Das Gros der Bierdeckel liegt am zweiten Mittwochnachmittag im Februar nicht auf den rustikalen Tischen des Schutzhauses neben dem Ameisbach in Wien-Penzing, sondern mehr oder weniger fein sortiert in Schachteln in allen Größen und Farben.
„Wir treffen uns hier ein Mal im Monat“, eröffnet Fritz Malus, der eine Art graue Eminenz bei den Bierdeckelsammlern ist. Die Sammler begrüßen das KURIER-Team mit offenen Armen: Endlich wieder Menschen, die sich für uns und unsere Leidenschaft interessieren!
Ein Blick in die Runde im Extrazimmer bestätigt den zweiten Satz von Malus: „Wir haben leider ein Nachwuchsproblem.“
Der Jüngste, Kurt Enne, ist auch nicht mehr bei den Wiener Linien als Bimfahrer aktiv. Er ist Jahrgang 1965 und ebenso schon in Pension. Mit seinen 24.000 sortierten und 30.000 noch unsortierten Bierdeckeln zählt er auch, was seinen Besitzstand anlangt, nicht zur Oberliga.
Kollegen an den Nebentischen haben 100.000, 200.000, 300.000, einer sogar 500.000 Karton-Untersätze über die Jahre in ihren Heimen angehäuft.
500.000? Dafür benötigt man den Keller eines Hauses, erläutert der Besitzer, denn im ersten Stock würden seine tonnenschweren Bierdeckel sein Haus eher früher als später zum Einsturz bringen. Und man benötigt eine Partnerin, die ohne Ende tolerant ist.
Perfekt wären auch Kinder, die mit der Liebe des Herrn Papa etwas anfangen können. Spielt es aber fast nie. Womit wir wieder bei Fritz Malus und seinen bereits angesprochenen Nachwuchssorgen sind: „Wir haben mehr Bierdeckel als Sammler.“
Für ihn stellt sich daher die Frage: „Was wird aus all unseren Bierdeckeln, wenn wir nicht mehr sind?“ Alle im Extrazimmer nicken.
Sammlertreffs: Kommen Sie, schauen Sie, sammeln Sie. Die Sammler in Wien 14 und im Bezirk Mistelbach laden die interessierten KURIER-Leser zu ihren Treffs ein.
Eintritt frei: Im Schutzhaus am Ameisbach trifft man sich am zweiten Mittwoch im Monat, im nö. Siebenhirten am letzten Dienstag im Monat (jeweils ab 14 Uhr). Der Eintritt ist kostenlos, eine Anmeldung erbeten: malus@chello.at.
13.000 Deckel gibt es laut Insider österreichweit. Die ersten wurden um 1900 bedruckt.
Ein Blick in die Runde zeigt übrigens auch, dass die Bierdeckelsammler nicht zwangsläufig Bierbrauer und nicht einmal Trinker von Bier sein müssen. Auf manchem Deckel steht ein Mineral, ein Glas Wasser zur Melange oder ein Obi gespritzt. Bier in Maßen wird auch getrunken, zudem zwei weiße Spritzer.
Die netten Bierdeckelsammler im Schutzhaus sind in der Tat vom Aussterben bedroht. Noch ein paar Jahre, und sie sind ganz von der Bildfläche verschwunden. Die Hoffnung stirbt zuletzt.
„Aber vielleicht finden sich ja noch Leute, die ein Interesse an unseren Bierdeckeln bekunden“, erklärt Walter Pruckner, der mit gut vierzig Jahren Zugehörigkeit zum Sammlerverein schon zu seinen Lebzeiten den Status einer Legende genießt.
Mit seinem Kumpel Anton Novotny, der 45 Jahre lang als Brauer und Mälzer in der Ottakringer Brauerei Wissen um die Herstellung von Bier angesammelt hat, kann Herr Pruckner große Geschichten und kleine Gschichterln rund um das Bier und seine Kultur erzählen. Auch über kleine exklusive Bierdeckel-Sammlungen im Wert eines kleinen oder auch größeren Autos.
Zur KURIER TV-Reportage: Bierdeckelsammler
Drei Wege zum Deckel
Die Wege zum Sammeln der Deckel sind nicht linear. Es zeichnen sich aber schnell drei Haupt-Zugänge ab: Die weitaus größte Gruppe hat im Leben vor den Bierdeckeln Briefmarken gesammelt.
Monika Osterritter zählt zu der zweiten Gruppe: „Ich habe zu meinem Fünfziger eine große Stiegl-Schachtel mit Bierdeckeln bekommen und sofort Blut geleckt.“ Das war vor dreißig Jahren. Heute kann die Liesingerin ziemlich sicher sein, in Österreich die meisten Bierdeckel aus der ehemaligen DDR zu besitzen.
Jungspund Kurt Enne ist einer von jenen, die schon als Kind Bierdeckel gesammelt haben: „Für meinen älteren Bruder und mich war das ein schönes und vor allem ein leistbares Hobby.“
Und es wäre wohl nicht Wien gewesen, wären die Brüder bei ihren Beisl-Touren durch Wien überall so freundlich begrüßt worden wie hier am Sammler-Stammtisch.
Wie Brauer Anton Novotny macht sich auch der pensionierte Polizist Gerhard Kopka zu Hause den eigenen Gerstensaft. Und auch er hat sein Gaudium mit Bierdeckeln: „Weil man hier sehr nette Leute kennenlernen kann.“
Am letzten Dienstag im Februar treffen sie sich in Siebenhirten bei Mistelbach, und dann wieder in Wien. Fritz Malus setzt auf die KURIER-Leser und -Leserinnen. Er fleht fast: „Schauen Sie doch bitte bei uns vorbei.“
Kommentare