“ abseits der Gänsehautmomente: Selbst wenn man bei Tracks wie „Get Close“ oder „Driving Me Too Hard“ anfangs denkt, so etwas habe ich von den Stones auch früher schon gehört, schleichen sich diese neuen Refrains doch viel schneller und tiefer ins Ohr. Und die Spielfreude und Energie, die das Trio hier durchwegs ausstrahlt, macht „Hackney Diamonds“ zu einem vom Anfang bis zum Ende herzerfrischenden Album.
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