Ende einer Buchhandels-Legende: Die Hintermayer-Saga

Ende einer Buchhandels-Legende: Die Hintermayer-Saga
Mit preisreduzierten Bildbänden wurde die Wiener Buchhandlung Hintermayer zur Institution. Jetzt schließt die letzte Filiale

Das Ende der Buchhandlung Hintermayer in der Neubaugasse wurde passenderweise per Flugblatt angekündigt. Die knallbunten Hintermayer-Flyer, die für preisreduzierte Bildbände warben und regelmäßig im Postkasten steckten, gehörten jahrzehntelang zum Alltag der Wienerinnen und Wiener.

Das letzte Flugblatt seiner Art sieht auf den ersten Blick wie alle anderen aus. Auf der Rückseite aber steht: „Time to say Good Bye“. Mit Jahresende geht nach mehr als 60 Jahren die Geschichte der Buchhandlung Hintermayer zu Ende. „Ich bin seit sieben Jahren in Pension, es ist Zeit für einen Neubeginn“, sagt der 71-jährige Karl Hintermayer, der die Buchhandlung zusammen mit seinem fünf Jahre jüngeren Bruder Kurt und dessen Frau, Alexandra Zumoberhaus, betrieben hat.

Aus den nachfolgenden Generationen wollte keiner das Geschäft übernehmen, was Hintermayer sogar verstehen kann. „Ich glaube zwar, dass das Buch auch in 100 Jahren noch existieren wird. Aber es gibt sicher einfachere Berufe als Buchhändler.“

Sagenhaft billig

Schwerpunkt des Sortiments waren Kunstbände und Austriaca; berühmt war der Hintermayer vor allem für seine Sonderangebote. Er war einer der ersten Buchhändler, die auf „modernes Antiquariat“ setzten – auf Restposten also, die von den Verlagen „verramscht“ wurden; die Buchpreisbindung, die Rabatte bei Büchern verbietet, wird in solchen Fällen aufgehoben.

„Märchenhaft schöne Bücher zu sagenhaft günstigen Preisen“ war damals das Motto. Der Band „Das Waldviertel“ mit Zeichnungen und Fotos von Karl Korab ging bei Hintermayer sogar so gut, dass der Brandstätter Verlag irgendwann nachdruckte. „Von dem haben wir 4.000 Stück verkauft“, erinnert sich Karl Hintermayer. „Das war deshalb so bemerkenswert, weil das Buch absolut nicht Mainstream war.“

Zu seinen besten Zeiten, in den 80er- und 90er-Jahren, war der Hintermayer zu einem kleinen Imperium herangewachsen, mit sechs Filialen in Wien, einer in Salzburg und einer in St. Pölten.

In den letzten Jahren schrumpfte das Unternehmen dann nach und nach zusammen, bis es am Ende nur noch aus dem Stammgeschäft in der Neubaugasse bestand. Die Hintermayers sprechen von geordnetem Rückzug („Wir haben uns schön langsam auf die Pension vorbereitet“), aber natürlich hatten auch sie unter der Konkurrenz von Internet und großen Ketten zu leiden.

Dass es in diesem Match nicht immer rational zugeht, weiß Kurt Hintermayer, seit seine Nichte unter ihren Freundinnen eine Umfrage gemacht hat, warum sie zu Thalia gehen. „Alle haben gesagt: Weil es dort billiger ist.“

Das Thema Versand hat man bei Hintermayer schon früh ernst genommen. „Oft waren wir schneller als Amazon“, sagt Kurt. „Und die Kunden haben gewusst, dass wir persönlich ihre Packerln gemacht und zur Post getragen haben. Ist ja auch ganz nett.“

Ende einer Buchhandels-Legende: Die Hintermayer-Saga

Die Buchhandlung Hintermayer in der Neubaugasse wurde 1962 eröffnet

Gemischte Gefühle

Unlängst hat ihm ein Stammkunde vorgerechnet, dass er genau 5.734 seiner 10.000 Bücher bei Hintermayer gekauft habe, erzählt Karl. In solchen Momenten wird er ein bisschen wehmütig. Die Gefühle sind gemischt; einerseits freut er sich, anderseits ist er unsicher: „Ich stehe seit 55 Jahren mehr oder weniger jeden Tag im Geschäft, das wird schon eine Umstellung.“

Das Lokal in der Neubaugasse 29 war schon vor mehr als 100 Jahren eine Buchhandlung, Renk hieß sie. Vater Hintermayer hat dort seine Lehre gemacht und 1962 das Geschäft übernommen; Sohn Karl ist 1968 eingestiegen.

Die Hintermayer-Saga hat ein Happy End: Das Geschäft bleibt eine Buchhandlung. Die Firma Kral, die neben fünf Filialen in NÖ und Wien auch einen Verlag betreibt, übernimmt den Laden.

Am heutigen Freitag steigt im Geschäft eine kleine Abschiedsparty, auf der sich auch die Nachfolger vorstellen werden. Es soll ein ungezwungenes Treffen sein. „Wir werden ein bissl was erzählen und mit den Kunden plaudern“, sagt Karl Hintermayer. „Sekt wird es auch geben.“

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