Cannabis auf dem Vormarsch: Ein Viertel der Wiener hat bereits gekifft

Eine Person raucht eine brennende Zigarette.
Drogensituation in Österreich bleibt jedoch allgemein stabil. Alkohol ist weiterhin die legale Volksdroge Nummer eins.

Die Situation mit illegalen Drogen in Österreich bleibt weitgehend stabil - mit einer Ausnahme: Cannabis ist mittlerweile weitgehend in weiten Bevölkerungsteilen "angekommen". In Wien hat laut einer IFES-Umfrage fast ein Viertel der Bevölkerung schon einmal an einem Joint gezogen. Zum Vergleich: 2003 hatten nur 15 Prozent der Befragten von einem zumindest einmaligen Haschisch- oder Cannabiskonsum berichtet, 1993 nur fünf Prozent. Volksdroge Nummer eins bleibt aber weiterhin der Alkohol. Der Konsum von "härteren Drogen" wie Ecstasy, Kokain oder Opiaten bleibt hingegen ein Minderheitenproblem. Das ist das Fazit im aktuellen österreichischen "Bericht zur Drogensituation 2013".

Der Report wird jährlich von Fachleuten der Gesundheit Österreich GmbH (GÖG) im Auftrag des Gesundheitsministeriums erstellt und dient auch als nationale Grundlage für den Jahresbericht der EU-Drogenbeobachtungsstelle (EMCDDA/Lissabon). Österreich braucht demnach keine Angst vor einer überbordenden Drogenproblematik zu haben. Die Fachleute: "Die aktuellen Ergebnisse des Wiener Suchtmittelmonitorings geben keine Hinweise auf Veränderungen des Drogenkonsums. Cannabis ist nach wie vor die einzige illegale Droge mit einer nennenswerten Konsumprävalenz in der Allgemeinbevölkerung." (Mehr zur Situation in Wien lesen Sie im unteren Abschnitt)

Alkoholproblem bei Studenten

In Sachen Suchtproblematik ist der legale Alkohol in Österreich aber um mindestens das Zehnfache verbreiteter. Die GÖG-Autoren unter Marion Weigl führen eine Fragebogen-Umfrage unter Studenten als Beleg dafür an: "Regelmäßigen Konsum von Cannabis gaben lediglich zwei Prozent der Befragten an. Mittels des (...) Fragebogens wurde hingegen bei 25 Prozent der Befragten ein Alkoholmissbrauch und bei 22 Prozent eine Alkoholabhängigkeit diagnostiziert."

Die "Harmlosigkeitsgrenze" bei Alkohol liegt (laut "Handbuch Alkohol Österreich", Gesundheitsministerium aus dem Jahr 2011) übrigens bei Männern geringfügig mehr als einen halber Liter Bier oder ein Viertel Liter Wein pro Tag (24 Gramm reiner Alkohol), bei Frauen geringfügig weniger als einen halber Liter Bier oder ein viertel Liter Wein pro Tag (16 Gramm reiner Alkohol).

Die Gefährdungsgrenze zur Alkoholabhängigkeit liegt bei Männern bei 21,2 Österreichischen Standardgläsern (ÖSG ist ein halber Liter Bier, bzw. Viertel Liter Wein bzw. 2 cl Schnaps bzw. 2 Gläser Sekt) pro Woche, bei Frauen 14 ÖSG.

Fast die Hälfte der Jungen hat schon einmal gekifft

Bei den illegalen Drogen ist nur Cannabis wirklich in der Allgemeinbevölkerung relativ verbreitet. Der Report: "Konsumerfahrungen mit illegalen Drogen (Lebenszeitprävalenz) finden sich in Österreich am häufigsten bezüglich Cannabis mit Prävalenzraten von etwa 30 bis 40 Prozent bei jungen Erwachsenen. In den meisten Repräsentativstudien finden sich des Weiteren Konsumerfahrungen von rund zwei bis vier Prozent für ' Ecstasy', Kokain und Amphetamine und von rund ein bis maximal zwei Prozent für Opiate: Der immer wieder in Medien auftauchende "Alarm" wegen "neuer" Suchtmittel lässt sich faktisch nicht wirklich begründen. Die Autoren: "Der Konsum neuer psychoaktiver Substanzen spielt entgegen manchen Medienberichten kaum eine Rolle."

Problematischen Drogenkonsum weisen zwischen 30.000 bis 34.000 Österreicher auf. 90 Prozent davon benutzen Opioide. 15.000 bis 17.000 Betroffene injizieren sich Suchtgift. Nur ein Fünftel der Personen mit problematischem Drogenkonsum sind Frauen. Ein Vergleich: Rund 350.000 Österreicher sind alkoholkrank.

Weniger Anzeigen

Für eine stabile Situation sprechen auch die Daten zu Straftaten und Drogendelikten: "So ist die Zahl der Anzeigen wegen Verstoßes gegen das Suchtmittelgesetz (SMG) im Jahr 2012 (23.797) im Vergleich zu 2011 (25.892) gesunken und liegt etwa auf dem Niveau von 2010. Insgesamt 22.503 Anzeigen (2011: 24.129) bezogen sich auf Suchtgifte. Von den übrigen 1.294 betrafen die meisten psychotrope Stoffe und acht Drogenausgangsstoffe. Differenziert man nach der Art der Anzeige, so kam es 2012 zu einem Rückgang sowohl bei den Verbrechenstatbeständen (minus 13 Prozent bei "Vorbereitung von Suchtgifthandel" bzw. "Suchtgifthandel") als auch bei den Vergehenstatbeständen (minus sechs Prozent bei "unerlaubtem Umgang mit Suchtgift".

