NÖ: Cannabis-Debatte schärft Blick für Drogenszene

Zwei Personen stehen vor dem Landesklinikum Mauer, Abteilung für Abhängigkeitserkrankungen.
Primar Korbel von der Entzugsstation Mauer sieht Legalisierung von Cannabis skeptisch, kennt aber auch positive Aspekte. Risikodrogen bei ganz Jungen bescheren Tote und bereiten aktuell Sorgen

Cannabis zu legalisieren oder nicht, ist eine komplexe Frage. „Für diese gibt es einfache Antworten, aber diese sind meistens falsch.“

Der deutsche Gesetzesentwurf zur Teillegalisierung von Cannabis beschäftigt auch Primar Christian Korbel, den NÖ Suchtbeauftragter und ärztlichen Leiter des Landesklinikums Mauer, mit Anfragen. Ein deutliches Ja oder Nein bekommt man von dem Psychiater, der in Mauer die Abteilung für Abhängigkeitserkrankungen mit der einzigen Drogenentzugsstation in NÖ leitet, nicht zu hören. Dass schwere Drogen zuletzt auch mehr bei sehr jungen Konsumenten gefunden wurden, beschäftigt Korbel gerade ebenso stark.

Eine Frau mit Sonnenbrille raucht eine Zigarette bei Sonnenuntergang.

Normal, weil legal: In unserem Nachbarland Deutschland bricht man beim Kiffen voraussichtlich ab Ende des Jahres kein Gesetz mehr.

Die Cannabis-Thematik sieht der Experte als sehr vielschichtig. Er zieht Vergleiche mit dem gängigen Genuss- und Suchtmittel Alkohol. „Der war ja bei uns immer legal konsumierbar. Allerdings gibt es dazu eine Fülle von Gesetzen, die das genau regeln und normieren“, sagt Korbel. Vom Anbau bis über die Qualität und die Art des Produktes werde so etwa der Weinkonsum kontrolliert.

Vorsicht

Bezogen auf die eher harmlos eingestufte illegale Droge Cannabis rät Korbel zur Vorsicht. „Wer sich für Legalisierung einsetzt, muss sich auch für umfassenden begleitende Maßnahmen, wie psychiatrischer Betreuung, verschiedenster Therapien und Präventionsregeln einsetzen“, fordert er.

Anderseits gebe es auch Argumente für eine Freigabe in einem gewissen Rahmen. So könnte der kriminelle Drogenmarkt in einem Teilbereich ausgehebelt werden, es wäre auch möglich, die Produktion und Qualität sowie die Dosierung des Stoffs zu kontrollieren. Und auch über die Konsumenten erlange man mehr Wissen, als man derzeit habe.

Kein Zugang

Vom freien Zugang zu Cannabis müssten unbedingt Kinder und Jugendliche ausgesperrt werden. Auch für Menschen mit psychischen Belastungen oder Erkrankungen habe Cannabiskonsum meist negative Auswirkungen, so Korbel.

Dass Cannabis in NÖ konsumiert wird, ist unbestritten. Korbel und seine Kollegen aus den Bundesländern gehen davon aus, dass der Konsum im europäischen Schnitt liegt. Die „Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht“ nennt in ihrem Bericht für 2022, 22,2 Millionen Cannabis-Konsumenten. Das entspricht 7,7 Prozent der Bevölkerung im Alter zwischen 15 und 64 Jahren.

Auf einer schwarzen Oberfläche liegen Tabletten, Pulver und Spritzen.

Beim risikoreichen Drogenkonsum, etwa von Opioiden, wie Heroin, findet sich Österreich ebenfalls im europäischen Mittelfeld. Abhängige findet man zum größten Teil in den Ballungszentren. Doch auch am Land, wie im Mostviertel, gebe es eine „schwer unterschätzte Zahl von Heroinabhängigen“, versichert Korbel. Das Behandlungs-, Therapie- und Substitutionsangebot für Opioidabhängige schätzt Korbel gerade in NÖ mit Drogenberatungen in allen Bezirken und sechs psychiatrischen Anlaufstellen in den Spitälern als gut ein. Wartelisten für eines der 30 Betten auf der Entzugsstation in Mauer seien aber ebenso eine Tatsache.

Als problematisch sieht der Drogenprimar die auffällige Zahl opioidabhängiger Junger. Der Tod zweier Mädchen (14 und 17) im Februar in Heidenreichstein sorgte für Aufsehen. „Für solche Fälle fehlen uns die Therapieplätze. Sie in der Entzugsanstalt mit Leuten mit zwanzigjähriger Drogenerfahrung unterzubringen, wäre oft kontraproduktiv“, meint Korbel. Aktuell geht ihm der Tod eines erst 16-Jährigen nahe, von dem er am Donnerstag erfuhr.

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