Zahl der Drogentoten gesunken

Eine - wenn auch nicht immer einfache - Erfolgsstory ist die Substitutionstherapie für Opioid-Abhängige. Waren Ende 2002 zum Beispiel erst 4.883 Personen in dieser Drogenersatzbehandlung, waren es Ende 2012 bereits 16.892 - etwa die Hälfte der dafür infrage kommenden Patienten. Ein großes Manko allerdings: Unter den Abhängigen mit intravenösem Drogenkonsum sind 70 Prozent Hepatitis C-infiziert. Hier kann nur ein optimaler Zugang zu den entsprechenden Therapien eine Erfolg versprechende Gegenstrategie sein und verhindert auch Neuinfektionen.

Durch die wachsende Zahl der Substitutionspatienten werden auch tödliche Überdosierungen verhindert. 2011 gab es dadurch 201 Todesopfer in Österreich, im vergangenen Jahr waren es "nur" 161 - ein ähnlich tiefer Wert wurde zuletzt vor zehn Jahren erreicht.

Links

Bericht zur Drogensituation 2013

EU-Drogenbeobachtungsstelle

Gesundheit Österreich GmbH

Der Alkoholkonsum in der Wiener Bevölkerung steigt – und ebenso der Konsum von Beruhigungs- und Schlafmitteln: Das sind zwei zentrale Ergebnisse der neuen „Suchtmittel Monitoring Studie“ des Instituts für Empirische Sozialforschung (IFES), die im Auftrag der Sucht- und Drogenkoordination Wien durchgeführt wurde. „Es ist sehr wahrscheinlich, dass sich der erhöhte wirtschaftliche und gesellschaftliche Druck in unserer Umfrage abbildet“, sagt dazu Hans Haltmayer, ärztlicher Leiter der Suchthilfe Wien. Die Ergebnisse im Detail:

Alkohol

35 Prozent der Bevölkerung trinken zumindest zwei bis drei Mal pro Woche Alkohol. Zwar war in den 90er-Jahren dieser Prozentanteil noch höher (39 Prozent), aber nach einem Rückgang bis 2005 steigt er wieder an (siehe Grafik). Rund die Hälfte der Wiener Bevölkerung konsumiert zumindest einmal in der Woche Alkohol. Dabei sind es „keineswegs die Jüngeren, die sich in überdurchschnittlichem Maße einem Alkoholrisiko aussetzen, sondern in erster Linie die über 50-Jährigen“, so die Studie. „Bei den Männern nimmt im Alter der Konsum stärker zu als bei den Frauen“, so Haltmayer. „Männer definieren sich sehr über ihre Position im Arbeitsleben – wenn sich diese verschlechtert, der Job verloren geht oder se in Pension sind, versuchen sie mit Alkohol gegenzusteuern – was aber nicht funktioniert.“ Die Angebote für Alkoholkranke sollen ausgebaut werden.

Psychopharmaka

Hier fällt vor allem ein steigender Konsum von Schlaf- und Beruhigungstabletten auf: „Am höchsten ist er bei den über 50-Jährigen“, so Haltmayer. Eine „zunehmende psychische Belastung“ vieler Menschen sei sehr wahrscheinlich ein Grund für den Anstieg: „Andererseits steigt das Durchschnittsalter der Bevölkerung und im Alter sind zum Beispiel Schlafstörungen generell häufiger.“

Vielfach fehle das Problembewusstsein für die Gefährlichkeit solcher Medikamente: „Viele Patienten gehen automatisch davon aus, dass diese Mittel automatisch gut sind, weil sie diese ja vom Arzt bekommen.“

Nikotinkonsum

32 Prozent der Wiener sind regelmäßige Raucher – genauso viele wie vor zehn Jahren. „Das zeigt, dass alle Maßnahmen, die bisher gesetzt wurden, um den Nikotinkonsum zu reduzieren, nicht gegriffen haben“, sagt Wiens Drogenbeauftragter Alexander David. „Nur mit erhobenen Zeigefinger zu warnen reicht nicht“, ergänzt Haltmayer: „Wir müssen mehr informieren und aufklären – gezielt in den Bevölkerungsgruppen mit hohem Raucheranteil.“Gleichzeitig sollte Raucherentwöhnung ein größeres Thema bei den niedergelassenen Ärzten werden.

Illegale Drogen Keine starken Veränderungen gibt es bei den „harten“ illegalen Drogen – durch die Kleinheit des prozentuellen Anteils in der Umfrage seien Veränderungen nicht wirklich aussagekräftig. „Wir sehen aber einen deutlichen Rückgang bei jungen Drogenkonsumenten, gleichzeitig steigt die Lebenserwartung von älteren Patienten – weil sie langfristig in Behandlung und dadurch symptomfrei sind.“

Einen Anstieg gibt es beim „Probierkonsum“ von Hanfprodukten. Haltmayer: „Das muss man im Auge behalten. Aber unsere Hauptprobleme liegen beim Alkohol, den Zigaretten und den Tabletten.“

Eine Grafik zum Alkohol-, Nikotin- und Psychopharmakakonsum der Wiener Bevölkerung zwischen 1995 und 2013.

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